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Urteil gegen Radovan Karadzic
Schuld und späte Sühne

Fast 21 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica im Osten Bosniens wird das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag an diesem Donnerstag das Urteil gegen einen der beiden Hauptangeklagten fällen. Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic gilt als der politisch Verantwortliche für das Massaker vom Juli 1995.

Von Kerstin Schweighöfer | 23.03.2016
    Der Bosnische Serbenführer Radovan Karadzic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal im Gerichtssaal im Den Haag
    Radovan Karadzic gilt als einer der schillerndsten und zugleich brutalsten Protagonisten der Balkankriege in den 90er-Jahren. (AFP / Michael Kooren)
    Fast 13 Jahre waren seit der Anklageerhebung 1995 verstrichen. Doch dann, am 31. Juli 2008, trat ein, womit kaum noch jemand gerechnet hatte: Radovan Karadzic, der ehemalige Führer der bosnischen Serben, konnte den Richtern des Tribunals für das ehemalige Jugoslawien vorgeführt werden:
    "Mr. Karadzic.. would you please (…) Radovan Karadzic…."
    Er gab sich schlagfertig und geistreich. Als sich der niederländische Richter Alphonse Orie aus formalen Gründen erkundigte, ob ein Familienmitglied über seine Anwesenheit in Den Haag benachrichtigt werden müsse, konterte Karadzic trocken: "Ich glaube nicht, dass irgendjemandem unbekannt wäre, wo ich bin." Selbst seine Dolmetscherin musste schmunzeln:
    Neun Tage zuvor, am 21. Juli 2008, war Karadzic in Belgrad verhaftet worden, obwohl er kaum wiederzuerkennen war - mit Brille, weißgrauer Mähne und einem wilden langen Bart. Der damals 63-Jährige hatte eine neue Identität angenommen: Unter dem Namen Doktor Dragan Dabic behandelte Radovan Karadzic Patienten in einer Praxis für alternative Medizin in Belgrad. In der Nacht auf den 30. Juli 2008 wurde er in das UN-Sondergefängnis im Nordseebadeort Scheveningen überstellt.
    Das Tribunal hat keine eigene Polizeimacht, das ist seine Achillesferse
    Der neue Chefankläger des Jugoslawientribunals Serge Brammertz war erst acht Monate im Amt. Alle seine Vorgänger – angefangen bei Richard Goldstone bis hin zu Carla del Ponte - hatten davon nur träumen können. Denn das Tribunal hat keine eigene Polizeimacht, das ist seine Achillesferse. Bei der Auslieferung von Angeklagten ist es auf die Mitarbeit nationaler Regierungen und der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen – und diese Unterstützung ließ lange sehr zu wünschen übrig. Die Überstellung von Karadzic ist darauf zurückzuführen, dass sich Brammertz, wie er es nennt, das "Brüssel-Instrument" zu nutzen machte und dafür sorgte, dass die EU stärker Druck ausübte. Dass der Wunsch nach Aufnahme in die EU in Belgrad immer stärker wurde, könnte Brammertz geholfen haben, denn auch seine Vorgänger hatten sich darum bemüht, politischen Druck aufzubauen. Drei Jahre nach Karadzic landete auch General Ratko Mladic in Den Haag und kurz darauf, im Juli 2011, der frühere kroatische Serbenführer Goran Hadzic – der allerletzte der insgesamt 161 Angeklagten, so Brammertz:
    "Hätte es diesen Druck aus Brüssel nicht gegeben, denke ich persönlich, dass Karadzic und Mladic immer noch nicht festgenommen worden wären."
    Karadzic ist der ranghöchste und wichtigste der 161 Angeklagten, sieht man von Slobodan Milosevic ab. Doch der ehemalige Präsident Serbiens starb am 11. März 2006 während seines Prozesses in Den Haag an Herzversagen. Umso größer ist nun das Bedürfnis der Überlebenden und Angehörigen der Opfer, endlich mitzuerleben, wie einer der wichtigsten mutmaßlichen Drahtzieher für die Gräueltaten auf dem Balkan zur Rechenschaft gezogen wird. Hunderte werden zur Urteilsverkündung in Den Haag erwartet.
