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Union will Länderbedenken bei Bahn-Privatisierung berücksichtigen

Die Unionsfraktion im Bundestag will bei der geplanten Teilprivatisierung der Bahn noch Änderungen durchsetzen. Die Bedenken einzelner Bundesländer müssten ernst genommen werden, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich (CSU). Es gebe Befürchtungen, dass sich die Bahn aus dem Regionalverkehr zurückziehen könnte.

Moderation: Jürgen Liminski | 24.07.2007
    Jürgen Liminski: Das war Gerhard Irmler aus unserem Hauptstadtstudio und mitgehört hat Hans-Peter Friedrich. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag und dort der Experte für alles rund um die Bahn. Guten Morgen, Herr Friedrich!

    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen, Herr Liminski!

    Liminski: Herr Friedrich, die Bahn soll privatisiert werden. Ist das die Flucht vor den Schulden? Die dürften nach einem Streik der Lokführer noch höher klettern.

    Friedrich: Nein, es ist der konsequente nächste Schritt, nachdem wir die Organisationsprivatisierung ja Anfang der 90er Jahre gemacht haben, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt das damalige Staatsunternehmen. Und jetzt geht es darum, die Bahn und ihre internationalen Aktivitäten der Kontrolle der Finanzmärkte zu unterstellen. Das ist eigentlich das Hauptziel, das man mit dieser Teilprivatisierung erreichen will.

    Liminski: Die Kontrolle der Finanzmärkte, dazu kommen wir gleich. Vielleicht vorher die Frage: Der hessische CDU-Wirtschaftsminister Riehl will wie die FDP Netz und Bahn entkoppeln. Wollen Sie das auch? Wo steht die Union in dieser Frage?

    Friedrich: Also, grundsätzlich war es und ist es Beschlusslage der Union, dass wir eine Trennung von Netz und Betrieb wollen. Das wollten wir übrigens schon ganz am Anfang der Bahnreformen in den 90er Jahren. Damals hat man gesagt, lasst es doch jetzt mal noch zusammen, das kann man später auch noch machen. Ordnungspolitisch ist das der richtige Weg zu sagen, der Betrieb kann im Wettbewerb stattfinden, die Infrastruktur allerdings, die ja nie oder jedenfalls absehbar keine Gewinne abwirft, sollte beim Bund bleiben oder in einem gesonderten Unternehmen konzentriert werden. Das wäre auch wettbewerbs- und ordnungspolitisch richtig gewesen. Leider gibt es dazu keine Mehrheiten momentan in der Koalition, so dass wir uns vergangenes Jahr auf einen Kompromiss geeinigt haben, den Herr Tiefensee jetzt mit diesem Gesetzentwurf umsetzt.

    Liminski: In den Bundesländern geht aber die Angst um, dass der Regionalverkehr verkümmert, wenn die Bahn teilprivatisiert wird. Wie wollen Sie das verhindern? Immerhin muss das Gesetz von Bundestag und Bundesrat gebilligt werden und ohne Garantien für die Länder wird das Gesetz auf den Prellbock des Bundesrates fahren, und Riehl hat ja auch schon damit gedroht.

    Friedrich: Also, ich denke, man muss in der Tat die Besorgnisse der Länder ernst nehmen und muss auch versuchen, im Gesetzentwurf dann im weiteren Verfahren dem auch noch entgegenzukommen. Die große Sorge besteht darin, dass es bestimmte Teilnetze gibt, vielleicht gerade in der Fläche, auf der die DB AG künftig gar nicht mehr fahren wird, weil sie auch die Ausschreibungen gar nicht mehr gewinnt, und dann sagt, also diese Teilnetze, die müssen wir auch nicht mehr in diesem Maße unterhalten und leistungsfähig halten, und dann ein Verkümmern der Teilnetze in der Fläche stattfindet. Das ist ein großes Problem, das man lösen muss, wo man auch notfalls die Möglichkeit haben muss zu sagen, gut, dann wird eben ein regionales Netz, das die DB nicht mehr betreiben will, herausgelöst. Das sieht der Gesetzentwurf momentan nicht vor. Aber wir haben als Union durchaus noch Vorschläge, wie wir uns auch als Bund ein bisschen unabhängiger machen können von einem Monopolisten DB AG, der dann ja allein zumindest für eine bestimmte Zeit über die Infrastruktur verfügen wird.

    Liminski: Das heißt, das Gesetz, das heute vorgestellt wird, wird sehr wahrscheinlich noch verändert werden.

    Friedrich: Das wird mit Sicherheit noch verändert werden. Wir haben auch den Ministern, die heute abstimmen werden, mitgeteilt, dass die Union an ganz bestimmten Stellen noch Vorbehalte hat. Das werden die also sehenden Auges heute beschließen und sich darüber im Klaren sein müssen, dass wir im parlamentarischen Verfahren noch erhebliche Änderungen durchsetzen werden.

