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UNICEF-Vorsitzender stellt sich hinter Geschäftsführer

Reinhard Schlagintweit, Vorsitzender von UNICEF Deutschland, hält die Verschwendungsvorwürfe gegen Geschäftsführer Dietrich Garlichs für unberechtigt. "Er hat nichts Unrechtes getan", sagte Schlagintweit, der am Wochenende die Nachfolge der vom Vorsitz zurückgetretenen Heide Simonis angetreten hat.

Moderartion: Christiane Kaess | 04.02.2008
    Christiane Kaess: Seit vergangenem November bereits rumort es bei UNICEF Deutschland, dem deutschen Komitee der Kinderhilfsorganisation der Vereinten Nationen. Der Vorwurf der Verschwendung stand im Raum, die "Frankfurter Rundschau" hatte zunächst über Vorwürfe berichtet vor allem gegen Geschäftsführer Dietrich Garlichs, nach denen UNICEF Deutschland Unsummen ausgegeben hätte für zweifelhafte Beraterverträge und Bauarbeiten. Am Wochenende nun musste nicht der Geschäftsführer, sondern die ehrenamtliche Vorsitzende Heide Simonis die Konsequenzen ziehen: Sie trat zurück.

    Jetzt soll es einen Neuanfang bei UNICEF Deutschland geben, der Vorstand hat den früheren Vorsitzenden Reinhard Schlagintweit gewählt, für eine Übergangszeit erneut den Vorsitz zu übernehmen, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Reinhard Schlagintweit: Guten Morgen, Frau Kaess!

    Kaess: Herr Schlagintweit, einen Neuanfang mit dem bisherigen Geschäftsführer Dietrich Garlichs, gegen den sich viele der Vorwürfe richten - geht das überhaupt?

    Schlagintweit: Absolut. Ich habe mit dem Herrn Garlichs zwölf Jahre lang ohne jede Reibung zusammengearbeitet, er hatte mein volles Vertrauen, das er dadurch gewonnen hat, dass er in dieser Zeit die Einnahmen von UNICEF stärker erhöht hat als die aller vergleichbaren Organisationen in Deutschland, nämlich verdreifacht, und in dieser Zeit unter den internationalen Komitees an vorderer Stelle in Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gestanden ist. Und auch die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben worden sind - man kann immer etwas finden. Er hat sicher manche Dinge falsch beurteilt, aber er hat nichts Unrechtes getan, und ihm kann nichts vorgeworfen werden, was irgendwie in Richtung Verschwendung, Unregelmäßigkeit und so weiter spricht.

    Kaess: Aber, Herr Schlagintweit, Heide Simonis war diejenige, die sich für Aufklärung eingesetzt hat. Welches Bild - nach außen - hinterlässt das jetzt, wenn diejenige geht, die sich für Transparenz eingesetzt hat, und derjenige, dem die Verschwendung von Geldern vorgeworfen wird, bleibt im Amt?

    Schlagintweit: Frau Kaess, was heißt eigentlich Transparenz? Sie hat sich für Transparenz eingesetzt, aber diese Transparenz fehlte nie. Jeder Mensch, der Aufklärung verlangt hat, auch sie selbst, auch der Vorstand, hat diese Aufklärung sofort bekommen. Vielleicht hat sie nicht alle Zahlen Tag und Nacht auf dem Nachttisch gehabt, aber an wirklicher Transparenz hat es nie gefehlt. Ich meine, man wird jetzt die Berichterstattung vielleicht noch etwas präziser machen, weil auch die Öffentlichkeit sensibler geworden ist, aber bisher ist das nie von irgendjemandem beanstandet worden, und das deutsche Komitee steht auch unter sehr genauer Kontrolle von UNICEF New York beziehungsweise von der Zweigstelle in Genf, die gehen immer durch die Bücher und die Papiere. Das deutsche Institut für Spendenwesen, das DZI, verleiht das Spendensiegel nur nach Prüfung. Es hat nie eine Beanstandung gegeben. Ich war wirklich ziemlich fassungslos, und ich kann nur vermuten, dass aus anonymen Schreiben eigentlich immer nur Unrat rauskommt.

    Kaess: Herr Schlagintweit, es gibt neue Vorwürfe, die "Frankfurter Rundschau" berichtet heute, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG werfe UNICEF vor, einen Prüfbericht nicht wahrheitsgemäß wiedergegeben zu haben. In dem Papier sei klar von Verstößen die Rede. UNICEF habe dagegen die Darstellung verbreitet, die Wirtschaftsprüfer hätten keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gefunden.