    "Es geht um einen Meilenstein in der Geschichte des internationalen Rechts", sagt Aaron Matta vom "Institute for Global Justice" in Den Haag, einem unabhängigen juristischen Forschungsinstitut:
    "Es geht um den größten und wichtigsten Prozess in Europa seit den Prozessen von Nürnberg. Und um das schwerste Kriegsverbrechen, das seit dem Zweiten Weltkrieg auf europäischem Boden verübt wurde: den Völkermord von Srebrenica."


    Die bosnischen Serben hatten die Moslemenklave Srebrenica unter dem Kommando von Karadzics General Mladic im Juli 1995 überrannt. In den Tagen und Wochen danach ermordeten sie mehr als 7.000 muslimische Männer und Jungen und verscharrten sie in Massengräbern.
    Laut Anklage soll Karadzic zusammen mit Mladic und anderen ranghohen Politikern und Militärs nicht nur diesen Völkermord vorbereitet und angeordnet haben. Er wird auch eines anderen Völkermordes beschuldigt, der schon im ersten Kriegsjahr 1992 in verschiedenen westbosnischen Gemeinden stattgefunden haben soll.
    Die nichtserbische Bevölkerung wurde vertrieben und ermordet. Auch das sollte dem großserbischen Ziel dienen, im Vielvölkerstaat Bosnien ethnisch reine, serbische Gebiete zu schaffen.
    Eine Frau trauer am Grab eines Verwandten in der Nähe von Srebrenica. 
    Gedenken an die Toten von Srebrenica. (DIMITAR DILKOFF / AFP)
    Die Rechtsberater von Karadzic sorgten für eine Flut an Anträgen
    Die beiden schwersten Anklagepunkte beziehen sich auf diesen doppelten Völkermord. Außerdem ist Karadzic der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Verstöße gegen das Kriegsrecht angeklagt, u.a. wegen der 44 Monate andauernden Belagerung der Stadt Sarajewo. Rund 10.000 Zivilisten verloren in dieser Zeit ihr Leben, darunter viele Kinder.
    "Sarajewo…"
    Insgesamt geht es um elf Anklagepunkte.
    Karadzic hat sich auf sein Recht berufen, seine Verteidigung selbst zu übernehmen – so wie vor ihm Slobodan Milosevic und der Chef der serbischen Ultranationalisten Vojslav Sesjl. Dabei lässt sich Karadzic von einem Heer an Rechtsberatern helfen.
    Sie sorgten zunächst für eine Flut an Anträgen. Die meisten wurden abgelehnt, auch der bekannteste, der den so genannten "Holbrooke-Deal" betrifft: Ein angebliches Abkommen mit dem inzwischen verstorbenen, früheren UN-Gesandten Richard Holbrooke. Er hat Karadzic 1996 nach den Friedensverhandlungen angeblich Straffreiheit zugesichert. Aber, so erklärt Aaron Matta vom "Institute for Global Justice":
    "Selbst wenn Holbrooke eine solche Zusage gemacht haben sollte - juristisch wäre sie völlig irrelevant. Das Tribunal ist ein unabhängiges juristisches Organ, kein Staat kann ihm etwas vorschreiben. Wer sich eines Kriegsverbrechens schuldig macht, kann nicht darauf hoffen, mit solchen Zusagen der Strafverfolgung zu entgehen. Das hat das Tribunal mit dem Zurückweisen dieses Antrages ganz klar und deutlich gemacht."
    Nicht zuletzt aufgrund dieser Antragsflut hat sich das Verfahren über acht Jahre hingezogen. Der eigentliche Prozess begann im Herbst 2009 und endete fünf Jahre später im Oktober 2014 mit den Schlussplädoyers. Morgen soll das Urteil verkündet werden.
