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Urzeit-Krimi im Steinbruch

Paläontologie.- Es hat einen Kampf gegeben. Das vermuten zumindest die Wissenschaftler. In Münchehagen bei Hannover legen Forscher derzeit die Fährten mehrerer Dinosaurier frei, die auf eine vorzeitliche Riesen-Rangelei hindeuten.

Von Michael Engel | 09.09.2009
    80 Fußabdrücke hat Dr. Oliver Wings im Steinbruch schon freigelegt, seitdem Arbeiter vergangenen Monat auf die ersten Spuren stießen. Heute sieht man auf einer Länge von rund 30 Metern die Abdrücke eines friedlichen Iguanodon, der an dieser Stelle immer nur geradeaus geht. Doch der Pflanzenfresser ist umzingelt. Zwei kleinere Raubsaurier sind schon dicht dabei. Da kommt ein tonnenschwerer Allosaurus ins Bild:

    "Wir dachten ursprünglich, dass der große Raubdinosaurier auf der Jagd war nach einem Pflanzenfresser. Aber es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass er die Spur des Pflanzenfressers einfach kreuzt, das heißt, er hat ihn nicht angegriffen, nicht gejagt, aber er läuft jetzt mehr oder weniger im Zick-Zack auf einen kleinen Raubdinosaurier zu. Und die letzten Messungen, die wir gemacht haben an den freigelegten Spuren des kleinen Raubdinosauriers weisen darauf hin, dass er schneller wird. Also es kann durchaus sein, dass er entweder den kleineren Raubdinosaurier einfach nur verscheuchen wollte oder sogar als Beute angesehen hat."

    Alles, so der Grabungsleiter vom Museum für Naturkunde in Berlin, deutet auf einen Kampf vor 140 Millionen Jahren hin, der im gelblichen Sandstein von Münchehagen konserviert wurde. Der große Allosaurus schlägt gar einen Haken, nimmt die Verfolgung auf, während die kleinen Raubsaurier schneller werden: ablesbar an einer sich vergrößernden Schrittlänge:

    "Wir haben hier Fußabdrücke von mehreren kleinen Raubdinosauriern gefunden, die man sich so ähnlich vorstellen kann wie diese Raptoren oder Dromeosauriden, die eigentlich erst wesentlich später aktuell werden, die jeder natürlich aus ‚Jurassic Park’ sehr gut kennt als intelligente Räuber. Und wahrscheinlich hat der große Allosauride ein mulmiges Gefühl gehabt, wenn da mehrere von den kleinen da sind, und er dachte, jetzt muss ich mich erst mal um die kümmern, bevor ich hier den Pflanzenfresser reiße."

    Viele Dinofilme leben von solchen Szenen, in denen sich die "schrecklichen Echsen" – die Dinosaurier – ans Leder gehen. In der Natur indes – in Stein konserviert – ist noch nie eine Kampffährte gefunden worden. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre die Sensation perfekt, so das fünfköpfige Team vor Ort. Es könnte aber auch ganz anders sein:

    "Also wenn nicht so ein Kampf, dann vielleicht eine andere Situation. Dass beide zum Beispiel gemeinsam auf der Jagd nach einem anderen Pflanzenfresser gewesen sein können. Auch das gibt es. Es könnte sich zum Beispiel auch noch um ein Muttertier mit Jungtieren handeln. Das wäre eine andere Hypothese. Ja, wir sind gespannt, was hierbei rauskommt im Steinbruch."

    Drei bis vier Meter müssen sich die Forscher noch vorarbeiten, dann – so hofft der Geologe Wings - kommt die entscheidende Stelle, die den Kampf belegt: Mit Wälzspuren der Giganten, im besten Fall sogar mit den Knochen des Unterlegenen. Teamkollege Dr. Rico Schellhorn vom Institut für Geowissenschaften der Uni Tübingen will die Erwartungen aber erst mal nicht so hoch schrauben:

    "Die Kampfszene könnte hier stattgefunden haben, da wir natürlich die verschiedenen Spuren- beziehungsweise Fährtenzüge haben, die aufeinander zugehen. Und das kann natürlich eine Kampfszene sein. Es kann leider auch unspektakulär sein, dass die Tiere einfach mit einem gewissen Zeitabstand über die gleiche Fläche gelaufen sind, sich gekreuzt haben, und es ist überhaupt nichts passiert. Wir brauchen den Platz, der es eindeutig beweist. Und dann haben wir es bewiesen."

    Bis Ende Oktober wird das Team noch graben. Dann muss der alles entscheidende Nachweis gefunden sein. Der Steinbruch-Besitzer macht Druck. Doch selbst wenn es keine Kampffährte sein sollte, ist der Fund heute schon spektakulär. Einzigartig, so Wings, ist die Qualität der Fußabdrücke. Besonders beeindrucken ihn die messerscharfen Abdrücke der Krallen.