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Unsicheres Spielzeug

Schadstoffbelastet, unsicher oder brennbar trotz TÜV-Siegel - die Stiftung Warentest hat vor wenigen Wochen Ergebnisse zur Qualität von Spielzeug veröffentlicht. Die Kunden sind verunsichert und es ist eine Debatte über die Konsequenzen der Ergebnisse entbrannt.

Von Dieter Nürnberger | 05.11.2010
    Egal ob Puppe, Teddy oder die Holzeisenbahn - bei der Veröffentlichung der Spielzeug-Untersuchung der Stiftung Warentest vor zwei Wochen kam kaum ein Produkt gut davon. 80 Prozent war mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet, bei anderen Produkten bestand die Gefahr, dass die Kinder sich leicht an lösbaren Kleinteilen verschlucken könnten. Und insgesamt 7 von 50 untersuchten Produkten, so das damalige Fazit der Warentester, seien nicht verkehrsfähig, soll heißen, sie hätten nicht in die Verkaufsregale gelangen dürfen. Inzwischen hätten zwei Hersteller reagiert, sagt Elke Gehrke, zuständig für Produkttests bei der Berliner Verbraucherinstitution und den Verkauf gestoppt, ein Beispiel.

    "Tedi, der Plüschhase, wurde von der Firma aus dem Verkehr gezogen. Ansonsten beschäftigt sich derzeit insbesondere die Marktaufsicht mit den einzelnen Produkten, die von uns als nicht verkehrsfähig eingestuft worden sind."

    Bei besagtem Plüschhasen war die Schadstoffbelastung zu hoch gewesen - hier geht es vor allem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK. Diese gelten als krebsverursachend. Die Prüfer wiesen PAK in 34 von 50 Produkten nach. In der Branche wird nun allerdings auch vor Panikmache gewarnt. Volker Schmid, Geschäftsführer des Verbandes der Spielwaren-Industrie:

    "Dieser Beitrag hat mich enorm auf die Palme gebracht. Die Aussage, 80 Prozent der Spielzeuge seien gesundheitlich bedenklich, konnte nur auf der Basis getroffen, dass die gesetzlichen, europäischen Grenzwerte nichts Wert seien. In denen steckt aber viel Forschung und auch ein extremer Sicherheitsfaktor."

    Die Debatte über die Konsequenzen aus den alarmierenden Ergebnissen der Spielzeug-Untersuchung ist nun auch zum Streit über die Grenzwerte geworden. Schmid sagt, man habe die Grenzwerte eingehalten, die Stiftung Warentest gibt zu, verschiedene Kriterien angelegt zu haben. Elke Gehrke.

    "Das GS-Zeichen war eines der von uns herangezogenen Anforderungen. Vor allem für die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Wir haben aber auch Empfehlungen und Hinweise vom Bundesinstitut für Risikobewertung herangezogen. Aber auch von freiwilligen Zeichen, die wir hier als Basis zugrunde gelegt haben."

    Das erwähnte GS-Zeichen ist ein Qualitätssiegel für Produktsicherheit. Und die große Überraschung in der Spielzeug-Untersuchung der Stiftung Warentest war, dass selbst Produkte mit diesem oder einem anderen Prüfzeichen eine Gefahr darstellen konnten. Beispielsweise ein Plüschaffe der Firma sigikid, der zu schnell entflammbar war. Das Produkt trug ein TÜV-Zeichen. Beim zuständigen TÜV-Süd wurde inzwischen reagiert und geschaut, ob die Ergebnisse der Warentester richtig sind. Pressesprecher Thomas Oberst über die Vorgaben der Norm EN 71.

    "Darin ist vorgegeben, dass die Ausbreitung der Flammen nicht größer als drei Meter pro Sekunde sein darf. Wir haben im Auftrag des Herstellers eine Nachprüfung an zwei Exemplaren durchgeführt. Bei einem lag die Ausbreitung bei 2,3 Metern pro Sekunde, beim anderen bei 2,5 Meter. Die Anforderung der Norm ist somit hier eingehalten!"

    Die Unstimmigkeiten heizen nun die Debatte an - der Geschäftsführer des Spielwaren-Industrieverbandes fordert eine realistische Betrachtung. Spielzeug sei im Großen und Ganzen sicher. Verbraucher sollten aber zudem beim Einkauf genau hinschauen. Volker Schmid.

    "Man kann nicht erwarten, dass er beim Kauf in einem Ein-Euro-Shop gutes Spielzeug bekommt. Aber im Spielzeug-Fachhandel bekommt er es! Spielzeug ist sicherlich weit weniger belastet als alle Gebrauchsgegenstände, die uns täglich umgeben. Für Spielzeuge gibt es ungefähr 1200 Stoffverbote, für eine Zahnbürste beispielsweise keines."
    Auch die Politik beschäftigt sich inzwischen mit dem Thema. Denkbar sei eine Überprüfung, der in der europäischen Spielzeugrichtlinie festgelegten Grenzwerte für gefährliche Stoffe, hieß es von einzelnen Abgeordneten des Europaparlaments. Die alarmierende Warentest-Untersuchung wird somit weiterhin Gesprächsthema bleiben.