    Die Anklage präsentierte mehr als 10.000 Beweisstücke und rief 337 Zeugen auf – darunter Überlebende des Massakers von Srebrenica und der Belagerung von Sarajewo, Krankenschwestern, Soldaten und Polizeichefs, Historiker, Politiker, Blauhelme und Mitarbeiter der Vereinten Nationen.
    Eine Reihe von Zeugen sagte anonym aus, so wie KDZ 69, der als 17-jähriger Schuljunge den Völkermord von Srebrenica 1995 überlebt hatte. Der leitende Ankläger Alan Tieger fasste seine Aussage in seinem Schlussplädoyer zusammen:
    "KDZ69 wurde auf einer Wiese mit bis zu 2.000 anderen Gefangenen zusammengetrieben und dann in einem LKW zu einer Schule gebracht, wo die Gefangenen geschlagen und misshandelt wurden. Tagelang bekamen sie nichts zu essen und zu trinken. Durchtränkt von ihrem eigenen Urin mussten sie mitanhören, wie andere draußen erschossen wurden. Dann wurden auch sie nach draußen abgeführt. Viele waren so durstig, dass sie riefen: 'Gebt uns erst Wasser, bevor ihr uns erschießt!'. Dann mussten sie sich hinlegen und wurden erschossen. KDZ69 überlebte wie durch ein Wunder, während die Mitgefangenen neben ihm starben, er hörte einen der Männer stöhnen, als dessen Kopf von einer Kugel getroffen wurde. Er wartete, bis die Soldaten weg waren, dann gelang ihm zusammen mit einem weiteren Überlebenden die Flucht."
    Für die Anklage ist lebenslange Haft die einzig angemessene Strafe
    Zu den 10.000 Beweisstücken der Anklage zählen Tagebuchaufzeichnungen von Mladic, in denen er von den mehr als 30 Treffen mit Karadzic berichtet, Protokolle von Gesprächen, die der Angeklagte mit Untergebenen führte, mit Polizeichefs oder Offizieren, Mitschnitte von Auftritten und Reden. Mehr als 20 Jahre später ertönten sie erneut, nun im Haager Gerichtssaal. Zum Beispiel die Prophezeiung von Karadzic, dass, Zitat. "Sarajewo ein schwarzer Kessel sein wird, in dem Muslime sterben". Oder, Zitat, dass "Serben und Muslime wie Öl und Wasser sind. Wie Hund und Katze, wie zwei Pflanzen, die nicht nebeneinander wachsen können.
    Für die Anklage ist lebenslange Haft die einzig angemessene Strafe. Das Beweismaterial und die Zeugenaussagen haben, so Ankläger Tieger, jeden Zweifel an der Schuld des Angeklagten ausgeräumt. Die Strategie der sogenannten ethnischen Säuberungen sei aufgedeckt und Karadzic als treibende Kraft dahinter entlarvt worden.
    Der Angeklagte hat sämtliche Anklagepunkte als haltlos zurückgewiesen. Er habe alles versucht, verteidigte sich Karadzic, um den Krieg zu verhindern, und sich immer für den Frieden eingesetzt. Dafür müsse er eigentlich ausgezeichnet werden – und nicht angeklagt. Jeder, der ihn kenne, wisse, er sei ein friedliebender Mensch - mild und tolerant und alles andere als aggressiv.
    Die Belagerung von Sarajewo, so Karadzic, sei von den Muslimen selbst inszeniert worden, um internationale Entrüstung zu wecken. Mit Schaufensterpuppen und mit Leichen, die sie zu diesem Zweck ganz schamlos aus den Leichenschauhäuser geholt hätten.

    Für die Verbrechen seiner Armee könnte Karadzic, und das weiß er, als ihr Oberbefehlshaber zwar verantwortlich gemacht werden. Aber er behauptet, dass viele der ihm vorgeworfenen Verbrechen nicht von seinen Soldaten begangen worden seien, sondern von Freischärlern. Und von den anderen Verbrechen habe er nichts gewusst – "auch nicht vom Völkermord in Srebrenica", sagt sein Rechtsberater Peter Robinson:
    "Er hatte keine Ahnung, dass Gefangene dort hingerichtet werden sollten oder hingerichtet wurden."
