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"Untersuchungen sind noch erforderlich"

Beate Kallenbach sagt, dass man Standorte miteinander vergleichen müsse, um ein finales Atom-Endlager bestimmen zu können. Gorleben können nicht "problemlos verlängert" werden, da man keine tieferen Erkenntnisse über längere Lagerzeiten habe, sagt die Expertin vom Ökoinstitut in Darmstadt.

Theo Geers im Gespräch mit Beate Kallenbach | 11.11.2011
    Theo Geers: Reden wir weiter über Salz, Ton und Granit, die drei Gesteinsformationen, die hierzulande für ein Endlager infrage kommen. Es klang schon an im Beitrag: Granitformationen in Deutschland stehen für Geologen eher an dritter Stelle, wegen der Klüfte, durch die Wasser in das Gestein eindringt. Aber was sind die Vor- und Nachteile von Ton und Salz? Genau das habe ich vor der Sendung Beate Kallenbach vom Ökoinstitut in Darmstadt gefragt.

    Beate Kallenbach: Die Vorteile von Ton- und Salzformationen: Für beide gilt, dass sie elastisch sind, im Gegensatz zu einer Granitformation, und insofern die Fähigkeit haben die Abfallbehälter dann tatsächlich auch nach längeren Zeiträumen vollständig einzuschließen, sodass dann hier keine Klüfte in der Umgebung der Abfälle vorhanden sind.

    Geers: Und die Nachteile?

    Kallenbach: Die Nachteile sind natürlich insbesondere auch beim Salz, wenn ich einen Wasserzutritt habe, dass Salz natürlich in Wasser löslich ist, sodass man hier tatsächlich durch eine gute Auswahl der geologischen Formation des Salzstockes sicherstellen muss, dass hier tatsächlich auch der Bereich, in dem die Abfälle dann eingelagert werden, auch langfristig vor einem Wasserzutritt geschützt wird.

    Geers: So viel zum Salz. Und welchen Nachteil hätte unter Umständen eine Tonformation?

    Kallenbach: Tonformationen sind vom Ausbau her wohl, was jetzt das Bergmännische betrifft, etwas schwieriger zu handhaben. Man braucht hier auch, um dann die Kammern hinterher zu verschließen, einen zusätzlichen Werkstoff, den man um die Abfälle herum anbringt, weil der Ton sich nicht so schnell wieder verschließt, wie das beim Salz der Fall ist.

    Geers: Nun steht ja hoch radioaktiver Müll in Deutschland schon in den Castoren zum Beispiel in Gorleben im Zwischenlager herum. Weiterer Müll lagert in Zwischenlagern, die an den Standorten der Atommeiler angelegt werden mussten. Wie viel Zeit, Frau Kallenbach, haben wir eigentlich rein technisch gesehen, um diesen hoch radioaktiven Müll erst einmal weiter so zu lagern?

    Kallenbach: Das hat in der Tat mehrere Facetten. Sie sprachen jetzt die technische Seite an. Technisch ist es so, dass die bisherigen Genehmigungen für diese Zwischenlager, in denen abgebrannte Brennelemente vor allen Dingen auch gelagert werden, bisher für 40 Jahre genehmigt sind.

    Geers: Das wäre bis wann?

    Kallenbach: Das wäre etwa, je nachdem an welchem Standort sie jetzt gucken, bis zum Jahr 2035, 2040 in der Größenordnung, bei manchen neueren Zwischenlagern auch ein bisschen darüber hinaus, aber das sind so die Zeiträume, die jetzt vielleicht noch etwas weit weg klingen, aber wenn man sich das Mal ein bisschen auf der Zunge zergehen lässt: Das sind zum Teil nicht mal mehr 30 Jahre und das ist jetzt verglichen mit dem, was noch an Aufwand zu machen ist, bis wir mal ein Endlager hätten, keine mehr /richtig lange Zeit.

    Geers: Das wären jetzt die Zwischenlager an den Standorten der Atomkraftwerke. Wie sieht es aus mit den Castoren in Gorleben? Wie lange können die da so stehen, wie sie da jetzt im Zwischenlager stehen, in dieser schönen, sauberen, aufgeräumten Halle?

    Kallenbach: Das Problem ist einfach, dass wir bisher keine wirklich tieferen Erkenntnisse darüber haben, über diese Lagerzeit von 40 Jahren hinaus: Wie verhalten sich Brennelemente bei Lagerzeiten, die dann tatsächlich mehrere Jahrzehnte, oder vielleicht in den Bereich von 100 Jahren gehen. Das heißt, wir können jetzt nicht so ohne Weiteres sagen, dass wir diese Lagerdauer hier problemlos einfach verlängern könnten, wenn man das genehmigungsrechtlich Mal nur anginge, sondern hier sind tatsächlich auch noch Untersuchungen erforderlich. Und neben dieser technischen Frage steht natürlich dann auch die Frage der Sicherheit insgesamt, die sich ja unter anderem auch daraus ergibt, wie sind denn eigentlich, wie entwickeln sich politische Systeme über mehrere Jahrzehnte, oder sagen wir über Jahrhunderte. Wenn ich jetzt also daran denke, den Müll wirklich für sehr lange Zeiten obertägig stehen zu lassen, muss man sich noch mal vor Augen führen, was ist die letzten paar hundert Jahre hier in Europa passiert, was für Riesenwandel hatten wir da und möchte man in solchen Situationen tatsächlich gerne solche Abfälle obertägig für jeden quasi zugänglich stehen haben. Ich glaube, eher nicht.

    Geers: Nun ist es aber so, Frau Kallenbach, dass die Endlagersuche auch seit Jahren von den Politikern, ich sage mal, etwas verzögert wird, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die Entscheidung schieben die Politiker vor sich her. Es gab 2000 mit dem rot-grünen Atomausstieg auch erst einmal einen Erkundungsstopp für Gorleben, es ist nichts passiert, der erkundete Salzstock liegt dort unten in der Erde. Aber haben wir jetzt zehn Jahre verloren und muss nicht langsam mal eine Entscheidung fallen?

    Kallenbach: Auf jeden Fall! Ich stimme Ihnen völlig zu. Es sollte wirklich bald eine Entscheidung fallen, weil, wie ich ja auch am Beispiel der Zwischenlagerung gezeigt habe, wir haben aus meiner Sicht da einfach nicht wenig Zeit. Die sicherste Lösung ist mit Sicherheit nicht, die Abfälle noch ewig über Tage stehen zu lassen, und aus meiner Sicht sollte man jetzt wirklich möglichst zügig mit einem Verfahren beginnen, wo man wirklich verschiedene Standorte auch miteinander vergleicht, auch verschiedene Wirtsgesteine miteinander vergleicht, um hier tatsächlich einen neuen Impuls in diese Entscheidung hineinzubringen und damit auch einer möglichen Entscheidung ein großes Stück näher zu kommen.

    Geers: Und ich habe Sie richtig verstanden: Die beste Lösung wäre wirklich, diesen radioaktiven Müll dann irgendwo in einem geeigneten Endlager abzulagern und ihn dann auch dort liegen zu lassen, dass man nicht so ohne Weiteres wieder an ihn herankäme?

    Kallenbach: Das ist unsere Sicht, tatsächlich hier die Vorteile einer geologischen Formation zu nutzen, die in der Lage wäre, tatsächlich auch diese langen Zeiträume, über die man diese Abfälle sicher verwahren muss, zu gewährleisten.

    Geers: Wir haben nicht ewig Zeit bei der Endlagersuche. Beate Kallenbach war das vom Ökoinstitut in Darmstadt. Das Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.