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Uraufführung "Des Teufels General"
Dokument über die Vogel-Strauß-Politik der 50er-Jahre

Schon das Theaterstück "Des Teufels General" von Carl Zuckmayer wurde ein großer Erfolg. Im Kino waren Militärthemen lange tabu, doch Helmut Käutner, war der richtige Regisseur, um die Stimmungslage des deutschen Publikums genau zu treffen. Am 20. Februar 1955, vor 65 Jahren, wurde der Film uraufgeführt.

Von Marli Feldvoß | 23.02.2020
    Filmszene aus "Des Teufels General"
    Filmszene aus "Des Teufels General" von Helmut Käutner (imago / United Archives)
    "Seien wir doch mal ehrlich. Als die 33 drankamen, haben wir doch ganz genau gewusst, dass ein kleiner Weltkrieg angerichtet wird. Aber Luftwaffe ohne mich? Ne, das hätte ich nicht ausgehalten. Ich bin ein Flieger."
    Um kernige Sprüche ist der schneidige Fliegergeneral Harras, Befehlshaber der Luftwaffe, des "Teufels General", nie verlegen. Von Anfang an brüstet sich der altgediente Soldat, dass er mit den Nazis, vor allem der SS, nichts zu tun haben will. Aber auf die Fliegerkarriere wollte er nicht verzichten. Erst als sich Ingenieur Oderbruch, sein bester Freund und Kriegskamerad aus dem Ersten Weltkrieg, als der gesuchte Saboteur zu erkennen gibt, der - ungewollt - den Absturz eines Oberst und nahen Freundes zu verantworten hat, kommt Harras zur Besinnung. Er übernimmt die Verantwortung für den tragischen Unfall und stürzt sich selbst in einer manipulierten Maschine zu Tode.
    "Wer auf Erden des Teufels General war und ihm die Bahn gebombt hat, muss ihm auch Quartier in der Hölle machen."
    Fliegerstar Ernst Udet diente als Vorbild
    Mit denselben Worten verabschiedet sich General Harras auch in Carl Zuckmayers im Exil entstandenen Theaterstück, das im Dezember 1946 in Zürich uraufgeführt wurde und ein Jahr brauchte, bis es auch auf den deutschen Bühnen gespielt wurde.
    Regisseur Helmut Käutner im Jahr 1955
    Regisseur Helmut Käutner im Jahr 1955 (picture alliance / Kurt Rohwedder)
    Anregung für die Harras-Figur war der prominente Fliegerstar Ernst Udet, der ab 1939 zu den Befehlshabern der deutschen Luftwaffe gehörte und sich erschoss, als seine Misswirtschaft bis hin zur Fälschung von Produktionszahlen aufflog. Die Wahrheit wurde damals vertuscht. Der geheime Gegenspieler, Ingenieur Oderbruch, war indes eine Erfindung von Autor Zuckmayer; Oderbruch war Mitglied einer Widerstandsgruppe, deren Ziel es war, die neuen Kampfmaschinen zum Absturz zu bringen. Helmut Käutner:
    "Zuckmayer selbst erzählt, dass er in New York in irgendeiner Zeitung die Nachricht gefunden habe, dass sich also Generalluftzeugmeister Udet in der Verzweiflung das Leben genommen habe. Er kannte Udet persönlich sehr gut. Udet selbst bezeichnete sich damals immer als Luftclown. Von da aus ist die Figur auch angelegt. Und ich habe sie ein bisschen mehr als Zuckmayer auch wieder dahin zurückgeführt."
    In der Tat war Harras, trinkfreudiger Abenteurer und Frauenheld, mit dem "normannischen Kleiderschrank" Curd Jürgens ideal besetzt und polterte sich in die Herzen der Zuschauer. Aber es sollte neun Jahre dauern, bis der Stoff am 23. Februar 1955 ins Kino kam.
    Anpassung des Stoffs an die Stimmungslage
    Käutner und Co-Autor Georg Hurdalek hatten Zeit genug, das Stück den wechselnden politischen Stimmungslagen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft anzupassen. Militärbezogene Themen wurden zunächst abgelehnt, doch ab 1953 - im Rahmen der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik - wurden Kriegsfilme wieder populär.
    "Damals wurde das Theaterstück ein riesenhafter Erfolg trotz der Oderbruch-Figur, über die die meisten deutschen Zuhörer gestolpert sind, weil diese Figur des Widerständlers, die ich übrigens für die wichtigste und wesentlichste Figur des Stoffes halte, mit dem Odium des Kameradenmords behaftet war. Wir haben das ganze Material der damaligen Debatten dazu benutzt, um genau herauszufinden, welche Art des Widerstands für deutsches Publikum verständlich und erträglich ist."
    Verwandlung in einer Widerstandskämpfer
    Den erklärten Feind des deutschen Volkes, der vor einem Kameradenmord nicht zurückschreckte, verwandelte Käutner in einen Widerstandskämpfer, der die Bomber so frisierte, dass sie fluguntauglich waren und nicht an die Front ausgeliefert wurden. Käutner nannte das Passiv-Sabotage. Aber dann erging doch ein Einsatzbefehl von ganz oben und die Maschine stürzte ab.
    "So könnte es sich abgespielt haben", meinte Helmut Käutner und entlastete obendrein noch seinen General, der mit der bösen Politik doch gar nichts zu tun hatte.
    "Harras ist nun nicht mehr der typische Vertreter der prächtigen Luftwaffe, sondern er ist ein Individualist, er ist eigentlich ein Bohemien, der aus Liebe zur Fliegerei eben zum General des Teufels wurde."

    Heute liegen alle Karten auf dem Tisch. Das Jonglieren Käutners zwischen Publikumsakzeptanz und ausgeblendeter Wirklichkeit, den Todesurteilen im Nürnberger Prozess, dem folgenden Auschwitz-Prozess und der noch viel späteren Infragestellung der "sauberen" Wehrmacht.
    Curd Jürgens in "Des Teufels General" (Deutschland 1954; Regie: Helmut Kaeutner; Buch: Georg Hurdalek, Helmut Kaeutner u. Carl Zuckmayer, n.d. gleichn. Theaterstueck von Carl Zuckmayer). 
    Der Schauspieler Curd Jürgens in "Des Teufels General" (picture-alliance / akg-images)
    Der unpopuläre Widerstand wurde weitgehend unter den Teppich gekehrt. Der Film "Des Teufels General" erscheint heute wie ein Dokument über die Vogel-Strauß-Politik der 50er-Jahre, zu der auch Regisseur Helmut Käutner seinen Teil beigetragen hat.