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Urbane Inseln in Nagoya

Viele Städte und Gemeinden haben Pläne entwickelt, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu vermindern. Besonders spannend klingt das Konzept aus Nagoya. Die japanische Industriemetropole will sich komplett umbauen.

Von Volker Mrasek | 15.07.2013
    Fast 2,3 Millionen Menschen leben in Nagoya. Bis 2020 oder 2025 soll Japans drittgrößte Metropole noch weiter wachsen. Danach aber wird damit gerechnet, dass die Einwohnerzahl kontinuierlich sinkt. Stadtplaner sehen darin eine große Chance. Sie wollen Nagoya umstrukturieren und im Zentrum "urbane Funktionszonen" einrichten, wie sie genannt werden.

    Akito Murayama, Professor für Stadtplanung an der staatlichen Universität Nagoya:

    "Die Idee ist, dass mehr Menschen in der Nähe der insgesamt 150 U-Bahn-Stationen in Nagoya leben, in einem Umkreis von bis zu 800 Metern um diese Haltestellen. In diesen Funktionszonen wird alles fußläufig zu erreichen sein."

    Nagoya hat ein Klimaschutzkonzept verabschiedet. Demnach will die japanische Industriestadt ihren Kohlendioxidausstoß bis zur Jahrhundertmitte um 80 Prozent senken, verglichen mit 1990.

    Die Fußgängerzonen rund um die U-Bahn-Stationen gehören zu diesem Konzept. Dort sollen die Einwohner zugleich leben, arbeiten, einkaufen und - vor allem Energie sparen.
    "Man braucht kein Auto, um zur Arbeit zu kommen oder um einzukaufen. Das kann man zu Fuß erledigen oder mit dem Fahrrad. Dadurch sparen wir viel Transportenergie. Aus den Zonen um die U-Bahn-Stationen wollen wir Autos weitgehend heraushalten. Wenn das gelingt, haben wir mehr Raum für Fußgänger. In einigen Stadtteilen wird bereits diskutiert, die Bürgersteige zu verbreitern und die Straßen zu verschmälern. Die junge Generation in Japan zieht es wieder in die Städte. Diesen Trend können wir nutzen und die Lebensqualität in Nagoya durch die Stationszonen erhöhen."

    Jüngere Leute favorisierten heute Appartements in der City. Auch das sei ein Vorteil, sagt Stadtplaner Murayama. In den Zonen um die U-Bahn-Stationen könnten in Zukunft mehr Häuser mit vielen Wohneinheiten gebaut werden:

    "In solchen Häusern verbraucht der Einzelne viel weniger Heizenergie als in Eigenheimen."

    Dass mehr Leute vom Stadtrand ins Zentrum von Nagoya ziehen, wie zu erwarten ist, passt den Planern auch aus einem anderen Grund ins Konzept. Wenn nämlich in den Außenbezirken nicht mehr so viel Wohnraum und andere Infrastruktur benötigt wird, kann die Stadt dort mehr Grünflächen anlegen. Auch das gehört zur Klimaschutz-Strategie von Nagoya: Der Anteil von Parks, Wiesen und Grünstreifen soll bis zur Jahrhundertmitte fast verdoppelt werden, von heute 23 auf dann 40 Prozent der gesamten Stadtfläche.

    Doch wie realistisch ist das alles? Kann man eine große Industriestadt wirklich so stark ummodeln? In Japan vielleicht am ehesten, entgegnet Hiroyuki Shimizu auf diese Frage. Er ist Professor für Architektur an der Universität Nagoya:

    "Das Ganze ist sehr realistisch! Denn in Japan sind Häuser nicht sehr langlebig. Wir haben immer wieder mit Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis zu tun. Deshalb baut hier niemand für die Ewigkeit, sondern lieber alle 20 bis 40 Jahre wieder neu. Also, für uns ist es sicher einfacher, eine Stadt umzugestalten, als in Europa."

    Hinzu kommt, dass viele ältere Gebäude in Nagoya nicht erdbebensicher sind. Sie müssen ohnehin umgebaut oder ersetzt werden, um gesetzliche Standards zu erfüllen. Eine Alternative zum Stadtumbau sieht der Hochschullehrer sowieso nicht:

    Nagoya sei einer der heißesten Plätze in Japan, so Shimizu. Schon deshalb sei der Umstieg in eine CO2-arme Lebensweise sehr vernünftig.