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Unis und Gewerkschaften
Gute Arbeit - miese Bedingungen?

Nirgendwo gibt es so viele prekäre Beschäftigungsverhältnissen wie an Hochschulen, klagt der Deutsche Gewerkschaftsbund. Immer mehr Wissenschaftler realisieren inzwischen, dass man für die eigenen Rechte streiten kann - und sie organisieren sich.

Von Claudia van Laak | 05.02.2015
    Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal.
    Ob die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und Lehrbeauftragte an den Hochschulen besser werden, das hängt auch von ihnen selber ab. (dpa / picture-alliance / Thomas Frey)
    Die Zahlen liegen schon länger auf dem Tisch: Neun von zehn Verträgen für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind befristet. Und: Mehr als die Hälfte der Wissenschaftler werden bei ihrem ersten Vertrag kürzer als ein Jahr beschäftigt. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka nennt dies indiskutabel. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack spricht von Ausbeutung
    "Da sind wir in der Verpflichtung, einfach auch deutlich zu machen, dass diese Ausbeutung am Ende nichts bringt. Nirgendwo haben wir so hohe Anstiege an Burn-out-Erkrankungen wie an den Hochschulen. Sowohl bei Studierenden als auch bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern."
    Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, fehlende Planbarkeit - das hat auch Auswirkungen auf Forschung und Lehre, meint Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle-Wittenberg. Wer Zukunftsängste hat, der kann auch nicht ordentlich unterrichten.
    "Wenn Mitarbeiter so stark in die Lehre eingebunden sind, wie sie es sind, und ständig einem Wechsel unterliegen oder einem Antragswesen, dann muss das Auswirkungen auf die Leistungsprozesse an Hochschulen haben."
    Unsichere Finanzlage
    Verantwortlich sind der Bund, die Länder und die Hochschulen selber. Gerne wird der Schwarze Peter hin- und hergeschoben. So verweisen die Hochschulen gerne auf ihre unsichere Lage in puncto Finanzen - eingeworbene Drittmittel sind befristet, das Land könnte plötzlich den Rotstift ansetzen. Gewerkschafterin Hannack argumentiert dagegen.
    "Muss nicht alles vom Gesetzgeber kommen, da brauchen wir ein bisschen flankierend Rahmenbedingungen, aber die Hochschulen können selber was tun. Und die, die nichts tun, die wollen eben diese Befristungen von teilweise drei, vier, fünf Monaten. Das geht nicht."
    Elke Hannack nennt positive Beispiele: So existiert an der Freien Universität Berlin eine Verwaltungsvorschrift, die Befristungen nicht unter drei Jahren erlaubt. Die Humboldtuniversität Berlin zieht jetzt nach. Auch auf der Bundesebene tut sich etwas: Die Große Koalition hat versprochen, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu novellieren. Allerdings lässt der Entwurf auf sich warten.
    In der Zwischenzeit bewegen sich einige Landesregierungen - Nordrhein-Westfalen hat sein Hochschulgesetz novelliert und wird demnächst einen Codex "Gute Arbeit" in Kraft setzen. Das ist mehr als eine Absichtserklärung, sagte heute NRW-Wissenschaftsministerin Swenja Schulze, SPD:
    "Das hat mit dem Hochschulzukunftsgesetz jetzt Gesetzesrang. Das ist im Grunde genommen Organisationsrecht, was wir da beeinflussen. Und wenn dieser Kodex verabschiedet ist, dann werden wir ihn mit allen Hochschulen unterschreiben. Jede einzelne Hochschule wird das unterschreiben müssen, damit ist es für alle verbindlich und ein Recht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."
    Dauerstellen für Daueraufgaben - wie zum Beispiel im Labor - das ist mittlerweile Konsens. Ob es auch überall umgesetzt wird - daran zweifelt NRW-Wissenschaftsministerin Schulze:
    "Man kann eine Menge machen, man kann aber auch nur eine Menge drüber reden, dass man was macht. Und meine große Sorge ist, wir machen viele Konferenzen, wir reden viel drüber, und wir hoffen, dass das Thema bald wieder weg ist und dass sich die Gewerkschaftsszene wieder beruhigt. Das darf nicht passieren."
    Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitszufriedenheit
    Ob die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und Lehrbeauftragte an den Hochschulen besser werden, das hängt auch von ihnen selber ab, sprich von dem Druck, den sie auf Hochschulleitungen und Politik ausüben. Doch hier ist ein Fragezeichen angebracht - die Hochschulforscherin Anke Burkhardt zum Ergebnis einer ihrer Befragungen:
    "Alles Wiederholungstäter. Die haben erst beklagt, was alles schlecht ist. Und dann haben sie gesagt: Ich würde es trotzdem noch mal machen."
    Die Beschäftigungsverhältnisse sind prekär, aber die Arbeitszufriedenheit ist hoch - so das Ergebnis der Untersuchung.