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Unsichtbare Ölwolken

Die amerikanische Ozeanografie-Behörde NOAA hat die Existenz großer Ölwolken im Golf von Mexiko bestätigt, die als Folge der Bohrinsel-Havarie vor sieben Wochen entstanden sind. Zum Teil in kleinste Tröpfchen verteilt sei das Öl in verschieden Lagen unter der Wasseroberfläche zu finden, teilte die NOAA mit.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Ralf Krauter | 09.06.2010
    Ralf Krauter: Weil Öl leichter ist als Wasser, schwimmt es normalerweise oben. Aber im Golf von Mexiko ist nichts mehr normal. Von den Millionen Litern Erdöl, die dort seit der Bohrloch-Havarie am 20. April ins Meer geflossen sind, bleibt offenbar ein beträchtlicher Teil unter Wasser und wabert dort in Form mysteriöser Schleier umher. Beobachtet hat man so was zuvor noch nie, weshalb die Ungewissheit groß ist. In den USA gab es deshalb gestern mehrere Pressekonferenzen zum Thema. Dagmar Röhrlich hat reingehört und sitzt jetzt bei mir im Studio. Frau Röhrlich, vor einer Woche haben viele Experten ja noch an der Existenz dieser Unterwasserölwolken gezweifelt. Hat sich das Blatt denn jetzt endgültig gewendet?

    Dagmar Röhrlich: Ja, die amerikanische Ozeanografie-Behörde Noaa hat ja noch vor ein paar Tagen gesagt: Leute, veröffentlicht nicht soviel dazu, wir haben doch gar keine verlässlichen Daten. Aber gestern haben sie es dann offiziell bestätigt: Es gibt diese Ölwolken und es gibt sie auch in ganz beträchtlichen Ausmaßen. Man hat gemessen an mehreren Punkten zusammen mit der University of South Florida und dabei hat man festgestellt, dass es zum einen dieses schokoladenmus-artige Zeug an der Oberfläche gibt. Das ist so das dicke Öl. Da zwischen diesen Lagen sind aber Bereiche, wo das Wasser aussieht, als wäre da gar kein Öl. Da ist aber auch Öl drin, sogenanntes unsichtbares Öl, eine neue Form von Öl, die sie gestern bekannt gegeben haben, die so klein ist, dass man sie mit dem bloßen Auge nicht sieht, weil auch die Gehalte sehr niedrig sind, da drin. Und dieses unsichtbare Öl hat man auch in den tieferen Bereichen gefunden, in mehreren Etagen. Und ja, das war die Bestätigung dessen, was andere Forscher vorher vermutet haben und das jetzt offiziell ist.

    Krauter: Der Ölgehalt in diesen Schichten ist niedrig, das Wasser bleibt durchsichtig. Um welche Konzentrationen von Öl geht es da überhaupt?

    Röhrlich: Das liegt alles unterhalb von irgendwelchen Grenzwerten, aber die Frage ist, was das jetzt eigentlich da bedeutet, wenn man jetzt 500 ppm oder irgendwelche Trillionenbereich-Teile von irgendwelchen Ölverbindungen im Wasser hat. Das ist alles nicht klar, denn zum einen hat man ja nie Grenzwerte an Tiefseewesen gemessen, zum anderen weiß man nicht, was passiert, wenn die die ganze Zeit darin baden. Und das Nächste ist, dass Eier und Larven ja sehr empfindlich schon auf geringste Konzentrationen wirken, sodass das durchaus Folgen haben kann, die wir einfach vorher noch nie festgestellt haben. Und man hat gemessen, dass Verbindungen, die an der Oberfläche verdampfen und die giftig sind, die also an der Oberfläche relativ schnell weg sind, dass die in der Tiefsee natürlich erhalten bleiben. Wir haben da eine Situation, die man überhaupt nicht einschätzen kann.

    Krauter: Wie sicher kann man denn sein, dass der Ursprung dieser Ölwolken unter Wasser denn tatsächlich BP und diese Plattform Deepwater Horizon ist? Könnte das Öl theoretisch auch von ganz woanders hergekommen sein?

    Röhrlich: Dazu gab es gestern auch Informationen: Das Gebiet, wo diese Ölbohrung ist, muss relativ ungewöhnlich sein. Es gibt also dort ein Tal mit Bergen und da tritt auch natürlicherweise Methan aus und es soll auch irgendwo Öl austreten, ohne dass der Mensch da was mit zu tun hat, sodass man ja den Fingerabdruck dieses Öls genommen hat, also chemisch genau festgestellt hat: Dieses Öl ist das Öl von dieser Bohrung, damit man einfach weiß, was misst man überhaupt. Und man hat in vielen Bereichen, wo das Öl noch nicht so zersetzt war oder nicht so verdünnt war, dass man diesen Fingerabdruck nicht mehr nehmen konnte, durchaus sagen können: Dieses Öl gehört BP, sozusagen. Aber es gibt auch Bereiche, wo das Öl nicht BP gehört. Ende Mai gab es ja in den Nachrichten die Meldung, dass in dem sogenannten Loop Current - das ist eine warme Oberflächenströmung, die sich später mit dem Golfstrom verbindet -, dass da Öl von Deepwater Horizon drin ist. Das hat man jetzt untersucht und der Fingerabdruck verrät: Es gibt das Öl, sowohl an der Oberfläche als auch tief im Wasser, aber es gehört nicht zu BP. Man weiß nicht, wo es herkommt, irgendwo muss noch eine andere Quelle sein. Aber es ist nicht das BP-Öl.

    Krauter: Viele Fragen also offen. Erstmals entdeckt haben die Ölschleier in der Tiefe ja unter anderem Forscher der Uni Georgia. Auch die haben sich gestern an die Presse gewandt. Was kam denn dabei heraus?

    Röhrlich: Die haben mehrere Sachen verkündet. Zum einen haben die festgestellt: Sie haben noch eine andere Ölwolke gefunden, eine sehr große, intensive, und haben festgestellt, dass darin die Bakterien das Öl sehr schnell abbauen. Der Sauerstoffgehalt dort sinkt auch ab, weil die Bakterien halt Sauerstoff verbrauchen bei dieser Tätigkeit. Sie vermuten aber, dass es nicht dazu kommen wird, dass dort eine Todeszone entsteht, weil die Bakterien allen Sauerstoff verbrauchen und andere Lebewesen dort nicht mehr leben können, einfach weil es nicht genug Nährstoffe für diese weitreichende Vermehrung geben würde. Aber sie haben auch festgestellt, dass dieses Öl sehr methanreich ist und dass überall sehr viel Methan im Wasser drin ist. Und man hofft, dass man damit - zum einen weiß man nicht, was dieses Methan jetzt eigentlich heißt für die anderen Lebewesen - aber man hofft, damit eine Messmethode zu bekommen, denn dieses Methan verteilt sich gleichmäßig. Man weiß, bis zu 40 Prozent ist Methan aus diesem speziellen Bohrloch, und vielleicht kann man dann über Wassermessungen endlich rauskriegen, wie viel Öl dort heraussprudelt.