Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


"Unterschied zwischen Brutto und Netto ist zu groß"

Der CDU-Politiker Laurenz Meyer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie, hat steuerliche Entlastungen noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Gerade die Gruppe der normalen Facharbeiter und Angestellten sei zu großen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt.

Moderation: Gerd Breker | 19.05.2008
    Breker: Es kann keine wirkliche Überraschung sein. Die Kluft zwischen arm und reich wird größer. Nicht in irgendeinem Entwicklungsland, sondern hier bei uns in Deutschland. Die Zahl derer, die nach den Maßstäben der Europäischen Union unterhalb der Armutsgrenze leben, wird trotz sinkender Arbeitslosigkeit und trotz Aufschwung größer. Jeder achte Deutsche lebt in Armut. Die Tendenz ist steigend. Und Arbeit schützt nicht mehr zwangsläufig vor Armut. Seit gestern wird darüber geredet.
    Am Telefon verbunden bin ich nun mit Laurenz Meyer. Er ist der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft der CDU. Guten Tag Herr Meyer!

    Meyer: Ich grüße Sie!

    Breker: Die Konjunktur brummt, die Steuereinnahmen sprudeln und wir verzeichnen eine wachsende Armut in einem reichen Land. Da kann irgendwas nicht stimmen?

    Meyer: Ja. Das ist ja gerade der Punkt, über den wir uns die letzten Wochen unterhalten haben, dass wir hier einen Schwerpunkt setzen müssen. Gerade diejenigen, die jetzt Arbeit gefunden haben, auch gerade die, die keine Transferleistungen mehr kriegen, die also nicht Hartz IV, Wohngeld oder Energiekostenzuschüsse bekommen, die sind diejenigen, die in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden müssen. Die Krankenschwester, der Polizist, der normale Arbeitnehmer, der Facharbeiter, der Handwerker, das ist die Gruppe, die unsere Gesellschaft trägt. Denen kann man natürlich mit Steuererleichterungen helfen, auch mit Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Da sind die beiden Schlüsselstellen.

    Breker: Und da sollte jetzt auch gehandelt werden, oder erst später?

    Meyer: Nein. Wir brauchen sicherlich ein Stufenprogramm, ein Mehrjahresprogramm, um die Dinge wieder auf einen Weg zu bringen, dass hier der Spruch, den ich für die Schlüsselstelle halte, "Wer arbeitet muss mehr Geld in der Tasche haben als wenn er selber nicht arbeiten würde", wieder zum Leben erweckt wird. Das muss man wirklich sagen, denn es gibt zu viele, die aufgrund ihrer familiären Situation heute zu den Aufstockern zählen. Was heute von der SPD, zum Teil auch vom DGB gesagt wird, ist ja zu guten Teilen illusorisch. Wir haben nur 47.000 von den 1,2 Millionen Aufstockern, die selbständig sind, also alleinstehend sind und voll arbeiten. Alle anderen sind entweder aufgrund ihrer familiären Situation oder weil sie nur Minijobs haben in der Aufstockersituation.

    Breker: Das heißt Arbeit muss sich lohnen, Leistung muss sich lohnen und das tut es derzeit nicht?

    Meyer: Nein. Es ist so, dass diese Gruppe, die ich eben angesprochen habe, der normale Facharbeiter, der Angestellte, diejenigen sind, die von vielseitigen Belastungen erfasst worden sind. Deshalb müssen wir hier in diesem Bereich in einem Stufenprogramm zu Entlastungen kommen, damit mehr Netto in den Taschen übrig bleibt. Brutto haben die ja alle eine Position, wo man sagen würde, damit müssten sie eigentlich gut mit hinkommen. Aber der Unterschied zwischen Brutto und Netto ist bei uns einfach zu groß geworden. Dort müssen wir auch aufpassen, dass wir nicht mit zusätzlichen Belastungen gerade diese Gruppe in den kommenden Monaten mit neuen Belastungen überziehen.

    Breker: Es gibt die Steuern und es gibt die Sozialabgaben. Herr Meyer, an welche Sozialabgaben denken Sie denn, wo man noch weiter runtergehen könnte?

    Meyer: Wir haben das Programm - das korrespondiert ja mit der Frage, bei den Steuern einen Pro-Kopf-Freibetrag der Familie - also auch für die Kinder - einzuführen und hier aufzustocken -, dass wir nach und nach die Kinder aus der Krankenversicherung rausnehmen wollen. Das ist ein richtiger Weg, den man gehen muss. Das ist auch ein Stufenprogramm in mehreren Schritten. Dann müssten sich eigentlich auch noch zusätzliche Spielräume ergeben bei der derzeitigen Entwicklung im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Ich bin auch ganz sicher, dass sich im Bereich des Bundesarbeitsministers Effizienzsteigerungen möglich machen lassen, denn wir haben ja auch gerade bei den ALG-II-Empfängern eine wesentlich verminderte Anzahl. Das muss sich ja auch in den Finanzströmen bemerkbar machen.