    Schlagintweit: Ich kann Ihnen das gerne erklären, denn ich war dabei, wie die KPMG ihren Prüfbericht in einem zweistündigen Gespräch, mehrere Herren von KPMG und der ganze Vorstand, im Einzelnen erläutert hat. Es ist so, dass sie gesagt hat, keine Verschwendung, keine Begünstigungen, keine Verstöße gegen Recht und Gesetz. Sie hat gesagt, ihr habt die Dinge manchmal etwas lässig behandelt und habt damit gegen Regeln verstoßen, die ihr euch eigentlich selbst gegeben habt. Sie haben ausdrücklich gesagt, die Verstöße sind gegen selbstgesetzte oder, sagen wir mal, im Unternehmen dieser Größe übliche Regeln, zum Beispiel, Verträge immer schriftlich mit zwei Unterschriften abzuschließen, während UNICEF das häufig mit E-Mail oder auch mündlich gemacht hat.

    Kaess: Es gibt ja auch den Vorwurf, der Verwaltungsaufwand bei UNICEF liege deutlich höher, als dies die offiziellen Angaben vermuten lassen, nämlich bei 18 Prozent der Spendeneinnahmen und nicht bei unter 10 Prozent, wie UNICEF das auf einigen Websites angebe. Was stimmt da nicht?

    Schlagintweit: Das sind natürlich Rechenaufgaben. Die Schwierigkeit bei UNICEF und auch der Darstellung der Arbeit ist, dass wir uns für viele Themen interessieren, die nicht mit Projekten in der Dritten Welt zu tun haben. Ich habe selbst mitgewirkt bei einer großen Konferenz und auch einer Untersuchung über die Roma in Deutschland. Das ist eine Gruppe, die völlig vernachlässigt, völlig auch unterdrückt und am Rande der Gesellschaft lebt, und wir fanden es richtig, da mal reinzuschauen. UNICEF New York hat da einen größeren Bericht veröffentlicht, und wir wollten mal wissen, was ist in Deutschland los? Das macht zwar Kosten, ist aber kein Projekt, und dies kann man unter die Verwaltungskosten buchen. Wir haben da eine Konferenz in Berlin gehabt, Bundesminister Schäuble hat teilgenommen, viele Roma haben teilgenommen, wir haben ein Buch rausgebracht mit Hilfe von Spendern, und das Gleiche gilt für Flüchtlingskinder in Deutschland, für Menschenhandel, und Themen wie diese. UNICEF ist nicht dazu da, nur dazu da, Projekte durchzuführen, sondern sich für die Kinderrechte auf der ganzen Welt, auch in Deutschland, einzusetzen.

    Kaess: Herr Schlagintweit, halten Sie es auch für richtig, dass hohe Summen für Beraterverträge ausgegeben werden?

    Schlagintweit: Ja, die Beraterverträge sind keine Beraterverträge, die hat KPMG leider so genannt, es sind Dienstleistungsverträge, und das war eigentlich für mich das Interessanteste an der Präsentation. Die haben uns bestätigt, dass durch diese Verträge Geld gespart worden ist. Das klingt ein bisschen paradox. Sie haben gesagt, wenn ihr nicht diese Verträge mit externen Beratern abgeschlossen hättet, dann hättet ihr eigene Leute anstellen müssen, die auch nicht so gut gewesen wären und die man nicht mehr losgeworden wäre für diese vorübergehenden Dinge.

    Kaess: Und das rechtfertigt auch, Entschuldigung, dass diese Berater so hoch bezahlt werden?

    Schlagintweit: Ja. Die haben es nicht nur voll gerechtfertigt, die KPMG haben uns gesagt, diese Verträge waren unter dem, was im Grunde auch sonst verlangt wird.

    Kaess: Herr Schlagintweit, können Spender an UNICEF durchsetzen, dass ihre Spende zu 100 Prozent für den gedachten Zweck verwendet wird und nicht für irgendwelche externen Beraterverträge oder andere Dinge?

    Schlagintweit: Ganz ohne Verwaltungskosten geht es nicht. Aber wenn UNICEF nachweist, dass die Spenden zu 90 Prozent gehen, ist das ein günstiger Satz auch im Vergleich zu anderen, wenn man genau nachschaut, denn ich meine, es müssen ja Leute da sein, die das in Empfang nehmen, die dafür werben, es müssen Presseerklärungen rausgegeben werden. Ohne Aufwand geht es nicht. Aber es darf nicht zuviel werden, das ist ganz klar, und dies wird gerade bei UNICEF sehr, sehr sorgfältig eingehalten, und das deutsche Komitee ist vorbildlich.

    Kaess: Reinhard Schlagintweit, Vorsitzender von UNICEF Deutschland, vielen Dank für das Gespräch.

    Schlagintweit: Bitte schön.