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Unionsfraktionsvize: SPD ist Schutzpatron der Steuerhinterzieher

Die Debatte um die Steuerhinterziehung werde von der SPD auf die Schweiz verengt, sagt Michael Meister, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Dadurch gerieten andere Länder aus dem Fokus, die Deutschland ebenfalls keine Auskünfte erteilen.

Michael Meister im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 14.08.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Sollte Bundesminister Wolfgang Schäuble gedacht haben, mit dem geschlossenen Steuerabkommen mit der Schweiz sei der Streit um das dort deponierte Schwarzgeld beendet, dann hat er sich kräftig getäuscht. Die SPD, die wird nicht müde, zu betonen, man werde diesem Abkommen im Bundesrat die Zustimmung verweigern, und das Land NRW kauft fleißig weiter Datenträger auf, die die Namen und Konten derjenigen enthalten, die ihr Vermögen dem deutschen Fiskus vorenthalten – was zu Protesten seitens des Bundesfinanzministeriums als auch aus der Schweiz führt. Heute treffen sich deshalb Finanzminister Norbert Walter-Borjans und der Schweizer Botschafter Tim Guldiman. Und am Telefon begrüße ich Michael Meister, er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, zuständig für das Thema. Guten Morgen!

    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Meister, das Bundesfinanzministerium stellt sich schützend vor die Steuerhinterzieher – das ist zumindest der Eindruck, der nach außen entsteht.

    Meister: Nein, mein Eindruck ist, dass Herr Gabriel und seine SPD Schutzpatron der Steuerhinterzieher sind.

    Heckmann: Das müssen Sie erklären.

    Meister: Das muss man ganz einfach erklären: Das Phänomen ist ja nicht neu, dass sozusagen Kapitalanlagen in der Schweiz, weil die Auskünfte nicht erteilt worden sind, nur unzureichend besteuert wurden. Das hat auch Herr Steinbrück erkannt, und außer, dass es da markige Worte gab, die Kavallerie vor die Schweizer Grenze zu führen, hat man nichts getan. Also insofern hat zunächst einmal die SPD in ihrer Regierungszeit das Thema nur mit markigen Worten, also nicht mit Inhalten angepackt.

    Heckmann: Na ja, parallel wurden trotzdem auch immer wieder diese Daten-CDs aufgekauft und damit die Steuerflüchtlinge eben zur Verantwortung gezogen. Nebenher noch hat man viele Leute dazu gebracht, sich selbst anzuzeigen.

    Meister: Na gut, also der Datenverkauf war zu Zeiten von Herrn Steinbrück auch nicht der Fall, auch da ist nichts geschehen, sondern man hat systematisch die Steuerhinterzieher seitens der SPD geschützt, und jetzt sorgt man dafür, dass die Diskussion auf die Schweiz verengt wird. Es gibt einige Länder in der Europäischen Union, die mit Blick auf die Schweiz sagen, dass sie uns auch keine Auskünfte erteilen. Es gibt eine ganze Reihe europäischer Länder um die Schweiz herum, die nicht EU-Mitglied sind und mit dem Hinweis auf die Situation Schweiz sagen, dass sie auch nicht bereit sind, uns die Kapitalanlagen ordnungsgemäß zur Besteuerung freizustellen und zu zeigen, welche das sind. Und vor dem Hintergrund geht es hier nicht nur um die Schweiz, und wer eine ordentliche Lösung wie das Abkommen blockiert, sorgt dafür, dass all die Kapitalanleger aus Deutschland in diesen Ländern auch vor Steuerzahlungen geschützt werden. Also insofern schützt Herr Gabriel nicht nur die Steuerhinterzieher in der Schweiz, sondern in weiten Teilen Europas vor dem deutschen Fiskus.

    Heckmann: Aber Herr Meister, jetzt sagt die SPD, Schäuble habe das Steuerabkommen mies ausgehandelt, denn es legalisiere de facto die Steuerhinterziehung.

    Meister: Also das sind zunächst mal zwei Dinge, zunächst mal habe ich weder von Herrn Borjans, noch von Herrn Gabriel oder Herrn Steinbrück jemals einen Vorschlag gehört, wie man zu einer legalen Besteuerung deutscher Bürger in der Schweiz kommen will. Da war Herr Schäuble der erste, der eine Idee hatte und diese Idee mit der Schweiz auch umgesetzt hat. Also es gab da nie Vorschläge, wie man es denn anpacken soll, sondern immer nur Kritik. Und zum Zweiten will ich drauf hinweisen: In Zukunft würden nach diesem Abkommen alle deutschen Kapitalanleger in der Schweiz genauso besteuert, als wenn sie ihr Geld in Deutschland hätten, bezogen auf die Vergangenheit gibt es eine Nachbesteuerung, und wir bekommen Auskünfte über die Kapitalanlagen in der Schweiz, und wir bekommen eine Meldung über die Länder, in die aus der Schweiz Geld von Deutschen verlagert wird, sodass wir auch dort nachfassen können und auch dort unser Besteuerungsrecht durchsetzen können.

    Heckmann: Wenn man dieses Recht denn dann durchsetzen kann. Das ist ja so in der Tat, dass zum 1.1. das Abkommen erst in Kraft tritt, es gibt schon erste Berichte – darauf weisen offenbar die aufgekauften CDs auch hin –, dass aus der Schweiz eben Geld nach Fernost transferiert wird.

