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"Upcycling" in der Mode
Abgelegt und neu vernäht

Alte Kleidungsstücke, die sonst im Müll gelandet wären, zu neuen Hemden, Hosen oder Kleidern machen: das ist "Upcycling". Damit soll Mode nachhaltiger werden. Viele Designer in Berlin setzen bereits auf die Aus-Alt-mach-Neu-Methode.

Von Claudia van Laak | 15.01.2014
    Ohrringe und Armbänder aus farbigen Aluminium-Kaffee-Kapseln, elegante graue Etuikleider aus Herren-Anzughosen, bunte Strickröcke aus Socken – der "upcycling fashion store" im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg verkauft Designerstücke, die zuvor eine ganz andere Funktion hatten. Karina Bischof holt ein bunt gestreiftes Damenhemd mit abknöpfbarem Kragen von der Stange. Der Preis: 100 Euro.
    "Das ist eines der nachhaltigsten Hemden, die man derzeit auf dem Markt kaufen kann. Die Knöpfe sind recycelt, es wurde in Deutschland hergestellt, geringe Transportwege und der Stoff, der wäre eigentlich Müll gewesen."
    Denn der Stoff aus gestreifter Baumwollpopeline ist eigentlich eine Farbprobe, die aus einer österreichischen Weberei stammt. Diese Proben wandern in der Regel auf den Müll.
    "Als wir zum ersten Mal in diese Weberei nach Österreich gefahren sind, da hat er uns die Reststoffe aus der letzten Kollektion gezeigt, da habe ich zuletzt nach den Farbproben gefragt, und da hat er uns komisch angeguckt: ‚Was wollen Sie damit machen?‘ ‚Wir wollen daraus Unikate herstellen‘".
    In Berlin hat sich ein Netzwerk aus Designern gebildet, das sich dem "Upcyceln" verschrieben hat. Nicht nur wiederverwerten, sondern aus vorhandenem Material etwas Höherwertiges schaffen. Karina Bischof zeigt ihre Kollektion in diesem Jahr auf der "Ethical Fashion Show". Upcyceln ist der neue Trend, sagt Max Gilgenmann vom Organisationsteam der Messe:
    "Da verbrauchen wir kaum Ressourcen, es gibt noch nicht einmal den Aufwand wie beim Recyceln, dass man einen Stoff schreddern muss, wir arbeiten mit dem, was schon fertig ist, man braucht nur Arbeitskraft."
    Neue Designerstücke aus bereits getragener Kleidung, das ist eine Marktnische in der Marktnische. Zum Beispiel die Hosen und Jacken von Daniel Kroh. An dem 400 Euro teuren Jackett hängt ein Schild: "Ich war vorher eine Malerhose". Der Modedesigner nutzt ausgediente Arbeitsbekleidung. Entdeckt hat er die Stoffe bei einem Praktikum in einem Unternehmen, das diese Bekleidung produziert, reinigt und vermietet.
    "Eines Tages stand ich vor dem Container mit der aussortierten Ware, das sind ja in Wirklichkeit Wertstoffe, und sofort kam die Initialzündung: Das Zeug muss ich retten."
    Das Unternehmen sortiert wöchentlich 100 Tonnen Arbeitsbekleidung aus, die normalerweise in der Müllverbrennung landen, erzählt der Berliner Modedesigner. Einen kleinen Teil davon trennt Daniel Kroh auf, schneidet den Stoff neu zu, näht Hosen und Jacketts daraus. Die Käufer:
    "Es ist ein stilbewusstes Klientel, was aber recht aufgeklärt ist. Die meisten Leute wissen gut Bescheid über katastrophale Produktionsbedingungen in Fernost."
    Ähnlich wie bei Lebensmitteln ist auch das Angebot an Ökotextilien für Verbraucher schwer zu überschauen. Unzählige Siegel tragen mehr zur Verwirrung als zur Orientierung bei. Da gibt es unter anderen den Global Organic Textile Standard GOTS, den bluedesign-Standard, das Ökotex- und das Fairtrade-Siegel. Den Anteil von nachhaltigen Textilien am Gesamtmarkt schätzen Experten auf etwa drei Prozent.