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Unrühmliche Tradition

Deutsche Olympiabewerbungen stehen in einer unrühmlichen Tradition: Die Fragen, wie die Milliardenprojekte finanziert werden sollen, werden meist nicht öffentlich diskutiert. Siehe die gescheiterten Kandidaturen für Berchtesgaden 92, Berlin 2000 und Leipzig 2012. Risiken und detaillierte Angaben zu einzelnen Finanzierungsposten werden der Öffentlichkeit gern vorenthalten.

Von Jens Weinreich | 10.10.2010
    Logo der Bewerbungsgesellschaft München 2018.
    Logo der Bewerbungsgesellschaft München 2018. (Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH)
    Es passt ins Bild, dass in dem gut 800 Seiten umfassenden Material zum Bewerbungsbuch München 2018 der Finanzteil als "streng vertraulich” gezeichnet ist. Federführend geschätzt wurden die Daten von der Firma Deloitte, die im Sportbusiness sehr aktiv ist und als so genannter "nationaler Ausstatter” der Münchner Bewerbung fungiert. Deloitte gehört quasi zum Bewerberteam - von Unabhängigkeit und kritischer Prüfung kann kaum die Rede sein.

    Die Einnahmen des Organisationskomitees wurden vom Hamburger Wirtschaftsprofessor Wolfgang Maennig geschätzt. Der Ruder-Olympiasieger hat in der Vergangenheit auch bezahlte so genannte Gutachten für die Olympiabewerber Berlin und Leipzig erstellt. Wenn Maennig nicht für Olympiabewerber tätig ist, geißelt er gern mal den "Auktionscharakter” von Bewerbungen, der dazu führe, dass Interessenten alles versprächen, die Preise in die Höhe trieben, so dass am Ende kaum jemand etwas davon habe.

    Die Ausgaben des Organisationskomitees wurden von Deloitte geschätzt und bearbeitet. Die Firma notiert vorsichtshalber:

    ""Wir übernehmen keine Haftung für die Fehlerfreiheit der Prognosen und Hochrechnungen.”"

    Die Eckzahlen: München veranschlagt einen Organisationsetat (OCOG-Etat) von 1,266 Milliarden Euro. Im Non-OCOG-Etat, dem Infrastrukturbudget, rechnet man mit 1,3 bis 1,8 Milliarden Euro. Dazu ist anzumerken, dass sich die Olympiakosten in den vergangenen Jahrzehnten in der Regel mindestens verdoppelten - mitunter sogar verzehnfachten. Selbst bei den Sommerspielen 2000 in Sydney, die in der Sportwelt sehr gerühmt werden, war die Differenz zwischen den Versprechen des Bewerbungsbuches und der Bilanz exorbitant: 1,32 Milliarden australische Dollar lautete die Prognose - 2,83 Milliarden wurden es.

    Olympiaausrichter wie München, haben dem IOC rund 50 teilweise sehr umfangreiche Garantien zu geben. Dies sind Blankoschecks für das IOC, aber auch für die Veranstalter, die stets den Steuerzahler hinter sich wissen, ohne dass die Öffentlichkeit umfassend informiert worden wäre.

    Einige dieser finanziellen Verpflichtungen werden in einer "Nebenvereinbarung” zwischen dem Bund, dem Freistaat Bayern, München, Garmisch-Partenkirchen und dem Landkreis Berchtesgadener Land beschrieben. So kommen der Bund, der Freistaat und München zu je einem Drittel für etwaige Verluste des Organisationskomitees auf. Ein solcher Verlust aber ist relativ unwahrscheinlich, da die olympische Propaganda auch darin besteht, dass der OCOG-Etat so lange geschönt wird, belastende Kosten in den Non-OCOG-Etat ausgelagert oder anders abgerechnet werden, bis sich ein kleines Plus ergibt.

    Interessant an den Nebenvereinbarungen ist dieser Satz: "Mehrkosten, die nicht vom Bauherren zu vertreten sind”, etwa durch "nachträgliche Forderung des IOC”, werden "zu gleichen Fördersätzen von den Zuwendungsgebern übernommen”. Grundlage der olympischen Logik ist stets: Das IOC kann fordern, was es will - jeder Wunsch wird dem Konzern erfüllt. In einem seiner unbedachten Momente hat sogar Münchens Oberbürgermeister Christian Ude diese Art Vertragsgestaltung als "Zumutung” bezeichnet.

    Das Risiko in diesem Franchise-Unternehmen trägt allein der Steuerzahler. Das IOC nimmt pro Jahr mehr als eine Milliarde Dollar ein, trägt aber nur zu etwas mehr als ein Drittel zum Organisationsetat bei: München veranschlagt 26 Prozent des Etats aus IOC-Fernsehverträgen und elf Prozent aus IOC-Sponsoreinnahmen. Gleichzeitig steht in den Finanzunterlagen, dass ein Antrag auf Steuerbefreiung für die Olympiageschäfte des IOC beim bayerischen Finanzministerium eingereicht wurde - mit anderen Worten: Der Antrag wird erteilt.

    In keinem der beiden Münchner Etat-Schätzungen gibt es belastbare Zahlen zu anderen Kosten, die komplett von der öffentlichen Hand beglichen werden: zur "kostenlosen Verfügbarkeit öffentlicher Dienstleistungen”, wozu unter anderem die "medizinische Versorgung, Zoll, Einreise, Funkfrequenzen” zählen und natürlich der größte Posten, die Sicherheit. Das allein könnte sich nach Erfahrungen vergangener Großereignisse auf mindestens eine halbe Milliarde Euro summieren. Rechnet man den IOC-Anteil an den Gesamtkosten der Spiele hoch, also OCOG- plus NoN-OCOG-Etat und wichtige andere Kostenfaktoren, so werden vielleicht zehn oder fünfzehn Prozent gedeckt.

    Die Olympia-Opposition um den bayerischen Grünen-Landesvorsitzenden Dieter Janecek kritisierte folgerichtig den Blankoscheck für intransparente Sportkonzerne wie das IOC. Die Grünen im Münchner Stadtrat haben dennoch auch dem Eckpunktepapier zugestimmt. Das nennt man wohl: olympische Realpolitik. Die Unterstützung des Bundes ist gewiss. Der Bundestag hat im Sommer 2009 bereits pro Olympia abgestimmt. Die Kanzlerin wird die vom IOC geforderten Garantien und Bürgschaften unterschreiben.