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Urteil zur Sonntagsarbeit
Videotheken fürchten das Aus

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sonntagsarbeit in Hessen eingeschränkt. Nun fürchten Betreiber von Videotheken, Callcentern und Lotto-Annahmestellen in anderen Bundesländern, dass ihre Betriebe sonntags zu bleiben müssen und dadurch Einnahmen und Arbeitsplätze wegfallen. Auch vielen Kunden käme das ungelegen, zeigt eine Umfrage in Berlin.

Von Anja Nehls | 08.12.2014
    Eine Mitarbeiterin einer Videothek sortiert Filme in die Regale ein.
    Eine Mitarbeiterin einer Videothek sortiert Filme in die Regale ein. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Sonntagabend um sieben ist die Videothek in Berlin Schöneberg gut besucht. Eine Familie mit Kinderwagen steht vor dem Regal mit den Komödien, ein Fahrradkurier auf dem Heimweg sucht ein Videospiel und zwei junge Männer verschwinden im Abteil für Menschen ab 18. Einen Euro pro Tag kostet ein Film, eine preiswerte Sonntagabendunterhaltung:
    "Einen schönen Thriller oder so?"
    "Jetzt gucken wir nach einem Horrorfilm - für heute. Was Lustiges und dann noch ein Horrorfilm, kommt guckt."
    "Komödie. Wenn das Kind schläft, dann gucken wir uns den Film an, genau."
    120 Videotheken gibt es in Berlin. Diese ist mit 33.000 Filmen eine der größten und hat jeden Tag bis Mitternacht geöffnet - auch am Sonntag. Den meisten Kunden ist das wichtig:
    "Sonntags sollte man sich schon mal einen Film ausleihen können, wenn im Fernsehen nichts läuft, was ja heutzutage so ist."
    "Ich kann damit leben, wenn es nicht so ist, ich würde damit klar kommen, ich habe genug eigene DVDs zuhause."
    "Sollen offenbleiben auf jeden Fall. Sonntag ist Sonntag halt, da guckt man gerne Filme."
    Callcenter einfach ins Ausland auslagern
    Die Firma Video World ist mit 40 Filialen der Marktführer in Berlin. Für Geschäftsführer Andreas Sprinkler wäre es eine Katastrophe, wenn die Bedarfsgewerbeverordnung geändert würde und seine Läden sonntags geschlossen bleiben müssten. Am Wochenende macht er den meisten Umsatz.
    "Man kann sich nicht bevorraten, der Kunde denkt nicht daran, sich zu bevorraten. Gerade am Sonntag ist das Filmeausleihen, das Filmsehen etwas sehr spontanes. Man weiß am Samstag nicht, ob man Sonntag einen Film sehen möchte, es ist eine spontane Entscheidung. Wenn der Sonntag wegfällt, dann werden die Videotheken nicht mehr existieren können."
    Ob es soweit kommt, steht allerdings noch in den Sternen. Die Bundesländer überprüfen im Nachgang zum hessischen Urteil jetzt ihre eigenen Rechtsverordnungen und Gesetze und entscheiden dann, ob sie sie auf den Stand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes bringen. In Berlin will man erst mal abwarten und die schriftliche Urteilsbegründung prüfen. Bis die vorliegt, kann es allerdings noch Monate dauern. Betroffen wäre zwar nicht der Einzelhandel, aber vor allem Videotheken, Bibliotheken und Callcenter. Und da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, warnt der Geschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes, Nils Busch Petersen:
    "Was werden Callcenter-Betreiber machen in so einem Fall, die werden doch nicht ihre Callcenter abschalten. Die legen künftig, und das ist technisch kein Problem, am Sonnabend um 24 Uhr den Hebel um und von da an werden die Callcenter in Poznan in Polen oder in Indien oder in London für den Sonntag die Aufgaben übernehmen."
    Hoffnung auf eine Kulanzlösung
    520.000 Menschen arbeiten in Deutschland in Callcentern, sagt der Call Center Verband. Hinter der Ausleihtheke der Videothek verdient finanziert sich Marcel an Wochenenden sein Studium:
    "Ich habe jetzt nichts gegen Sonntagsarbeit. Ich bin dafür, dass man Sonntagsarbeit generell besser vergütet, mit Aufschlag. Aber ansonsten habe ich jetzt nicht das größte Problem, sonntags zu arbeiten."
    Fiele der Sonntag weg, würden noch mehr Menschen, Filme aus dem Internet herunterladen, fürchtet Marcel. Sein Chef Andreas Spinkler hofft in Berlin auf eine Kulanzlösung:
    "Es gibt noch die Möglichkeit, dass wir hoffen, dass es vielleicht geduldet wird in Berlin, ähnlich wie die Spätkaufläden, die ja auch oft nicht aufhaben dürfen aber eben aufhaben und nicht so oft kontrolliert werden oder eben gar nicht kontrolliert werden, dass wir da auch noch so ein bisschen durchrutschen."
    Bis jetzt hat in Berlin niemand gegen die Bedarfsgewerbeverordnung geklagt, deshalb bleibt vorerst alles wie es ist, sagt die Wirtschaftsverwaltung. Für Nils Busch-Petersen wäre alles andere der Lebenswirklichkeit in der Weltstadt Berlin auch unangemessen:
    "Das Ganze atmet schon ein bisschen den Geist der vorigen Jahrhunderte. Unsere Bemühungen um mehr Liberalität, die wir uns eigentlich auf die Fahne geschrieben haben, werden dadurch, sagen wir mal vorsichtig, zumindest nicht erleichtert durch so ein Urteil."