    Meister: Ja gut, zunächst einmal gibt es auch entsprechende Dementis, sowohl von Kreditinstituten wie auch der Schweiz.

    Heckmann: Glauben Sie denen?

    Meister: Das ist vollkommen egal, ob man denen glaubt oder nicht, zunächst muss man sagen, dass der Sachverhalt nicht eindeutig, sondern strittig ist, und zum Zweiten, ich habe eben darauf hingewiesen: Wir bekämen über das Abkommen auch Informationen aus der Schweiz – wenn es tatsächlich so wäre –, wohin diese Geldflüsse gehen, und könnten dann als deutscher Fiskus in diesen Ländern unser Besteuerungsrecht durchsetzen. All das wird von der SPD verhindert. Und ich meine, man muss auch mal die finanziellen Auswirkungen sehen: Allein für das Land Nordrhein-Westfalen würden sofort über das Abkommen 1,8 Milliarden Euro in legaler Weise in die Kassen des Fiskus dort fließen. Und deshalb kann ich nicht nachvollziehen, dass man auf einem sehr wackeligen, rechtlichen Weg wie CD-Ankauf da immer wieder nur auf Zufallsfunde hingeht.

    Heckmann: Immerhin ist es ein Weg, der auch einiges an Geld in die Kassen des Finanzministers spült. Die SPD, die scheint die einzige Partei zu sein, die sich um das Problem – derzeit zumindest – kümmert. Ist es nicht unverantwortlich, es nicht zu tun?

    Meister: Also ich glaube, es ist umgekehrt: Die einzige Partei, die sich drum gekümmert hat, sind Union und FDP. Die haben endlich nach Jahren eine systematische Lösung angegangen. Von der SPD hört man nur Kritik und keinerlei Lösungsvorschlag, insofern ist da die Wahrnehmung etwas in der Öffentlichkeit falsch geraten.

    Heckmann: Weshalb ist man in Deutschland eigentlich so zurückhaltend? Die USA haben es ja vorgemacht, die sind wesentlich heftiger zur Sache gegangen, die haben Banker angeklagt wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, und das hat ja einiges in Bewegung gebracht.

    Meister: Ja, also ich glaube, dort, wo wir Belege haben, dass es tatsächlich zu solchem Verhalten kommt, können wir auch mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgehen, nur da braucht man erst mal die Belege und nicht nur Behauptungen.

    Heckmann: Und wieso haben die Amerikaner diese Belege und die Deutschen nicht?

    Meister: Die Amerikaner hatten die Möglichkeit, auch über CDs und ähnliche Informationen, ...

    Heckmann: ... die sie aufgekauft haben, ...

    Meister: ... die sie aufgekauft hatten, an die Informationen zu kommen. Wir hatten das ja in der Vergangenheit auch, einige Informationen, aber ich glaube, das ist ein Weg, den man als Rechtsstaat auf Dauer so nicht gehen kann, zumal ja die Folgewirkungen, die ich vorhin angesprochen habe – blicken Sie mal in einige europäische Länder und die Diskussionen der EU –, immer wieder darauf abhebt: Ja, wir liefern euch auch keine Informationen, bei uns kommt es auch nicht zu einer Besteuerung, so lange ihr das Problem Schweiz nicht ordentlich gelöst habt. Und CD-Kauf ist aus deren Sicht keine ordentliche Lösung.

    Heckmann: Sollte sich die SPD das doch noch anders überlegen – relativ unwahrscheinlich, aber nehmen wir das mal an –, wie sicher sind Sie denn, dass das Abkommen mit der Schweiz dann wirklich in Kraft tritt? Denn in der Schweiz, da werden ja jetzt schon fleißig Unterschriften für eine Volksabstimmung gegen dieses Abkommen gesammelt.

    Meister: Also ich glaube, die Schweiz hat ein großes Interesse, dass das Abkommen in Kraft tritt, denn die Schweiz hat kein Interesse, in einer Diskussion, wie sie momentan läuft, als Staat, der sozusagen Straftatdelikte begünstigt, öffentlich dazustehen. Ich glaube, auch die Geldinstitute in der Schweiz haben dieses Interesse nicht. Ich glaube, man will sich da positiv als Finanzplatz positionieren, und deshalb glaube ich dran, dass von Schweizer Seite eher eine Zustimmung zu dem Abkommen zu erwarten ist.

    Heckmann: Das heißt, wenn der Botschafter Tim Guldiman sagt, die Zustimmung nehme ab in der Schweiz für dieses Abkommen, dann ist das ein bisschen übertrieben?

    Meister: Nein, dann ist es eine Folge der Debatte, dass man einerseits kraftvoll, von Herrn Steinbrück, gefordert hat, die Kavallerie vor die Schweizer Grenze zu führen, und auf der anderen Seite permanent in Deutschland in der Debatte über Herrn Gabriel und Herrn Borjans Stimmung gegen die Schweiz macht.

    Heckmann: Der stellvertretende Chef der Unions-Bundestagsfraktion Michael Meister war das hier im Deutschlandfunk. Herr Meister, danke Ihnen für Ihre Zeit!

    Meister: Bitte schön, Herr Heckmann, schönen Tag!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.