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Urwahl zum Parteichef
Labour vor der Zerreißprobe

Eine Urwahl bei der britischen Labour-Partei wird wohl heute im Ergebnis den Parteichef Jeremy Corbyn stützen, denn die Basis liebt ihn. Die Fraktion hingegen steht mehrheitlich gegen ihn - es ist ein Richtungskampf, der die Partei zerreißen könnte.

Von Friedbert Meurer | 24.09.2016
    Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei Jeremy Corbyn.
    Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei Jeremy Corbyn. (pa/dpa/EPA)
    Krise, Zerreißprobe, Machtkampf: Bei Labour ahnen alle, dass das alles heute Mittag nicht gelöst sein wird. Zu gnadenlos wurde und wird intern abgerechnet, vor allem linke Aktivisten werden dafür verantwortlich gemacht.
    "Bestimmte Gruppen in der Partei haben meine persönlichen Kontaktdaten online gestellt", berichtete Labour-Vorstandsmitglied Johanna Baxter unter Tränen in der BBC. "Eine Kollegin weinte und flehte Jeremy Corbyn an, sie und andere zu schützen, die eingeschüchtert und bedroht werden."
    Der Riss bei Labour in Großbritannien geht tief. Corbynistas gegen Blairites: die Anhänger des linken Corbyn gegen die Anhänger des verhassten Tony Blair. Die erneute Urwahl dürfte wenig an dieser Lage ändern. Der ehemalige Labour-Chef Neil Kinnock ist nur noch verzweifelt.
    "Das ist die größte Krise, die Labour jemals hatte. Ich bin 74 Jahre alt. Wenn sich die Dinge nicht radikal und schnell verändern, dann werde ich Zeit meines Lebens keine Labour-geführte Regierung mehr erleben."
    Jeremy Corbyn ist bei der Basis beliebt
    Im internen Wahlkampf zog Jeremy Corbyn eindeutig mehr Massen an als sein Kontrahent Owen Smith. Jeremy-Fans sangen wieder "Jez we can", wie vor einem Jahr. Damals wurde Corbyn sensationell als Außenseiter zum Parteichef gewählt, jetzt erwarten alle die Wiederwahl. Die Basis ist mehrheitlich für Corbyn, die Fraktion im Unterhaus ist es definitiv nicht. Und auch die Abgeordneten pochen darauf, demokratisch gewählt zu sein. Jeremy Corbyn ruft immer wieder zur Einheit der Partei auf.
    "Es heißt doch nicht, dass jeder immer allem zustimmen muss. Aber die generelle Linie ist klar: Wir sind gegen die Austeritätspolitik, wir lehnen die Pläne der Tories ab, wieder Gymnasien einzuführen. Das sind doch Dinge, die uns in diesen Tagen einigen."
    Owen Smith, der Gegenkandidat der Realos bei Labour, präsentiert sich als derjenige, der Labour vor dem Untergang retten will.
    "Ich sehe die Gefahr, dass Labour vor einer historischen Spaltung steht. Es ist ein Kampf um die Seele der Labour-Party. Der Grund, warum ich angetreten bin, ist: Ich will, dass Labour überlebt."
    Lisa Nandy, Unterhausabgeordnete von Labour, warnt nur vor den Folgen des Streits.
    "Dass wir uns bekämpfen, lockert das Gewebe, das uns verbindet. Wir kommen nicht mehr dazu, uns um unsere wirkliche Aufgabe zu kümmern. Eine Opposition zu sein, eine mögliche Regierungspartei und dass wir gegen die Tories streiten."