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Unbeliebt und doch bewundert

Herodes der Große, König von Judäa, Samaria und Galiläa, der im Jahr 4 vor Christus starb, war für viele Juden ein von Rom eingesetzter Vasall und despotischer Herrscher. Die Ausstellung im Israel-Museum in Jerusalem würdigt ihn jedoch vor allem als genialen Baumeister, der die Architektur seiner Zeit prägte.

Von Wolfram Nagel | 09.08.2013
    "Die Ausstellung beginnt mit einer Rekonstruktion eines Zimmers aus dem Herodespalast in Jericho. Also dem Ort, wo Herodes verstorben ist. Und man schön sehen kann, wie Herodes sich in seinen Privaträumen selber eingerichtet hat."

    In den römischen Modefarben Rot, Gelb, Grün-Grau, wie man sie beispielsweise auch in Pompeji finden kann, so Martin Vahrenhorst, Theologe und Archäologe vom Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaften in Jerusalem.

    "Und was auffällt, es ist gänzlich ohne figürlichen Schmuck."

    Denn der König von Galiläa, Judäa und Samaria hielt sich an das jüdische Bilderverbot. Doch lebte er mit römischem Prunk. Fußbodenheizung, Marmor, edle Gläser und Geschirr, aus Italien importierte Speisen und Wein.

    "Römisch leben, sich römisch unterhalten und römisch essen, das gehört eben für diesen König genauso dazu wie eben den römischen Tempel zu renovieren."

    Wie die von ihm gegründete Stadt Cäsarea besaß auch sein Winterpalast in der Jordansenke ein Theater. Eine große Landkarte zeigt Herodes Herrschaftsgebiet. Es reichte vom Mittelmeer bis weit über den Jordan im heutigen Syrien und Jordanien.

    "Gerade in Jericho kann man noch sehr schön sehen, wie so eine Mischung aus Amphitheater und Pferderennbahn, Hippodrom, sich erhalten hat. Er hat die Landschaft schon so geprägt, dass man bis heute noch Spuren davon erkennen kann."

    In der Vergangenheit stützte man sich im Urteil über Herodes vor allem auf die Berichte des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus und auf die Evangelien. Durch umfangreiche Ausgrabungen und bauarchäologische Untersuchungen auf der Festung Massada am Toten Meer, in Cäsarea am Mittelmeer oder auch auf dem sogenannten Herodion bei Bethlehem kann dessen Leben und Denken nun viel besser rekonstruiert und historisch eingeordnet werden.

    In der Ausstellung des Israel-Museums wird er vor allem auch als genialer Baumeister gewürdigt. Er huldigte zwar dem römischen Kaiser, indem er einen Augustustempel bauen ließ:

    "Aber das hat ihn nicht daran gehindert, auch für seine Religion, für sein Volk etwas zu tun und den Tempel von Jerusalem zum größten Heiligtum der antiken Welt zu machen."

    Groß und breit zitiert die Ausstellung allerdings auch einen Satz des römische Schriftsteller Macrobius, der Herodes als grausamen Regenten charakterisiert, der nicht einmal davor zurückschreckt, seine eigenen Kinder ermorden zu lassen.

    "Es ist besser Herodes Schwein zu sein als einer seiner Söhne. Er hat mehrere seiner Kinder ermorden lassen, Verwandte, auch seine Ehefrau – für ihn gehörte das zu seinem Machterhalt dazu."

    Die geografische Lage der Festungen Massada am Toten Meer und des Herodion südlich von Jerusalem machen deutlich, wie Herodes um die eigene Existenz gebangt hat. Bereits zu Beginn seiner Herrschaft musste er sich gegen die Dynastie der Hasmonäer durchsetzen. Diese hatte das jüdische Leben seit dem siegreichen Makkabäer-Aufstand gegen die Griechen in Palästina bestimmt, bis Herodes ihnen die Macht blutig entriss. Doch der Sohn einer Nabatäerin war in den Augen der Tempelaristokratie kein wirklicher jüdischer König, sondern lediglich ein von Rom eingesetzter Vasall.

    "Also, es ist ihm gelungen, speziell dem Kaiser Augustus glaubhaft zu machen, dass er derjenige ist, der hier in dieser Gegend die römischen Interessen gut vertreten kann, indem er hier im Osten des Reichs für Ruhe sorgt und dafür umgekehrt von Rom eine relativ große Autonomie bekommen hat und hier wirklich als König regieren konnte."

    Und das 33 Jahre lang, bis er im Jahre 4 vor Christus in Jericho starb. Flavius Josephus hat den prunkvollen Trauerzug eindrucksvoll beschrieben. Noch zu Lebezeiten hatte sich der König auf dem Herodion ein Mausoleum errichten lassen. Der Archäologe Ehud Netzer fand 2007 Fundamentreste und Fragmente des Sarkophags. Wahrscheinlich hatten die Zeloten, also die Widerstandkämpfer gegen die römische Herrschaft, das Bauwerk bereits in den 60er-Jahren des 1. Jahrhunderts zerstört und die Knochen des Herodes in alle Winde zerstreut:

    "Herodes galt als Kollaborateur, der mit den Römern zusammengearbeitet hat, und das Gedächtnis an diesen Menschen wollten die Aufständischen auslöschen und damit auch jede Chance auf Auferstehung, denn für die Auferstehung brauchte man nach der Überzeugung der damaligen Zeit die Knochen. Und wer das alles zerstört und zerstreut, der zerstört nicht nur das Gedächtnis, das Andenken eines Menschen, sondern auch wirklich seine Zukunft im Jenseits."

    Das Bild vom gewalttätigen Herodes griffen später auch christliche Autoren auf. Vor allem das Matthäus Evangelium überzeichnet die Erzählung über den angeblichen Kindermord von Bethlehem durch den Judenkönig und auch das Lukas-Evangelium liegt mit dem Geburtstermin Jesu falsch, denn die dort erwähnte Volkszählung fand erst Jahre nach dem Tod des Herodes statt.

    "Man muss sich immer vor Augen führen, dass keiner der beiden Autoren da interessiert ist, die Ereignisse so zu schildern, wie sie sich wirklich zugetragen haben, sondern, dass beide Autoren in ihrer Erzählung Theologie machen und die Geschichte so erzählen, dass sie eine bestimmte theologische Botschaft transportiert."

    Gerade der im Evangelium beschriebene Kindermord wurde schon früh immer wieder aufgegriffen, um antijüdische Ressentiments zu schüren. Leider verzichte die Ausstellung auf die christliche Rezeption der Herodes-Geschichte, sagt Martin Vahrenhorst. Dabei hätte man gerade an seinem Beispiel ein Stück gemeinsame frühchristlich-jüdische Vergangenheit beleuchten können. Dennoch biete die Ausstellung im Israel-Museum die einzigartige Gelegenheit, Herodes als herausragenden Architekten jüdischen Lebens verstehen zu lernen.

    "Der babylonische Talmud erinnert sich daran, dass Herodes als Baumeister ganz hervorragend ist. Da gibt es einen Satz, der sagt, wer Herodianische Bauten nicht gesehen hat, speziell den Tempel in Jerusalem, der hat sein Lebtag kein schönes Gebäude gesehen. Also der Mensch wird plötzlich interessant und in seiner ganzen Vielschichtigkeit auch wahrgenommen."