    Und Robinson sagt, dass 1992 in den bosnischen Dörfern gar kein Völkermord stattgefunden habe:
    "Damals hatten die bosnischen Serben die Möglichkeit, Tausende von Muslimen zu ermorden, doch sie beließen es in der Hauptsache dabei, sie zu vertreiben. Wenn sie die Muslime als Gruppe hätten ausmerzen wollen, hätten sie das leicht tun können, aber sie taten es nicht. Im Gegensatz zu Srebrenica sind diese Vorgänge in anderen Prozessen bisher auch noch nie als Völkermord eingestuft worden."
    Karadzic bekam für seine Verteidigung exakt so viel Zeit wie die Anklage. Er führte 248 Zeugen auf. Der prominenteste war General Ratko Mladic. Als Entlastungszeuge sollte er unter Eid aussagen, dass er diesen Völkermord im Alleingang verübt und Karadzic damit nicht zu tun hatte. Doch damit hätte sich Mladic selbst belastet – deshalb verweigerte er die Aussage. Er beantwortete keine einzige der Fragen, die ihm Karadzic stellte.
    Eine Mitarbeiterin der Sondergruppe des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen entfernt am 15.07.1996 Erde von Skeletten in einem Massengrab außerhalb des Dorfes Cerska in der Nähe der früheren Moslem-Enklave Srebrenica, Bosnien-Herzegowina. Die Sondergruppe hatte damals bei ihren Ausgrabungen von Massengräbern erstmals konkrete Beweise für die Ermordung von zahlreichen Vermissten sichergestellt.
    Von dem Völkermord in Srebrenica will Radovan Karadzic nichts gewusst haben. (dpa/Odd Andersen)
    Karadzic dürfte wohl für den Rest seines Lebens hinter Gittern kommen
    Dennoch verhielt sich Karadzic selbst Mladic gegenüber korrekt und höflich. Überhaupt machte er im Gerichtssaal einen kompetenten Eindruck, immer konzentriert, immer gut vorbereitet. Er hat seine Sache als sein eigener Verteidiger nicht schlecht gemacht. Das muss sogar Chefankläger Brammertz zugeben.
    Trotzdem dürfte Karadzic wohl für den Rest seines Lebens hinter Gittern verschwinden. Fraglich ist lediglich, ob er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt wird – oder tatsächlich wegen Völkermords.
    80 Schuldsprüche hat das Tribunal inzwischen gefällt. Aber nur drei Angeklagte wurden des Völkermordes für schuldig befunden: die beiden ranghohen serbischen Offiziere Vujadin Popovic und Ljubisa Beara sowie der Anfang Februar in Haft verstorbene ehemalige bosnisch-serbische General Zdravko Tolimir.
    Völkermord gilt in der internationalen Rechtsprechung als das schwerwiegendste Delikt und ist schwer zu beweisen. Ausschlaggebend ist die Absicht – selbst wenn es nur einen Toten gegeben hat: Für eine Verurteilung muss nachgewiesen werden, dass eine Bevölkerungsgruppe als Ganzes ausgelöscht werden sollte.
    Rechtsexperten zufolge könnte es der Anklage im Karadzic-Verfahren gelungen sein, dafür den Beweis zu erbringen – jedenfalls, was Srebrenica betrifft, glaubt Harmen van der Wilt, Professor für internationales Strafrecht an der Universität von Amsterdam:
    Von einem Freispruch geht auch Karadzics Rechtsberater nicht aus
    "Wenn nicht Karadzic für diesen Völkermord verurteilt wird – wer dann? Milosevic, der als Spinne im Netz galt, ist tot. Und im Gegensatz zu Milosevic, der im fernen Belgrad weilte, befand sich Karadzic direkt im Kriegsgebiet, und er war auch direkt verantwortlich für die bosnisch-serbischen Truppen. Da hatte es die Anklage leichter, eine Verbindung nachzuweisen. Was den zweiten Völkermord betrifft im ersten Kriegsjahr 1992, das ist schwieriger. Schon deshalb, weil diese Verbrechen im Gegensatz zu Srebrenica in früheren Verfahren nie als Völkermord eingestuft wurden."
