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Ursachenforschung bei der rheumatoiden Arthritis

Dass Mann und Frau unterschiedlich sind, ist eigentlich eine Binsenweisheit. Trotzdem muss unter Medizinern dafür immer noch ein Bewusstsein geschaffen werden. Wenn am morgigen Mittwoch in Bochum der 40. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie mit 2500 Teilnehmern beginnt, geht es auch um geschlechtsspezifische Unterschiede bei der am häufigsten vorkommenden entzündlichen Erkrankung der Gelenke, der rheumatoiden Arthritis.

Von Bettina Mittelstraß | 18.09.2012
    Es fängt beim Verhältnis der Erkrankten an: Auf einen Mann kommen drei Frauen, die rheumatoide Arthritis bekommen. Außerdem erkranken die meisten Frauen im Alter zwischen 54 und 64 Jahren, Männer dagegen im Durchschnitt zehn Jahre später. Aber auch die Krankheit selbst erscheint anders:

    "Frauen mit rheumatoider Arthritis haben eine deutlich schlechtere Funktion ihrer Gelenke. Das heißt bei der Morgentoilette, bei der Mobilität, bei Gehen, beim Tragen von Lasten, sie haben mehr Schäden, schlechtere Funktionen."

    Mehr geschwollene schmerzhafte Gelenke dann auch im Verlauf der Krankheit und schlechtere Entzündungslaborwerte bei Frauen als bei Männern. Diese deutlichen Geschlechterunterschiede werden von Daten gestützt, die in den rheumatologischen Zentren erhoben und im Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin ausgewertet werden.

    "Diese Situation hat aber nicht dazu geführt, dass Frauen jetzt besser oder aggressiver behandelt werden. Nein, im Gegenteil - eine sogenannte Basistherapie, die das Fortschreiten dieser Erkrankung verhindert, erhalten Frauen statistisch signifikant weniger als Männer. Und dem zur Folge haben diese Frauen natürlich auch seltener eine Remission. Remission heißt Stillstand der Krankheit."

    Frauen sind nicht nur öfter, sondern auch stärker von der entzündlichen Erkrankung der Gelenke betroffen. Dieser Befund alarmiert die praktizierenden Rheumatologen und die Forschung.

    "Jetzt muss man erstmal beschreiben, die Unterschiede herausfiltern, also sozusagen eine epidemiologische Untersuchung machen. Und erst danach kann man sich an die Ursachenforschung heranmachen, wo natürlich dann auch die Grundlagenwissenschaftler gefragt sind."

    Was man schon sagen kann ist, dass die Gründe für die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf mehreren Ebenen gesucht werden müssen. Zum einen bei den biologischen Voraussetzungen:

    "Dass Hormone die rheumatoide Arthritis beeinflussen können, wissen wir. Zum Beispiel in der Schwangerschaft, einem Hormongewitter, tritt eine rheumatoide Arthritis frisch eher nicht auf. Und wer schon eine hat und damit schwanger wird, hat große Chancen, dass während der Schwangerschaft die Erkrankung leichter verläuft."

    Nach der Geburt allerdings kommt es häufig erneut zu einem Rheumaschub. Warum das so ist, muss dringend erforscht werden. Eine andere Rolle spielen soziale und psychologische Aspekte. Frauen geben in Fragebögen zum Krankheitsverlauf zum Beispiel höhere Schmerzwerte an.

    "Männer neigen auf jeden Fall dazu zu dissimulieren. Die spielen Schmerzen eher runter, wollen funktionieren, klar kommen. Frauen tolerieren Schmerzen zum Teil besser, geben aber auf der anderen Seite einen höheren Pegel an."

    … sagt Professor Jürgen Braun, Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet, Herne und Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Klinische Studien sollen die geschlechterspezifischen Aspekte jetzt konsequenter berücksichtigen, um die Therapien insgesamt zu verbessern. Möglicherweise verändert das auch die Behandlung mit Medikamenten. Denn schon jetzt weiß man:

    " ... dass Frauen häufiger über Nebenwirkungen bei unserem häufigsten Medikament Methotrexat klagen. Auch das muss man berücksichtigen, da sind die sicherlich anfälliger. Oder etwa Gewichtszunahme unter einer Cortisontherapie. Für Frauen in der Regel deutlich unangenehmer und ein viel größeres kosmetisches Problem als für Männer."

    Beschäftigung mit geschlechtsspezifischen Unterschieden wird in der Therapie nicht nur Frauen helfen, sondern auch Männern. Das ist für beide Geschlechter wichtig.