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"Unter keinen Umständen erlaubt"

Am 10. Dezember 1984 nahm die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Anti-Folter-Konvention an. Mit ihr sollte die Folter weltweit geächtet werden. Dennoch wird in vielen Ländern der Erde weiter gefoltert - selbst in demokratischen Rechtsstaaten.

Von Anette Wilmes | 10.12.2009
    Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist Folter weltweit verboten. Um dieses Verbot zu bekräftigen, hat die Generalversammlung der UNO bereits 1975 eine Deklaration gegen die Folter verabschiedet und 1977 die Menschrechtskommission beauftragt, eine entsprechende Konvention auszuarbeiten. So kam das "Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" zustande, wie der offizielle Titel der Anti-Folter-Konvention heißt.

    Danach ist Folter unter allen Umständen verboten. Die Staaten sind verpflichtet, nicht nur eigene Bürger strafrechtlich zu verfolgen, sondern im Zweifelsfall auch Bürger fremder Staaten. Überführte Täter müssen ausgeliefert werden. Wenn einer Person in einem bestimmten Land Folter droht, darf sie dorthin nicht ausgewiesen werden.

    "Man kann sicher feststellen, dass sich die Wahrnehmung, die öffentliche Wahrnehmung von Folter, das Bewusstsein für Folter und von Folter verändert hat."

    Florian Jeßberger ist Professor für Internationales Strafrecht an der Humboldt-Universität Berlin.

    "In der Praxis der Staaten eine Eindämmung von Folter festzustellen, fällt aber schwer."

    Denn immer noch wird überall in der Welt gefoltert, sogar in demokratischen Staaten wie in den USA, so geschehen in den Militärgefängnissen von Abu Ghraib oder Guantanamo. Nach dem 11. September 2001 diskutierten Journalisten, Historiker und Juristen in den Medien darüber, ob nicht in bestimmten Situationen, eben bei der Bekämpfung des Terrorismus, Folter erlaubt sein dürfe. Der damalige Verteidigungsminister Rumsfeld genehmigte "widerstandsbrechende" Befragungstechniken. Das sei eine Kehrtwende der Vereinigten Staaten, die sich lange Zeit für die internationalen Menschenrechte eingesetzt haben, meint Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

    "Die trickreichen Versuche, das Folterverbot aufzuweichen, indem man zum Teil gesagt hat, es gilt nur auf dem eigenen Territorium, nicht auf Schiffen, nicht auf fremdem Territorium, oder es wird definitorisch so eng gefasst, dass viele Maßnahmen, wie etwa dieses brutale Waterboarding, wo Menschen ja schreckliche Ertrinkungsängste haben, dann einfach herausdefiniert wird. Also all diese zynischen Maßnahmen zeigen, dass man sich bei den Fortschritten, die die Menschenrechte erlebt haben in den letzten Jahrzehnten, doch nie ganz sicher sein kann."

    Auch in Deutschland wurde darüber diskutiert, ob in bestimmten Situationen Folter nicht erlaubt sein dürfe, wie etwa im Fall des entführten Kindes Jakob von Metzler. Unter Androhung der Folter hatte der Entführer das Versteck des toten Jungen verraten. Hätte er noch gelebt, wäre er vielleicht gerettet worden. Florian Jeßberger hält solche Diskussionen für gefährlich.

    "Die Rechtslage, jedenfalls wenn wir über die Folterkonvention sprechen, ist eindeutig, danach ist Folter absolut verboten. Ausnahmen, etwa im Krieg oder im öffentlichen Notstand, sind ausdrücklich nicht vorgesehen. Selbst in Situationen, in denen es um die Rettung von Menschenleben geht, ist Folter verboten und unter keinen Umständen erlaubt."

    Die Menschenrechte sind unveräußerlich, so steht es schon in der Menschenrechtserklärung von 1948, die von Eleanor Roosevelt, damals Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission, verlesen wurde:

    In der Tradition der Menschenrechtserklärung von 1948 steht auch die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen. Am 10. Dezember 1984 wurde sie angenommen, am 26. Juni 1987 trat sie in Kraft. Inzwischen wurde sie von 146 Staaten ratifiziert. Ihre Wirkung, sagt Florian Jeßberger, dürfe man nicht unterschätzen.

    "Ich glaube, dass man Bewusstsein schafft dafür, was Folter ist, welche Folgen Folter haben kann, und es geht weniger darum, die Rechtslage zu verändern, sondern es geht mehr darum, vielleicht noch schärfer als bisher das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Folter unter keinen Umständen zulässig sein kann."

    Ein UN-Ausschuss gegen die Folter prüft, ob die Praxis in den einzelnen Vertragsstaaten den Anforderungen der Konvention gerecht wird. Überdies wurde im Dezember 2002 ein Zusatzprotokoll von der UN-Vollversammlung angenommen, das die Einrichtung eines internationalen Gremiums zur Inspektion von Gefängnissen und anderen Internierungsorten vorsieht.