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Unwetterwarnungen global

Meteorologie. - Die Welt-Meteorologie-Organisation WMO will in den kommenden zehn Jahren die Vorhersage für extreme Wetterereignisse entscheidend verbessern. Eine Schlüsselrolle in diesem Zehnjahresplan spielt das internationale Atmosphärenforschungs-Programm Thorpex. Unter seinem Dach sollen Vorhersagen der nationalen Wetterdienste zu einem globalen Netzwerk zusammengeschaltet werden.

Von Volker Mrasek | 06.12.2006
    Der Atmosphärenphysiker George Craig ist einer der europäischen Koordinatoren des WMO-Projektes:

    " In Afrika zum Beispiel gibt es große Probleme mit Trockenheit. Es wäre also nützlich, ein System für die langfristige Vorhersage von Dürren zu haben. Anderswo kann man an verbesserte Prognosen für Wolkenbrüche, Fluten und Hitzewellen im Sommer denken oder für Kälteeinbrüche im Winter, auf die sich die Energiewirtschaft einstellen muss. "

    Der Kanadier arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Standort Oberpfaffenhofen in Bayern.

    Drei Jahre ist Thorpex jetzt alt - oder jung, müsste man besser sagen. Und dennoch sieht Craig bereits einen wichtigen Meilenstein erreicht. Will man Unwetter mehrere Tage oder sogar ein, zwei Wochen vorhersagen, dann genügt es nicht, den Himmel vor der eigenen Haustür zu beobachten. Bei einer so langen Vorlaufzeit muss man im Prinzip die gesamte Atmosphäre im Auge behalten. Denn einem sommerlichen Sturzregen oder einem Hurrikan gehen schon Tage vorher atmosphärische Störungen in ganz anderen Ecken auf dem Globus voraus. Unter dem Dach von Thorpex sollen deshalb Vorhersagen der nationalen Wetterdienste zu einem globalen Netzwerk zusammengeschaltet werden. Der erste Schritt ist hier bereits getan:

    " Für mich ist das der größte Fortschritt bisher. Wissenschaftler haben jetzt weitgehend freien Zugang zu den Vorhersagen der Wetterdienste. Das ist nicht selbstverständlich. Vor allem in Europa hüten Wetterdienste ihre Daten, weil sie sie vermarkten. Selbst Wissenschaftler, die den Wetterdiensten mit ihrer Forschung helfen, die eigenen Vorhersagen zu verbessern, haben da Probleme. Dieses Hindernis ist jetzt aus dem Weg geräumt worden. "

    Konkret wird es so sein, dass drei Datenzentren in den nächsten Wochen ihren Betrieb aufnehmen: eines in China, eines in den USA und das dritte in England, am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage. Sie werden regelmäßig Prognosen von zehn nationalen Wetterdiensten erhalten. Es handelt sich um so genannte Ensemble-Rechnungen. Dabei lässt man nicht eine Vorhersage laufen, sondern gleich mehrere Dutzend. Der britische Mathematiker David Burrigde, wissenschaftlicher Direktor von Thorpex:

    " Wenn man eine Vorhersage für eine ganze Woche machen will, kann man schon den falschen Start erwischen. Denn der Anfangszustand der Atmosphäre ist so lange im Voraus nur näherungsweise bekannt. In der Regel rechnen die Wetterdienste deshalb 30 bis 40 Vorhersagen zur selben Zeit, alle mit unterschiedlichen Startbedingungen. "

    Wenn die nationalen Wetterdienste in Kürze ihre konzertierte Aktion starten, dann wird laut Burridge Tag für Tag ein Ensemble von 350 mittelfristigen Vorhersagen zur Verfügung stehen. Den Modellen liegt zwar dieselbe Atmosphärenphysik zugrunde. Doch sie unterschieden sich in ihren Ansätzen und auch in ihren Fehlern. Gerade im Fall von atmosphärischen Störungen, die zu Unwettern führen, sollte es daher von Nutzen sein, möglichst viele Modelläufe heranzuziehen. Das empfiehlt George Craig auch für die Extremwetter-Vorhersage in Deutschland:

    " Sehr unwahrscheinliche Ereignisse wie die Jahrhundertflut an der Elbe werden dadurch überhaupt erst vorhersagbar. Sie muss ja nur in einem der Ensemble-Läufe auftauchen. Und da ist die Chance natürlich viel größer, wenn es über 300 sind und nicht nur 40. Man könnte dann auf jeden Fall die Einsatzkräfte vor Ort vorwarnen: Im Laufe der Woche könnte unter Umständen etwas passieren. "

    Zunächst aber müssen Craig und seine Kollegen ein ganz profanes Problem lösen: Welche Rechner-Kapazitäten aufgebaut werden müssen, um die ganze Fülle an Wetterdaten überhaupt verarbeiten zu können.