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Ursprung des Mondes
Neue Analysen sprechen für Impakt-Theorie

Planetologie. - Die Erde hat einen relativ großen Trabanten. Wie sie an ihn kam, wird diskutiert. Die Theorie, dass beide zusammen entstanden, steht gegen die, dass der Mond Produkt eines gewaltigen Zusammenstoßes zwischen der Erde und einem anderen Himmelskörper ist. Ein Astronomenteam aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hat jetzt im Mondgestein selbst neue Belege für diese Impakttheorie gefunden. Sie wurden im amerikanischen Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht.

Von Guido Meyer | 06.06.2014
    Lunare Brekzie, ein aus älteren Gesteinstrümmern zusammengebackenes Gestein vom Mond.
    Lunare Brekzie, ein aus älteren Gesteinstrümmern zusammengebackenes Gestein vom Mond. (Science/ Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Addi Bischoff)
    4,5 Milliarden Jahre vor unserer Zeit erhielt die junge Erde einen Streifschuss aus dem All. Leicht seitlich kollidierte damals Theia mit ihr – ein anderer Protoplanet, etwa von der Größe des Mars.
    "Man muss sich vorstellen, dass diese Körper im All mit 30.000, 40.000 Stundenkilometern herumfliegen. Und wenn solche großen Körper kollidieren, dann entsteht eine riesige Schrottscheibe, die um die frühe Erde herum kreist. Und aus dieser Scheibe hat sich vermutlich der Mond gebildet."
    Daniel Herwartz vom Institut für Geologie und Mineralogie der Universität Köln hat sich diesen historischen Knall im All näher angesehen – auf der Suche nach Belegen für die sogenannte Impakt-Theorie.
    "Wenn man diesen Einschlag modelliert, findet man heraus, dass dann das meiste Material in dieser Schrottscheibe aus diesem Einschlagskörper kommt. Die Erde wäre nur zu rund zehn Prozent aus Theia."
    Demzufolge dürften die Erde und der Mond eigentlich nicht aus den gleichen Bestandteilen aufgebaut sein. Doch was nützen die schönsten Hypothesen und Simulationen, wenn die Realität ihre eigene Sprache spricht. Denn die Untersuchungen von Mondgestein der Apollo-Missionen hatten bislang stets zu einem ganz anderen Ergebnis geführt. Demnach haben Erde und Mond einen chemisch identischen Aufbau. Die Geologen haben sich das Mondgestein der 60er- und 70er-Jahre nun erneut angesehen. Dabei fanden sie erstmals Unterschiede im Vorkommen von Sauerstoff-17, erklärt der Mineraloge Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen im Skype-Interview.
    "Diese Isotopen des Sauerstoffs, die gibt es auf der Erde, die gibt es auf dem Mond. Und das ist das, was wir jetzt erstmals gefunden haben, dass der Mond und die Erde in ihren Isotopenverhältnissen ganz, ganz wenig variieren."
    Der winzige Unterschied im Vorkommen von O-17 auf dem Mond verglichen mit dem auf der Erde erklärt, warum er bislang bei Untersuchungen übersehen wurde.
    "Wenn ich eine Gesteinsprobe nehme und zähle die Anzahl der Isotope Sauerstoff-16 und die Anzahl der Isotope Sauerstoff-17, dann setze ich die in ein Verhältnis. Das ist ungefähr 99 zu 0,04. Auf dem Mond ist das Verhältnis ganz, ganz wenig anders."
    Dort nämlich kommen auf eine Million Sauerstoffatome zwölf Isotope vom Typ O-17 mehr als auf der Erde. Das Material dazu muss der Mond von Theia erhalten haben. Denn der Mond besteht zu einem größeren Teil aus Überresten dieses Kleinplaneten als die Erde. Aus diesem Verhältnis der Sauerstoffisotope können die Geologen nun auch den Anteil genauer rekonstruieren, den Theia am geologischen Aufbau des Mondes hat. Bisherige Schätzungen schwankten von lediglich acht Prozent bis hin zu neunzig Prozent.
    Herwartz: "Ich würde auch von unseren Daten jetzt davon ausgehen, dass wir vielleicht so einen 50-50-Mix haben."
    Ein Beweis für die Impakttheorie sind aber auch die neuen Erkenntnisse nicht. Nach wie vor gibt es zwei konkurrierende Modelle für die Entstehung des Mondes. Einem zufolge hätten sich Erde und Mond aus der gleichen protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub gebildet. Oder aber der Mond könnte durch die Fliehkräfte einer sich ursprünglich viel schneller drehenden Erde regelrecht aus ihr herausgeschleudert worden sein.
    Herwartz: "Diese Theorie ist nicht ganz tot, weil, wir könnten dann theoretisch die Zusammensetzung der Erde ein bisschen verändern, dadurch dass wir nach der Bildung des Mondes Material auf die Erde bringen, was eine sehr sehr ungewöhnliche Sauerstoffzusammensetzung hätte."
    Es wäre also möglich, dass das Sauerstoffisotopen-Verhältnis der Erde durch Ablagerungen kosmischen Staubes im Nachhinein noch so verändert wurde, dass es nicht mehr 100-prozentig zu dem des Mondes passt. Möglich – aber unwahrscheinlich.