Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Unprofessioneller Umgang mit dem Erbe von Joseph Beuys

Im seit längerem schwelenden Streit zwischen den Erben des Künstlers Joseph Beuys und der Stiftung Schloss Moyland, die in ihrem Museum das "Joseph Beuys Archiv" beherbergt, fordert die Familie des Künstlers jetzt die Herausgabe zahlreicher Werke und Dokumente. Man wolle mit diesem Schritt eine kompetentere Behandlung des Archiv erreichen, erklärt der Anwalt der Familie Beuys, Gerhard Pfennig, zum Beispiel zusammen mit der Staatlichen Kunstsammlung von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Gerhard Pfennig im Gespräch mit Karin Fischer | 15.01.2009
    Karin Fischer: Die Ersetzung von Schokolade durch Pappmaché in einem Kunstwerk von Joseph Beuys wird man nicht für das Ende der Welt halten können, aber sie widerspricht doch jeglichen Ansprüchen an kunstgemäße Restaurierung. Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Stiftung Schloss Moyland mit dem Beuys'schen Erbe umgeht. Die Kündigung gestern kam für Kenner deshalb nicht überraschend. Die Erben, Witwe Eva und ihre Familie, fordern die Herausgabe zahlreicher Werke und Zehntausender Dokumente zu Leben und Werk des weltberühmten Künstlers. Sie sollen nach Düsseldorf gehen zur Staatlichen Kunstsammlung NRW und in eine noch zu gründende Stiftung. Frage an Gerhard Pfennig, den Anwalt der Familie Beuys: Sie haben diesen Schritt ausführlich begründet, was sind denn die gröbsten Ärgernisse?

    Gerhard Pfennig: Na ja, die Ärgernisse fangen an mit der Einrichtung dieser Stiftung. Joseph Beuys wollte seine Archivalien der Öffentlichkeit zugänglich machen, hat sie deswegen mit den Brüdern von der Grinten zunächst in Kranenburg gesammelt. Dann starb er, und die Dinge wurden sozusagen der Familie entzogen und ohne jede Mitwirkung dieser Familie in eine Stiftung eingebracht, 1990. Und seither werden sie in diesem Schloss da am Niederrhein verwahrt. Die Stiftung ist nach Meinung der Familie, die die Urheberrechte kontrolliert, wissenschaftlich nicht besonders gut aufgestellt. Das Problem der Stiftung ist vor allem, dass sie eine merkwürdige Konstruktion hat, sie ist nämlich drittelparitätisch verwaltet - aus der Familie der Schlossbesitzer, der Grundeigentümer, aus der Familie der Sammler van der Grinten und aus dem Land. Und die müssen immer einstimmig alles beschließen.

    Fischer: Sie haben, Gerhard Pfennig, die wissenschaftlich mangelhafte Behandlung des Werkes erwähnt. Da sind ja nun wirkliche Grobheiten passiert.

    Pfennig: Um nur mal ein Beispiel zu sagen, es liegt etwas länger zurück, es ist sehr markant: Es wurde dem Deutschen Bundestag ein Keramikrelief ausgeliehen aus den Beständen, das wurde von dem damaligen Museumsdirektor Hans von der Grinten als "Gräberfeld" tituliert, in Tannenberg am Niederrhein, wo Joseph Beuys Rampen und Gruften und sonst was alles gestalten sollte, eine Totenburg für Opfer eines Luftangriffes. In Wirklichkeit war das eine Arbeit aus einem Programm für eine Klinik, und das hatte mit Totenhain und Rampen und Gruften nichts zu tun. Das ist natürlich alles dem Werk nicht besonders förderlich. Und die Familie, die über die Verwaltung der Urheberrechte das mitkriegt, hat einen ständigen Kleinkrieg wegen Titeln und Zuschreibungen in all solchen Sachen. Das ist nicht üblich eigentlich in Museen.

    Fischer: Auch ein Foto von Joseph Beuys zu Werbezwecken für eine Unternehmensberatung zur Verfügung zu stellen, wie das im November 2005 geschehen ist, widerspräche ja vermutlich für jeden Laien überhaupt dem Geist von Joseph Beuys.

    Pfennig: Am Flughafen von München kommt ein bekannter Verleger und sagt: Eva, hast du eigentlich Geldnot, hier wird mit Joseph Beuys' Portrait für eine Unternehmensberatung geworben. Das war ein Foto aus dem Joseph-Beuys-Archiv, was Moyland für 60 Euro mit allen Rechten dahingegeben hat. Es wurde dann natürlich abgehängt, weil es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung war. Aber wie kann eine verantwortungsvolle Archivverwaltung mit diesem Künstler Werbung machen? Solche Sachen sind natürlich nicht zur Freude der Familie gewesen. Und irgendwann ist jetzt mal das Fass übergelaufen.

    Fischer: Sie haben vorher schon die Struktur der Stiftung erwähnt, trotzdem noch mal die Frage nach dem Grund für diese Defizite: Personalmangel, Wurschtigkeit oder auch einfach Unvermögen?

    Pfennig: Ein strukturelles Unvermögen wahrscheinlich. Die Leute, die Familie von der Grinten war sicher genial im Sammeln, mit dem Aufbewahren. Die Familie Beuys will natürlich, dass das Werk in NRW, wo Beuys gelebt hat, bestmöglich zur Geltung gebracht wird, auch im Interesse des Künstlers. Und wenn man dann sieht, dass zur Zehn-Jahr-Feier von Moyland also die ganze Presse seitenweise in den Feuilletons sich damit beschäftigt, dass die Gründerfamilie den Ministerpräsidenten ausgeladen hat aus irgendwelchen Gründen, und Hohn und Spott über diese Stiftung ausgegossen wird, das ist ja auch nachteilig für den Künstler.

    Fischer: Ganz kurz zum Schluss, Herr Pfennig: Was ist die rechtliche Grundlage dafür, dass die Familie das Erbe Joseph Beuys' aus dem Museum in Schloss Moyland abziehen kann und welche konkreten Zusagen gibt es aus Düsseldorf?

    Pfennig: Die Familie Beuys hat das Eigentum nie verloren, weil sie die Dinge nie verschenkt oder verkauft hat. Und insofern ist sie der Meinung, dass sie das auch zurückfordern kann bzw. bestimmen kann, was damit geschieht. Wir können nur hoffen, dass die Landesregierung sich darauf einlässt. Sie hat eigentlich nicht die Absicht, ihr Archiv an das Getty-Museum zu verkaufen oder, was ja jetzt modern ist, es nach München zu geben. Sie möchte gerne, dass das kompetenter und eben zusammen mit der Staatlichen Kunstsammlung von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf verwaltet wird auf einer anderen Basis. Wie die Landesregierung dazu sich verhält, das muss man sehen, das ist ja noch ein ganz neuer Vorgang.

    Fischer: Herzlichen Dank an Gerhard Pfennig, den Anwalt der Familie Beuys, zum Eklat um das Erbe des Künstlers Joseph Beuys, das von der Stiftung Schloss Moyland abgezogen werden soll.