    Von einem Freispruch geht auch Karadzics Rechtsberater Peter Robinson nicht aus. Der Amerikaner wirft dem Tribunal vor, Karadzic keinen fairen Prozess gewährt zu haben. Der Hauptgrund: Das juristische Prinzip der Unschuldsvermutung habe für ihn nicht gegolten:
    "Karadzic wurde dämonisiert, bereits während des Krieges. Das hat er nie mehr abschütteln können. Bei ihm wurde die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt: Schuldig, bis das Gegenteil bewiesen werden konnte."

    Die Anklagebehörde weist Vorwürfe, Karadzic habe keinen korrekten Prozess bekommen, fast schon entrüstet zurück. Serge Brammertz:
    "Persönlich finde ich es unfair, die Fairness des Verfahrens in Frage zu stellen."
    Auch unabhängige Prozessbeobachter wie Human Rights Watch halten den Vorwurf für unangebracht: Das Gericht habe nichts unterlassen, um die Rechte des Angeklagten zu wahren, und sich mit allen seinen Anträgen auseinandergesetzt. Das findet auch Aaron Matta vom Institute for Global Justice:
    "Das Gerechtigkeitsniveau dieses Tribunals ist hoch – erst recht, wenn man es mit den Tribunalen nach dem Zweiten Weltkrieg vergleicht, wo Siegermächte über die Verlierer zu Gericht saßen. Noch nicht einmal die Tatsache, dass sich Karadzic selbst verteidigte, hat ihm Nachteile beschert – er wusste ein gutes Team hinter sich. Der einzige Kritikpunkt ist vielleicht, dass der Prozess mit einem richtigen Verteidiger zügiger hätte verhandelt werden können."
    Radovan Karadzic im Gerichtssaal in Den Haag. 
    Der Rechtsberater von Radovan Karadzic wirft dem Tribunal in Den Haag vor, Karadzic keinen fairen Prozess gewährt zu haben. (picture alliance / dpa / Robin Van Lonkhuijsen / Pool)
    Das Jugoslawientribunal dürfte als Institution in die Geschichte eingehen
    Das Tribunal steht unter Zeitdruck: Bis zum nächsten Jahr sollen alle Verfahren in erster Instanz abgeschlossen sein. Nach dem Urteil gegen Karadzic stehen noch drei weitere Urteile aus: im Prozess gegen den früheren kroatischen Serbenführer Goran Hadzic, gegen Ratko Mladic und den serbischen Ultranationalisten Voijslav Seselj: Sein Urteil soll Ende März verkündet werden. Die Berufungsverfahren werden dann von einer Nachfolgebehörde durchgeführt, die bereits im Sommer 2013 ins Leben gerufen wurde und sich auch um die Archive und den Zeugenschutz kümmern soll.
    Das Jugoslawientribunal selbst dürfte als Institution in die Geschichte eingehen, der es trotz großer Startschwierigkeiten gelungen ist, ihrer Aufgabe gerecht zu werden: Die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen der Balkankriege zur Rechenschaft zu ziehen und damit zumindest die Basis für Versöhnung zu schaffen. Auch wenn den wichtigsten Angeklagten erst ganz zum Schluss der Prozess gemacht werden konnte und kann – also mehr als 20 Jahre nach den Verbrechen. Aber, so Serge Brammertz: für Gerechtigkeit sei es nie zu spät:
    "Für diejenigen, die vor 20 Jahren ihre Familienmitglieder, ihre Ehemänner und Söhne verloren haben, für diese Opfer sind das keine Straftaten, die vor 20 Jahren begangen wurden und die Teil der Geschichte sind. Für diese Opfer sind das Momente, die niemals vergangen sind und auch heute ihr Leben dominieren. (…) Also die Strafverfolgung und hoffentlich eine Verurteilung von Karadzic hat auch heute, 20 Jahre später, eine sehr sehr wichtige Bedeutung für die Überlebenden."