    Breker: Nun sagt der Finanzminister, Herr Meyer, und auch die Bundeskanzlerin aus dem fernen Südamerika, dass die Haushaltssanierung weiterhin Vorrang habe. Schließt sich denn beides nicht aus?

    Meyer: Die Haushaltssanierung wollen wir nicht abbrechen, dass das mal ganz klar ist. Wenn man zusätzliche Schulden macht, das sind die Steuern von übermorgen. Das wollen wir nicht! Auch was die SPD dazu jetzt sagt mit zusätzlichen Steuern, das würgt alles nur die Konjunktur ab und schadet den Arbeitsplätzen. Nein, hier geht es darum, Spielräume die sich auftun für diesen Bereich zu nutzen und nicht für andere Bereiche und hier den Schwerpunkt richtig zu setzen. Da bin ich davon überzeugt, dass wir für einen ersten Schritt auch bald möglichst - auch schon im nächsten Jahr - Spielräume finden, dass wir dann allerdings mit diesem "mehr Netto, mehr Arbeitsplätze", mit diesem Motto auch in kommende Legislaturperioden gehen müssen.

    Breker: Diese Spielräume, Herr Meyer, beziffert der Kollege Huber von der CSU bei etwa 20 bis 30 Milliarden. Sehen Sie die gleiche Dimension?

    Meyer: Ich wäre dafür, das sehr sorgfältig zu überprüfen. Aber natürlich ergeben sich aus dem Wachstum, das uns ja doch alle in der Größenordnung auch überrascht hat, sicher zusätzliche Spielräume. Wie weit hier durch die Auswirkungen der Finanzkrise und damit geringere Gewinne bei den Unternehmen in Deutschland sich wiederum Einschränkungen ergeben, das wird man gegenrechnen müssen. Aber ich sehe auf alle Fälle Spielräume, wenn wir die Schwerpunkte richtig setzen wollen.

    Breker: Und diese Schwerpunkte sehen Sie eindeutig beim Mittelstand?

    Meyer: Ich sehe die Schwerpunkte bei denen, die gerade oberhalb dieser Grenze liegen, wo sie Transfereinkommen kriegen. Es ist doch heute so: In meiner Heimatstadt zum Beispiel würde eine Familie mit zwei Kindern ein Transfereinkommen von ungefähr 1.900 Euro netto haben, wenn sie also von Transfereinkommen lebt. Wenn sie sich mal die gleiche Familie vorstellen und einer arbeitet; bis der auf 1.900 Euro netto kommt, da muss er schon einen verdammt guten Job haben. Gerade hier den Anreiz zu schaffen, dass sich Arbeit lohnt, dass der, der arbeitet, wirklich mehr in der Tasche hat, als wenn er nicht arbeiten würde, dort die Anreize richtig zu setzen, das muss unsere Politik sein.

    Breker: Und die Reichen, die ja schwerere und stärkere Schultern haben, kann man die ungeschoren lassen, oder stehen wir nicht vor einer Gerechtigkeitsdiskussion in unserer Gesellschaft, wo die auch ihren Beitrag leisten müssen?

    Meyer: Wenn ich die Vorschläge dazu nehme: wir haben dort noch zusätzliche Aufschläge gemacht. Wir haben zusätzlich noch immer den Solidaritätszuschlag, der auch sehr umstritten ist. Und wenn ich dann höre, dass dort über Vermögenssteuer geredet wird. Ich will mal den Argumenten, die vorhin schon in Ihrer Sendung kamen, hinzufügen, dass allein das Erheben der Vermögenssteuer vom Verwaltungsaufwand her das Aufkommen schon wieder auffrisst, wie wir alle wissen. Das macht doch alles gar keinen Sinn! Ich finde diese Diskussion so überflüssig wie nur was. Sie soll nur davon ablenken, was jetzt wirklich im Mittelpunkt der Diskussion stehen muss.

    Breker: Und gehandelt werden sollte noch in dieser Legislaturperiode?

    Meyer: Ja. Wir sollten hier eine klare Perspektive aufzeigen. Ein erster Schritt muss schon in dieser Legislaturperiode sein, damit uns auch die Menschen unseren Weg abnehmen, dass wir das wirklich ernst meinen und dass wir hier nicht das auf kommende Wahlperioden verschieben wollen. Deswegen wäre ich für einen ersten Schritt, einen Stufenplan und dann kann man mit solchen Perspektiven in den kommenden Wahlkampf gehen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft in der CDU Laurenz Meyer. Herr Meyer, danke für dieses Gespräch.

    Meyer: Auf Wiederhören!