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Uni-Kooperation Konstanz-Belgrad
Partnerschaft mit historischen Wurzeln

Partnerschaften mit EU-Hochschulen sind für serbische Studierende überaus wichtig und leider immer noch eher selten. Vor diesem Hintergrund werden neue Kooperationen wie die zwischen Konstanz und Belgrad gerne gesehen.

Von Thomas Wagner | 13.07.2015
    Luftaufnahme der Universität in Konstanz
    Luftaufnahme der Universität in Konstanz (picture-alliance/ dpa - Patrick Seeger)
    Vertreter der Universitäten Konstanz und Belgrad posieren zum gemeinsamen Gruppenbild: Wenige Augenblicke zuvor haben sie eine Urkunde unterzeichnet, die eine Partnerschaft zwischen den beiden Hochschulen begründet - eine Partnerschaft mit historischen Wurzeln:
    "Der erste demokratische Ministerpräsident, Dr. Zoran Djindic, ist Absolvent der Universität Konstanz, hat hier Philosophie studiert und promoviert. Da ist eine emotionale Bindung da."
    Und über diese "emotionale Bindung" hätten die beiden Hochschulen auch zusammengefunden, so Professor Ulrich Rüdiger, Rektor der Uni Konstanz - über 15 Jahre nach dem Mord an dem prominenten Konstanzer Absolventen. Djindic war 2003 einem Attentat zum Opfer gefallen war, in einer politisch labilen Situation. Heute ist Serbien zwar offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union. Bis zu einer Mitgliedschaft werden aber, da sind sich die Experten einig, noch Jahre vergehen - und daher sind Partnerschaften mit EU-Hochschulen für die serbischen Studierenden überaus wichtig.
    Auslandsaufenthalt ist die große Ausnahme
    Denn: Was für deutsche Studierende die Regel ist, nämlich die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes, ist für serbische Studierende immer noch die große Ausnahme. Alexsandra Radiosavlevic studiert in Belgrad Politikwissenschaften und ist dieser Tage mit nach Konstanz gekommen.
    "Das ist sehr schwierig. Um an EU-Unis zu kommen, müssen wir sehr gut in unseren Fächern, weil sich natürlich auch viele Studierende aus anderen Ländern bewerben. Wir müssen wirklich Spitzenklasse sein, um nicht nur einen Platz zu erhalten, sondern auch ein Stipendium zu bekommen."
    Zwar ist Serbien als EU-Beitrittskandidat im Erasmusprogramm integriert, dass grundsätzlich Studierendenaustausch über nationale EU-Grenzen hinweg ermöglicht. Allerdings steckt hier der Teufel im Detail: Die Zahl der Studierenden, die ins Ausland dürfen, muss mit der Zahl der Studierenden übereinstimmen, die von Ausland nach Serbien wollen. Und da ist das Interesse aus den EU-Ländern noch ziemlich gebremst, so Jana Misic, die ebenfalls in Belgrad Politikwissenshaften studiert. Sie war eine der wenigen aus Belgrad, die im Rahmen des Erasmus-Programms in die Niederlande durften.
    "Das war nicht einfach, Schließlich haben wir viele gute Studierende, die gerne ins Ausland wollen, beispielsweise in die Niederlande oder nach Deutschland: Aus den beiden Ländern bewerben sich pro Jahr gerade mal um die zehn Studierende, um zu uns nach Belgrad zu kommen. Demgegenüber haben wir so um die 500 Studierende bei uns, die nach Deutschland und in die Niederlande wollen. Diese 500 bewerben sich dann auf gerade mal zehn freie Plätze."
    Zukünftige Politik- und Verwaltungselite
    Vor diesem Hintergrund werden neue Hochschulpartnerschaften wie die zwischen Konstanz und Belgrad gerne gesehen. Denn damit sind zusätzliche Austauschmöglichkeiten verbunden. Diejenigen, die aus Belgrad nach Konstanz kommen, gelten zudem als zukünftige Politik- und Verwaltungselite ihres Landes. Sie sollen fit gemacht werden in allen Fragen der EU-Integration - nicht nur während eines Gastaufenthaltes am Bodensee, sondern bereits jetzt, während der "Belgrade Konstanz SummerSchool", die ebenfalls heute begonnen hat. Und dabei geht es, so Ulrich Rüdiger, Rektor der Uni Konstanz, um die zukünftige Integration Serbiens in die EU::
    "Gerade unsere Sektion 'Politik und Verwaltung' ist sehr aktiv in Themen wie 'Wie lassen sich Konflikte lösen?', 'Wie baut man einen Staat wieder auf, wenn es größere Konflikte im Vorfeld gab? Dann ist unser Fachbereich 'Politik und Verwaltung' gut verortet, was EU-Administration angeht."
    In diesem Zusammenhang zeigt sich der serbische Politikwissenschaftler Professor Vladimir Pavicevic, der die Delegation aus Belgrad anführt, ein klein wenig stolz darüber, dass sich das Hochschulsystem seines Landes schon viel dichter an die Europäische Union angenähert hat als beispielsweise Politik und Wirtschaft.
    "Wir setzen alle Regeln des Bologna-Prozesses eins zu eins um. Und das heißt: Wenn wir über die Ausbildung an den Hochschulen reden, sind wir bereits Teil des europäischen Bildungsraumes."
    Himmelweite Unterschiede zwischen Deutschland und Serbien
    Das mag formal zwar stimmen. Gleichwohl sehen viele serbische Studierende selbst noch himmelweite Unterschiede zwischen dem Ausbildungssystem an den Unis in ihrem Heimatland und denen in Deutschland. Jana Misic:
    "Da klaffen nach wie vor himmelweite Unterschiede zwischen Deutschland und Serbien. In Deutschland beispielsweise kann man sich seine Kurse nach eigenen Interessensgebieten selbst auswählen. Sie haben riesige Auswahlmöglichkeiten. In Serbien haben wir diese Chance nicht. Da ist alles vorgezeichnet und daneben, ich möchte fast schon sagen, ein Stück weit chaotischer. Deshalb glaube ich, dass wir besser ausgebildete, spezialisierte Experten in diesen Bereichen benötigen."
    Experten aus Serbien, die sich bei einem möglichen Studium in Deutschland beispielsweise die notwendigen Kenntnisse aneignen, um die Unis zuhause zu modernisieren. Allerdings: Ob junge Serben, die im Ausland studieren, tatsächlich wieder in ihr Land zurückgehen, ist eine offene Frage. In manchen Regionen Serbiens sind Arbeits- und Karrieremöglichkeiten für den akademischen Nachwuchs nicht eben rosig. Warum also nicht gleich irgendwo im Westen Europas bleiben? Alexandra Radosavljevic kann sich das für sich selber nicht vorstellen:
    "Mein persönlicher Wunsch ist es, in Serbien zu bleiben. Aber viele, die Fächer wie Mathematik, Wirtschaftswissenshaften und Medizin Studieren, gehen ins Ausland und kommen nicht mehr zurück."
    Eine Entwicklung, die sich nach Meinung von Alexandra Radosav lljevic nur verhindert werden kann, wenn sich die Lebensbedingungen in Serbien bessern und sich das Land schneller als bisher der Europäischen Union annähert. Allerdings: Bis zur Vollmitgliedschaft wird sie längst keine Studentin mehr sein. Denn das wird noch zehn bis 15 Jahre dauern.