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Unterwegs mit Überlänge
Radreisen im Viererpack

Tandem-Radler sind Tilman Schmidt und Pia Hilgert mit ihren Zwillingssöhnen. Seit neun Jahren fahren sie im Urlaub zu viert auf zwei Rädern: Ihr langes Gefährt mit vier Sätteln stellt besondere Anforderungen an die Reiseorganisation - doch die Familie hat pfiffige Lösungen parat.

Von Anke Petermann | 15.01.2015
    Zu viert auf einem Rad: Familie Schmidt/Hilgert auf Fahrradtour
    Zu viert auf einem Rad: Schon als Kleinkinder waren die Zwillingssöhne der Familie Schmidt/Hilgert mit auf Fahrradtour. (T. Schmidt und P. Hilgert)
    Künftig wohl häufiger zu zweit auf zwei Tandems. Anke Petermann hat die Familie Schmidt/Hilgert besucht und zunächst mal einen Blick in die Garage geworfen.
    "Also diese Garage sieht schlimm aus!"
    Ein Dutzend Räder hat die vierköpfige Familie hier verstaut, darunter den gelben Riesen. Der Mehrsitzer lehnt allerdings in geschrumpfter Version an der Wand.
    "Da fehlen noch zwei Teile, die stehen hier: Das ist jeweils ein Tretlager und eine Aufnahme für einen Sattel, sodass man sich vorstellen muss, das ist ein Fahrrad mit einem, zwei, drei, vier Sätteln, und als wir das gekauft haben, habe ich mich gefragt, passt das denn überhaupt in unsere Garage rein, ein Fahrrad, das so lang ist. Aber es passt", und es hält, seit mittlerweile zehn Jahren. Die Zwillinge Enno und Konrad, zwölf Jahre alt, ziehen Zwischenbilanz.
    - "Zehntausend Kilometer sind wir mit dem Fahrrad gefahren."
    - "Von Kopenhagen nach Berlin."
    - "Mit dem TGV nach London sind wir auch schon mit dem Ding gefahren."
    - "Und wir waren auch schon auf mehreren Tandem-Treffen und so."
    Mit einem sperrigen Viersitzer im französischen Schnellzug TGV nach Paris und weiter nach London - kaum vorstellbar. Pia Hilgert hilft nach.
    "Also, das ist halt wirklich auseinanderbaubar."
    Die Hobby-Radlerin zieht eine Spanplatte aus einer Garagenecke hervor.
    "Da wurden die Rahmenteile an dieser Spanplatte befestigt, und es waren vier Teile. Und jeder bekam eine große Tasche, wie so eine Emigranten-Auswanderer-Tasche und musste diese Tasche dann im Zug transportieren. Wir hatten elf Gepäckstücke, und jeder musste seins nehmen. Also, das war unsere bemerkenswerteste Reise mit Sicherheit. Das war die logistisch anspruchsvollste Reise, mit dem TGV nach Paris, und dann mit diesem Eurostar nach England. Ich glaube, das hat mir auch am besten gefallen."
    Die Kinder immer im Blick
    Auch Konrad mag England, den Linksverkehr findet er besonders spannend. Gefährlich für Radreisen mit Kindern? Pia Hilgert schüttelt den Kopf. Schon mit drei Jahren traten die Zwillinge auf dem Mehrsitzer zwischen ihren Eltern in die Pedalen, allerdings nur sporadisch.
    "Wir haben die Kinder auf unserem Fahrrad, die schlenkern nicht irgendwo auf der Straße rum, sondern sie fahren präzise in unserer Spur, präziser geht's nicht, und wir Erwachsenen können damit zuverlässig die Verantwortung übernehmen."
    "Das Radeln schweißt die Familie zusammen", sagen die Schmidt/Hilgerts, es macht Kinder und Eltern stolz auf die gemeinsame Leistung. Ein weiteres Lieblingsziel der Familie:
    "Ich habe es sehr genossen, in der Schweiz Fahrrad zu fahren, weil dort die Radwege ganz toll ausgeschildert sind. Es gibt ein ganz tolles Radwege-Netz, den nationalen Fahrradwege-Plan gibt es, mit Routen von eins bis neun, die quer durch die Schweiz gehen, und wir sind da mal vom Bodensee bis an den Genfer See gefahren, alles schön durchgängig ausgeschildert, immer schön auf guten Straßen, ohne böse Überraschungen. Also die Schweiz macht einem in puncto Radreiseland wirklich was vor."
    Tilman Schmidt ergänzt: "Und dann können Sie über die Seen in der Schweiz rüberfahren. Sie tun ihr Fahrrad aufs Schiff und genießen dann mal eine andere Perspektive, gucken sich die Berge vom Schiff aus an, und können nach einer Pause dann weiter fahren."
    DieTücken des Bahnreisens
    Als Tandem-Captain muss er am meisten strampeln. Und als Organisator der Anreise weiß er bestens über die Tücken des Bahnreisens Bescheid. Umsteigen ist an Kopfbahnhöfen wie Frankfurt am Main mit Tandem durchaus machbar. Aber schon wenn der Zug in geänderter Wagenreihung kommt, wird's hektisch. Zunehmend reist die Familie deshalb mit dem Auto zum Startpunkt. Angelangt am Zielort, fährt einer mit der Bahn zurück und holt das Auto. So erprobt auf einer Tour, die durch besonders ruhige, gut befahrbare Wege in Erinnerung blieb:
    "An der Oder entlang, von Zittau zum Meer, zur Ostsee bei Stettin, entlang der deutsch-polnischen Grenze dann. Das ist eine Fahrradtour, die war wie geschaffen für unser Gefährt. Ganz flach und mit ganz wenig Leuten. Und da konnte man sehr gut fahren. Einer der Nachteile ist, dass man sehr auffällig ist."
    Und permanent über den seltsamen Mehrsitzer ausgefragt wird. Das allerdings ist bald passé, denn mit zunehmendem Alter der Söhne ist bei Familie Schmidt/Hilgert eher Zwei-plus-zwei angesagt, zunächst Vater-Kind plus Mutter-Kind, demnächst dann Eltern-Tandem und Kinder-Tandem. Der gelbe Riese wird jetzt wohl häufiger auf zwei Sättel verkürzt, und ein neuer schwarzer Zweisitzer steht auch schon in der Garage.