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Ungebremster Klimawandel

Nach aktuellen Zahlen aus dem US-amerikanischen Energieministerium ist der CO2-Austoß weltweit im letzten Jahr so rasant gestiegen wie nie zuvor. Die USA dokumentieren diese Entwicklung sehr genau, weigern sich aber, einem völkerrechtlich bindenden Klimaschutzabkommen beizutreten.

Georg Ehring im Gespräch mit Britta Fecke | 04.11.2011
    Britta Fecke: Zu mir ins Studio ist nun mein Kollege und Klimaschutzexperte Georg Ehring gekommen. Herr Ehring, ein so rasanter Anstieg der CO2-Werte wurde für das letzte Jahr ermittelt wie noch nie zuvor – wer sind die Verursacher?

    Georg Ehring: China und die USA, also das Land, wo diese Statistik auch herkommt. Die beiden Länder sind für mehr als die Hälfte des Anstiegs verantwortlich und ein größerer Teil fällt wohl auch auf Indien. Insgesamt ist der Ausstoß von CO2 und von Treibhausgasen um 512 Millionen Tonnen gestiegen im Jahr 2010. Das entspricht mehr als der Hälfte des totalen Ausstoßes Deutschlands in dieser Zeit und das ist sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor und das ist deutlich mehr als erwartet. Dass der CO2-Ausstoß nach der Finanzkrise wieder ansteigt, ist eigentlich keine Überraschung, die Höhe des Anstiegs aber schon. Überraschend ist für mich auch, dass die US-Emissionen so stark gestiegen sind. Die USA haben eine CO2-Minderung zugesagt, auch wenn sie einem Abkommen nicht beitreten wollten. Die Regierung Obama will dies auf dem Verordnungsweg durchsetzen, nachdem sie mit einem Gesetz im Kongress gescheitert ist, aber das scheint nicht zu funktionieren. Dass China sehr stark steigende Emissionen hat, ist weniger überraschend. Das Land gilt ja immer mehr als Werkbank der Welt, es gibt ein rasantes Wirtschaftswachstum und es gibt gewaltige Infrastruktur-Investitionen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat vor kurzem eine Veröffentlichung herausgebracht, in dem auf den Anteil dieser Investitionen am Anstieg der Emissionen insgesamt verwiesen wird. China erlebt eine sehr starke Verstädterung, auch das trägt zum Wachstum der Emissionen bei. Das Land setzt zwar sehr stark auf Energieeffizienz, auf erneuerbare Energien und bekommt auch Anerkennung dafür weltweit, aber das Wachstum ist so gewaltig, dass die Emissionen trotzdem sehr schnell steigen.

    Fecke: Welche langfristigen Trends lassen sich denn aus diesen Zahlen ableiten?

    Ehring: Ein einzelnes Jahr ist wenig aussagekräftig, aber der Anstieg reiht sich ein in einen Trend zu immer schnellerem Emissionswachstum. Die EU-Kommission hat in diesem Jahr eine Veröffentlichung herausgegeben, und da ist von einem Wiedereinschwenken auf einen längerfristigen Wachstumstrend die Rede von etwa zwei Prozent Emissionswachstum pro Jahr. Wobei die 90er-Jahre eher bei einem Prozent liegen und das vergangene Jahrzehnt eher bei drei Prozent plus pro Jahr. Insgesamt sind die CO2-Emissionen seit Anfang der 90er-Jahre um mehr als 40 Prozent gestiegen, also seit der Zeit, als der Klimaschutz zum Thema wurde und das obwohl das Kyoto-Protokoll ja abgeschlossen wurde, in dem sich die Industrieländer dazu verpflichtet haben, bis Ende 2012 ihre Emissionen um fünf Prozent sinken zu lassen. Aber da sind die USA und die Schwellenländer nicht dabei und deswegen steigt der Anstieg weiter.

    Fecke: Sie werden für den Deutschlandfunk Ende dieses Monats nach Durban reisen. Was bedeuten denn diese Zahlen für den UN-Klimagipfel?

    Ehring: Sie sind erst einmal ein Hinweis darauf, dass die wichtigste Aufgabe im Klimaschutz nach wie vor überhaupt nicht erledigt, ja kaum angepackt worden ist. Der internationale Klimaschutz ist erfolgreich bei der Anpassung, bei Hilfszahlungen an geschädigte Entwicklungsländer. Es gibt auch die Aussicht, das in Durban ein Green Climate Fund, also ein Fonds zur Klimafinanzierung in Entwicklungsländern - angepasster Landwirtschaft, höheren Deichen, Umsiedlung aus Überschwemmungsflächen und so weiter, dass so etwas beschlossen werden könnte. Aber: Das nützt alles nichts, wenn der Klimawandel nicht selbst gebremst wird. Die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls läuft Ende 2012 aus und das Kyoto-Protokoll hat sich einfach als unzureichend erwiesen, um den Klimawandel zu bremsen. Ein Nachfolge-Abkommen unter Einschluss aller großen Emittenten wäre dringend erforderlich, aber das ist derzeit nicht in Sicht.