    Liminski: Zu den Finanzmärkten, die Sie vorhin angesprochen haben: Wer soll eigentlich in die Finanzierung einsteigen? Da geht es ja doch um höhere Summen. Ist denn denkbar, dass auch Ausländer, etwa die französische Bahn SNCF, einsteigt oder ein russischer Oligarch oder eine amerikanische Heuschrecke?

    Friedrich: Also, wir treffen ja zunächst mal nur die Grundsatzentscheidung Teilprivatisierung. Wie das dann im Einzelnen aussieht, das ist eine Entscheidung, die im Wesentlichen der Bundesfinanzminister zu treffen hat. Aber es gibt in der Tat mehrere Möglichkeiten. Zum einen, dass es strategische Anleger gibt, die also sagen, wir wollen Überkreuzverflechtungen von Eisenbahnen in Europa haben. Wahrscheinlicher ist es aber, dass in der Tat ein großer Kapitalanleger – und da ist alles denkbar, von Dubai über Russland bis China – einsteigt. Unwahrscheinlicher, aber durchaus auch denkbar ist, dass es eine Privatisierung, einen Börsengang gibt, mit einer Volksaktie. Das ist eher unwahrscheinlich, denn es ist sehr kompliziert und für den einzelnen Aktionär wohl nicht zu überblicken, auf was er sich da einlässt.

    Liminski: Die hessische SPD-Vorsitzende Ypsilanti hat gestern genau dieses Modell der Volksaktie vorgeschlagen und sagt, der Vorteil wäre, damit sei es möglich, renditehungrige Großaktionäre auszuschließen und die Deutsche Bahn AG als Bürgerbahn zu erhalten. Könnten Sie diesem Vorschlag etwas abgewinnen?

    Friedrich: Also, es ist sicherlich keine schlechte Idee, aber am Ende des Tages wird man sehen müssen, was wirklich realistisch ist. Ich weiß nicht, ob nach den Erfahrungen mit der Telekom-Aktie tatsächlich ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung herrscht, sich erneut auf eine solche Privatisierung einzulassen.

    Liminski: Muss denn bei der Privatisierung die EU nicht auch ein Wort mitreden?

    Friedrich: Also, ich denke, weniger bei der Privatisierung. Aber dann natürlich bei der Frage, in wie weit darf der Bund denn diesen privatisierten Unternehmen Zuschüsse geben. Wir verpflichten uns ja beispielsweise, der Bahn Jahr für Jahr 2,5 Milliarden allein für den Unterhalt des Netzes zu geben. Das wird sicher die Europäische Union überprüfen. Die Europäische Union wird die Fragen des Wettbewerbs überprüfen, ob es tatsächlich Diskriminierung für einen Wettbewerb gibt. Und hier konnte ja der Bundeswirtschaftsminister in den Verhandlungen der letzten Monate durchsetzen, dass die Bundesnetzagentur sehr weitgehende Zugriffsmöglichkeiten und Regulierungsmöglichkeiten bekommt. Aber am Ende des Tages wird die Europäische Union prüfen, ob hier die Wettbewerbsregeln Europas eingehalten sind.

    Liminski: In Großbritannien hat die Privatisierung der Bahn nicht funktioniert, jedenfalls ist der Service für den Bürger nicht besser, sondern schlechter geworden. Gehört die Bahn und ihr Service nicht eigentlich zur Allgemeinheit, also zum Staat, der es sich auch halt was kosten lassen muss, um die Mobilität der Bürger zu gewährleisten?

    Friedrich: Also, das ist sicher richtig, was die Infrastruktur, was die Erschließung der Fläche angeht. Es kostet eben einfach etwas, wenn man diese Mobilität des gesamten Landes sicherstellen will. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich alle Effizienzmöglichkeiten nutzen und Effizienzmöglichkeiten nutzen, das heißt: Dass wir dort, wo Wettbewerb Preise senken kann, wo man effizienter sein kann, muss man auch Wettbewerb stattfinden lassen. Und insofern ist das der Streit der letzten Jahre gewesen: Wo führt Wettbewerb zu Wirtschaftlichkeit und wo muss Daseinsvorsorge sozusagen in der Hand des Bundes bleiben? Und diese Auseinandersetzung werden wir im Übrigen nicht nur bei der Bahn haben, sondern künftig in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.

    Liminski: Im Moment heißt das Kind Deutsche Bahn. Wie soll sie demnächst heißen, Oligarchenbahn, Bürgerbahn? Oder gibt es dafür noch keine Idee?

    Friedrich: Also, letzten Endes wird das eine Entscheidung des Unternehmens sein, aber der Bund hat natürlich die Mehrheit an dieser DB AG. Also wenn uns was Zündendes einfällt, was das Image dieses großen internationalen Logistikkonzerns noch mehr verbessern würde, sind wir da sicher offen. Aber Deutsche Bahn klingt glaube ich nicht schlecht.

    Liminski: Die Deutsche Bahn soll privatisiert werden. Das war Hans-Peter Friedrich, Bahnexperte der CDU und stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Danke für das Gespräch, Herr Friedrich.

    Friedrich: Gerne, Herr Liminski.