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Unruhige Erde
Die Bebenhäufung rund um den Pazifik ist Zufall

Erst Japan, dann Ecuador - zwei schwere Erdbeben innerhalb weniger Tage in Ländern am pazifischen Feuerring. Schnell kam der Verdacht auf, ob die Beben miteinander zusammenhängen. Hinweise darauf gebe es aber nicht, hieß es am Rande der Jahrestagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union.

Von Dagmar Röhrlich | 20.04.2016
    Ein freiwilliger Helfer steht vor eingestürzten Häusern nach dem Beben vom 16. April 2016 in der Hafenstadt Manta in Ecuardor
    Ein freiwilliger Helfer steht vor eingestürzten Häusern nach dem Beben vom 16. April 2016 in der Hafenstadt Manta in Ecuardor (picture alliance / dpa)
    Am 14. April erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6,2 den Süden Japans. Was alle zu diesem Zeitpunkt für das Hauptbeben hielten, sollte sich zwei Tage später als Vorbeben für das eigentliche Ereignis erweisen: Am 16. April bebte die Erde dort erneut, diesmal mit einer Magnitude von 7,0. Und 32 Stunden nach diesem Doppelschlag von Kumamoto erschütterte ein weiteres Beben in 15.000 Kilometern Entfernung den Nordwesten Ecuadors. Stärke: 7,8:
    "Es gibt keinen Hinweis, dass die irgendwie verbunden sind", meint Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum Postdam GFZ. So verführerisch es wäre, die Ereignisse dies- und jenseits des Pazifiks zu verbinden, so ist das Zusammentreffen doch - Zufall. Hinter ihnen stehen völlig unterschiedliche Mechanismen. Fabrice Cotton:
    "Das Ecuador-Beben entstand in einer tektonischen Kollisionszone: In der bewegt sich die Nasca-Meereskrustenplatte mit etwa sechs Zentimetern pro Jahr nach Osten und taucht unter Südamerika in den Erdmantel hinein ab."
    Dabei verhaken sich die beiden Platten ineinander, die Spannungen wachsen, bis sie sich irgendwann in einem Erdbeben entladen, erklärt Fabrice Cotton, Geophysiker am GFZ:
    "Die beiden Kumamoto-Beben in Japan funktionierten vollkommen anders. Sie ereigneten sich an einer großen tektonischen Störung, die sich von Norden nach Süden durch Japan zieht. Da taucht nichts ins Erdinnere hinein ab, vielmehr werden die Gesteine dies- und jenseits dieser Störung horizontal gegeneinander versetzt. Das ist 1995 auch bei dem Kobe-Beben passiert."
    Manchmal löst ein Beben das nächste aus
    Diese beiden japanischen Beben hängen sehr wohl zusammen: Das erste veränderte das tektonische Spannungsfeld in seiner Umgebung, erhöhte den Stress - und löste damit das nächste Ereignis aus. Torsten Dahm:
    "Der Einflussbereich des eigentlichen Bebens ist begrenzt, und die Spannungsänderungen an den Bruchspitzen fallen relativ schnell ab. Und alles, was dann in größerer Entfernung ist, ist davon nicht mehr betroffen. Die Frage ist, die ist wissenschaftlich spannend und wichtig, ob auch durch Wellen Erdbeben getriggert werden können."
    Das nennt sich dann dynamisches Triggern. Es geht darum, ob die seismischen Wellen, die nach einem Erdbeben um und durch die Erde laufen, am anderen Ende der Welt ein weiteres Beben auslösen können. Diese Hypothese sei umstritten, erläutert Charlotte Krawczyk, Geophysikerin am GFZ:
    "Das ist kein Bruch, der sich fortsetzt und andere Brüche dadurch weiter initiiert, sondern es ist wie eine große Bewegung einer Welle, die den Gesteinsverband nicht auflöst."
    Die Idee: Laufen diese seismischen Wellen weit entfernt von ihrem Ausgangspunkt durch eine Störung, die so stark unter tektonischem Stress steht, dass sie kurz vorm Reißen ist - sollen sie wie ein letzter Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen, erläutert Torsten Dahm:
    "Das hätte natürlich erhebliche Konsequenzen, wenn es das Phänomen wirklich gibt, weil dann eben Fernwirkungen möglich wären, Beben in weiten Entfernungen getriggert werden kann. Aber diese Beobachtung haben wir eigentlich nicht."
    Unter ständiger Beobachtung steht der Vulkan Unzen nahe der japanischen Industriemetropole Nagasaki.
    Unter ständiger Beobachtung steht der Vulkan Unzen nahe der japanischen Industriemetropole Nagasaki. (imago/DeFodi)
    Dafür gibt eine andere Beobachtung, nämlich dass Vulkane auf das dynamische Triggern durch Erdbebenwellen reagieren - falls sie selbst in einem kritischen Zustand sind. Beispiel: 1960 ist zwei Tage nach dem Magnitude-9,5-Beben in Chile der Andenvulkan Cordon Caulle ausgebrochen. Und so sind die Geologen gespannt, wie sich in den kommenden Wochen und Monaten in Japan der Unzen verhalten wird: Denn der liegt ganz in der Nähe der beiden Erdbebenherde von Kumamoto.