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Urteil gegen Monsanto
Neue Debatte um Glyphosat

Ist der Monsanto-Wirkstoff Glyphosat krebserregend? Nachdem ein US-Gericht einem Krebspatienten eine hohe Schadenersatzsumme zugesprochen hat, wird darüber wieder gestritten. Reichen Einschränkungen oder muss der Staat die Bürger durch ein Verbot vor Risiken schützen?

Von Barbara Schmidt-Mattern | 13.08.2018
    Die Angabe "Glyphosat" steht auf der Liste der Zusammensetzung eines Unkrautvernichtungsmittels.
    Monsanto ist im ersten Prozess wegen angeblich verschleierter Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup zu hohem Schadenersatz verurteilt worden (imago stock&people)
    Sein Prozess wurde vorgezogen, weil die Ärzte mit seinem baldigen Tod rechnen: Dewayne Johnson leidet an unheilbarem Lymphdrüsenkrebs. Als Hausmeister arbeitete der 46-Jährige an gleich mehreren Schulen in Kalifornien und setzte im Kampf gegen allzu viel Grünzeug auf dem Schulhof das glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup ein.
    Johnson ist damit einer von tausenden Krebskranken in den USA, die den Glyphosat-Hersteller Monsanto für ihre Krankheit verantwortlich machen - und seine erfolgreiche Schadenersatz-Klage vor einem Geschworenen-Gericht in San Francisco könnte nun zahlreiche weitere Verfahren auslösen - 400 weitere Klagen wurden in den USA bereits zugelassen.
    In Deutschland kein flächendeckender Einsatz
    Das Gerichtsurteil sorgt auch in Deutschland für neue Diskussionen. Alois Gerig, Vorsitzender des Agrarausschusses im Bundestag, sieht hierzulande jedoch keine Gefahren: "Durch gesetzliche Vorgaben wird (Glyphosat) beispielsweise nicht mehr flächendeckend zur Ernteerleichterung eingesetzt, sondern nur noch als Feuerwehr für gewisse hartnäckige Wurzelunkräuter. Wir brauchen und setzen’s weiterhin in Teilen ein, auch im Wein- und Obstbau", sagte der Landwirt und CDU-Politiker heute früh im Deutschlandfunk.
    Allerdings räumt Gerig ein, ganz bedenkenlos sei Glyphosat nun auch nicht. Gerig hält es mit Paracelsus, "der gesagt hat, alles ist Gift, es kommt nur auf die Dosis an. Aber wenn man analysiert, was die Wissenschaft sagt, und es gab ja den Aufschrei, als eine Tochter der WHO, die IARC, gesagt hat: 'Vermutlich krebserregend'. Die haben das genauso bewertet wie manche Teesorten, wie Kartoffelchips, wie rotes Fleisch oder wie gar das ganze Friseurhandwerk. Dann muss man auch da sagen: Bitte den Ball ein bisschen flacher halten!"
    Kritiker: Nur Verbot ist echte Vorsorge
    Das sieht Renate Künast anders: "Anwendungsverbot jetzt heißt die Devise!" Die Grünen-Politikerin fordert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, CDU, auf, schärfere Maßnahmen als bisher gegen den Glyphosat-Einsatz zu ergreifen.
    Schon am Wochenende machte Künast im Deutschlandfunk-Interview klar, dass die geltenden Einschränkungen aus ihrer Sicht nicht reichen: "Botschaft an Frau Klöckner: Das Vorsorgeprinzip, das nämlich heißt: wenn eine begründete Gefahr besteht, zieht man ein Mittel vom Markt - muss für Frau Klöckner eigentlich heißen, dass sie jetzt ein ganz striktes Anwendungsverbot in Deutschland verkündet. Man darf auch hier Bauern und Konsumenten nicht der Krebsgefahr aussetzen."
    Klagen auf europäischer Ebene sinnvoll?
    Die ehemalige Landwirtschaftsministerin Künast richtet den Blick allerdings auch nach Brüssel, denn erst Ende letzten Jahres ist die Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union für weitere fünf Jahre verlängert worden. Klagen auf europäischer Ebene hält die Grünen-Politikerin deshalb für sinnvoll, auch wenn die in den USA gängigen Schadenersatzforderungen wegen unterlassener Warnhinweise in Europa nicht möglich sind: "Aber grundsätzlich halte ich es durchaus für richtig, hier auch zu klagen. Das Thema hört nicht auf, sondern es geht weiter. Und damit werden die Kunden auch immer kritischer werden. Also sag ich mal: Es macht Sinn, hier durchaus auch zu klagen."
    Der Chemiekonzern Bayer, der den Glyphosat-Hersteller Monsanto erst im Juni übernommen hatte, spürt unterdessen die Folgen des kalifornischen Gerichtsurteils. Die Bayer-Aktie brach im Laufe des Morgens um rund zehn Prozent ein, auf den niedrigsten Stand seit über zwei Jahren.