Samstag, 20. April 2024

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US-Anklage gegen Ex-VW-Chef Winterkorn
"Die Einschläge für den Konzern kommen immer näher"

Die Anklage gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn in den USA sei nur ein weiteres Steinchen in einem Mosaik, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz im Dlf. Er sei zuversichtlich, dass es am Ende Schadenersatzansprüche für die Aktionäre geben werde.

Klaus Nieding im Gespräch mit Claudia Wehrle | 04.05.2018
    Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Vorstandsvorsitzender, verlässt nach seiner Aussage vor dem Abgas-Untersuchungsausschusses den Bundestages in Berlin.
    Gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn wurde in den USA Anklage erhoben (picture-alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Günter Hetzke: Frau Wehrle, die Winterkorn-Anklage durch die US-Justiz, wie sehen das denn die Anleger? Ist das für sie ein Fall Winterkorn, oder auch ein Fall VW?
    "Eine viel, viel größere Management-Strategie"
    Claudia Wehrle: Dass Martin Winterkorn im Visier der Behörden ist, das ist jetzt ja nichts Neues. Es geht letztendlich um den VW-Konzern insgesamt. Aber das Thema möchte ich noch ein bisschen vertiefen mit Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Herr Nieding, die amerikanischen Behörden gehen ja schon länger davon aus, dass die oberste Führungsriege bei VW frühzeitig von dieser Manipulationssoftware gewusst hat. Bislang waren das Vermutungen. Weiß man jetzt mehr?
    Klaus Nieding: Das Datum Mai 2014 steht ja schon seit Längerem im Raum. Das ist jetzt für uns nichts Neues. Das ist auch Gegenstand unserer Schadenersatzklagen für die Aktionäre gegen den Volkswagenkonzern. Wir gehen sogar davon aus, dass noch viel früher Kenntnis im obersten Management von VW war. Wir haben jetzt in unserem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gegen Porsche wegen VW erreicht, dass auf unseren Antrag hin Kommunikation zwischen Bosch und VW aus den Jahren 2007 und 2008 vorgelegt werden muss, und daraus ergibt sich schon, dass zu der Zeit schon über das Thema Einsatz von Betrugssoftware diskutiert worden ist zwischen Bosch und Volkswagen. Und deswegen sind wir der Meinung, dass hier eine viel, viel größere Management-Strategie dem Ganzen zugrunde liegt und wir nicht nur von dem Zeitraum 2014 bis 2015 reden. Das ist ja auch der Grund, warum wir eine entsprechende Sonderprüfung durchgesetzt haben.
    Nieding: Kaum vorstellbar, dass Winterkorn nichts gewusst haben soll
    !Wehrle:!! Das heißt, Martin Winterkorn könnte da auch schon involvier gewesen sein?
    Nieding: Herr Winterkorn war zu dem Zeitpunkt Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns, und wenn Sie sehen, wie er aufgetreten ist bei Messen etc., wo er selbst Spaltmaße nachgemessen hat, sich unter Konkurrenzfahrzeuge gelegt hat und im Grunde genommen sehr, sehr detailversessen in all diesen technischen Dingen drin war, da kann man sich schlechterdings es wirklich nicht vorstellen, dass dieser Manager nicht gewusst haben soll, welche Software wofür in dem Auto verbaut worden ist.
    Wehrle: Wenn Winterkorn nun im Visier ist, der ehemalige VW-Chef, welche Folgen hat das denn für den Konzern selbst?
    Nieding: Für den Konzern selbst hat das natürlich die Folge, dass wir wie ein Mosaik im Grunde genommen immer mehr Steinchen zusammenfügen können, die Einschläge immer näher kommen beim Konzern, und am Ende – und da bin ich sehr zuversichtlich – werden Schadenersatzansprüche auch für die Eigentümer, sprich die Aktionäre dabei herauskommen.
    "Schlecht ist das natürlich für Corporate Germany"
    Wehrle: Das Image von VW, leidet das jetzt noch mehr?
    Nieding: Das Image leidet auf der einen Seite. Das ist richtig. Aber auf der anderen Seite scheint es ja, wenn man sich die Verkaufszahlen ansieht, die Märkte nicht so sonderlich zu interessieren. Die Fahrzeuge verkaufen sich nach wie vor wie die berühmten heißen Semmeln. Die gehen weg, da bleibt niemand drauf sitzen. Aber schlecht ist das natürlich für Corporate Germany, um das mal ganz klar zu sagen. Was ist das für eine Corporate Governance, wenn ein Konzern wie VW so mauert, wie er es tut, und sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt, dass hier die Wahrheit ans Licht kommt.
    Wehrle: Wer trägt denn in einem Konzern generell die Verantwortung, dass korrekte Informationen weitergegeben werden, an die Öffentlichkeit gegeben werden, an Aktionäre weitergegeben werden?
    Nieding: Zuvorderst natürlich der Vorstand in einer Gesamtverantwortung als Gesamtorgan, und natürlich auch der Aufsichtsrat, der für entsprechende Corporate Governance Regeln sorgen muss. Und dann muss das natürlich von den obersten Organen, Vorstand, Aufsichtsrat, nach unten durchdekliniert werden.
    "Der Konzern fällt nicht um"
    Wehrle: In fünf, in zehn Jahren, was passiert dann mit VW? Wo könnte der Konzern stehen?
    Nieding: Der Konzern fällt nicht um. Das habe ich von Anfang an gesagt. Uns ist ja auch oft vorgehalten worden, ihr mit euren Schadenersatzklagen, ihr macht hier das größte Unternehmen Deutschlands kaputt. Nein, das kann VW locker stemmen. In fünf bis zehn Jahren werden wir hoffentlich soweit sein, dass der Bundesgerichtshof Schadenersatzansprüche ausgeurteilt hat, dass VW diese Schadenersatzansprüche bezahlt, und gut ist.
    Wehrle: Der neue VW-Chef hat bei der Hauptversammlung gestern gesagt, VW soll anständiger werden. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
    Nieding: Ich vernehme die Worte; allein es fehlt der Glaube mir. Herr Diess ist ja nicht allein auf weiter Flur. Wir reden hier über einen Konzern, wo zwei Eigentümerfamilien eine ganz starke Rolle spielen, wo das Land Niedersachsen eine ganz starke Rolle spielt, und wo traditionell auch die Arbeitnehmerseite eine unheimlich starke Rolle spielt. In einer solchen Gemengelage wird es für Herrn Diess sehr, sehr schwierig werden, da wirklich grundlegend was zu ändern. Wir haben das ja an anderer Stelle auch gesehen. Ich sage hier nur Deutsche Bank und Co.
    Wehrle: … sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.