Dienstag, 19. März 2024

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US-Band XIXA
Mystischer Rock‘n‘Roll Cumbia

Die Band XIXA aus Tucson absorbiert Klänge der Wüste und integriert sie in die eigenen Songs: trocken und harsch, himmlisch und funkelnd, kantige Gitarrensounds und tanzbare Rhythmen. Ein Sound der Gegensätze, der auch in Metropolen funktioniert.

Von Anke Behlert | 15.09.2019
    Sechs schwarz gekleidete Musiker posieren vor kargen Bäumen und Bergen
    Vereint Cumbia und Psychedelic Rock: die Band XIXA (Puspa Lohmeyer)
    Musik: XIXA - "Cumbia del Paletero"
    Mit ihrer Band erkunden sie den neuen Sound des amerikanischen Südwestens.
    Brian Lopez: "Wir zollen unseren Respekt gegenüber den Musikern, die vor uns gekommen sind. Gabe und ich wissen, was musikalisch hier passiert und das nehmen wir und lenken es in eine Richtung, die uns gefällt."
    Die Wüste rund um ihre Heimatstadt Tucson ist ein wichtiges Element in ihren Songs.
    Gabriel Sullivan: "In unseren Soloprojekten sind wir beim Songschreiben direkter und geradeheraus. Aber wenn Brian und ich gemeinsam Songs schreiben, malen wir mit den Wörtern eher Bilder, es gibt keine Messages und wir erzählen auch nicht unbedingt Geschichten. In den Texten gibt es viele Referenzen zu unserer Umgebung und sie sind insgesamt etwas düster eingefärbt."
    Die dunkle Wüstenstimmung, der "Desert Noir Vibe", durchdringt auch die visuellen Elemente, die in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler Daniel Martin Diaz entstehen.
    Lopez: "Ich habe noch nie in einer Band gespielt, in der die visuelle Ästhetik so wichtig war. Es gibt ein Zusammenspiel zwischen Daniels Arbeiten und der Musik, die wir machen. Seine Designs bilden für uns eine Art Rahmen und innerhalb dieses Rahmens können wir uns als Songwriter noch viel mehr trauen, können mutiger sein, als es ohne möglich wäre."
    Musik: XIXA - "Bloodline"
    XIXA ist eine sechsköpfige Band um die beiden Songwriter Gabriel Sullivan und Brian Lopez. Beide wachsen in Tucson, im Süden des Bundesstaats Arizona, auf. Seit Kindertagen spielen sie Gitarre. Inspiriert von Folk, Country, Punkrock und Grunge beginnen sie unabhängig voneinander Musik zu machen. Lopez studiert klassische Gitarre an der University of Arizona, Sullivan will zuerst vor allem Pantera- und Metallica-Songs nachspielen. Bevor sie sich als Gitarrist und Bassist bei einer Tour der Sängerin Marianne Dissard kennenlernen, spielen sie in verschiedenen Bands und sind auch als Solokünstler unterwegs. Schon damals filtern beide die musikalischen Strömungen ihrer Heimat in ihren Songs, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Während Sullivan mit seinen "Tarif de Tucson" den Tom Waits raushängen lässt...
    Musik: "Taraf de Tucson – None of this is mine"
    ...geht es bei Lopez eher majestätisch und hingebungsvoll zu.
    Musik: Brian Lopez – "Pray for rain"
    2007 erscheint der Sampler "The Roots of Chicha" bei dem New Yorker Label Barbès Records und holt das fast vergessene Genre aus dem Dornröschenschlaf. Seitdem hat es nicht nur zahlreiche Wiederveröffentlichungen klassischer Chicha-Alben gegeben. Die Musik aus dem Peru der 70er mit dem unwiderstehlichen tschik-tschika-tschik-Rhythmus beeinflusst immer noch und immer mehr Musiker, die sie mit anderen Genres kombinieren und ihr ganz eigenes Ding daraus machen. Auch bei Brian Lopez und Gabriel Sullivan bläst Chicha wie ein frischer Wind durch die Ohren, bringt neue Ideen und eine gemeinsame Band, die zunächst unter dem Namen Chicha Dust läuft.
    Als Platzhalter gedacht
    Sullivan: "Zuerst war das nur ein Spaßprojekt für Brian und mich. Wir wollten zwischen den verschiedenen Tourneen ein bisschen Geld verdienen und Gitarrenmusik spielen. Aber schon nach den ersten paar Shows zeigte sich, dass es viel besser ankam und viel beliebter war, als all unsere anderen Projekte. Wir haben dann schnell angefangen, eigene Songs zu schreiben und auch bald den Namen geändert. Chicha Dust war ohnehin nur als Platzhalter gedacht."
    2013 nehmen sie damals noch als Chicha Dust ein Live-Album auf, ausschließlich mit Chicha-Coverversionen. Und darauf hört man, welche Energie und Leidenschaft in diesen Songs steckt.
    Musik: Chicha Dust - "Como un ave"
    Aus Chicha Dust wird XIXA. Die Band nimmt die Energie von Chicha und kombiniert sie mit Psychedelic Rock, westafrikanischem Desertblues, Western-Soundtrack-Elementen und einer großen Portion Düsternis. Ihr erstes Album heißt "Bloodline", die Songs darauf "Vampiro", "Killer" oder "Dead Man". Biblische Symbolik und mystische Bildsprache ziehen sich durch fast jeden Song, kein Wunder findet Gabriel Sullivan.
    Sullivan: "Es gibt hier ein starke mexikanische Tradition, darin spielt der Katholizismus eine sehr große Rolle. Die Geschichte von Christus ist ja sehr düster. Dann gibt es den "Dia de los Muertes" und all solche Sachen. Diese Schwere und Dunkelheit ist also ständig um uns herum. Und das reflektieren wir in unserer Musik."
    Musik: XIXA - "Down from the sky"
    Die Band arbeitet eng mit dem bildenden Künstler Daniel Martin Diaz zusammen. Der gestaltet alle visuellen Elemente von den Plattencovern über Fotos und Videos bis zur Schriftart.
    "Christus-Tattoo auf der Brust"
    Sullivan: "Er ist einer meine Lieblingskünstler, ich habe ein Christus-Tatoo auf der Brust und das Motiv ist von ihm. Er mochte unsere Musik und war bereit mit uns zusammenzuarbeiten. Wir inspirieren uns gegenseitig, wenn ich Songs schreibe, hab ich häufig Bilder von ihm im Kopf. Mit unserer Musik wollen wir den amerikanischen Südwesten neu interpretieren. Daniel hilft uns, dieses Konzept auszuloten und noch weiter zu treiben."
    Auf der aktuellen EP "The Code" ist auf schwarzem Hintergrund eine gespenstische graue Marienstatue zu sehen, der weiße Linien wie Tränen aus den Augen fließen. Nichts für sensible Gemüter.
    Musik: XIXA - "Kvmbia Okvlt"
    Mit "The Code" haben sich XIXA noch selbstbewusster in die Rolle der "dusty gothic overlords", der staubbedeckten düsteren Wüstencowboys eingefunden, stellt Gabriel Sullivan fest.
    Sullivan: "Wir haben damit einen großen Schritt gemacht, was unseren Sound betrifft. Auf der EP "Shift and Shadow" und dem Album "Bloodline" haben wir uns aus vielen unterschiedlichen Quellen bedient. Wir wollten unseren Songwriter- und Indierock-Background mit den Chicha-Gitarren und Cumbia-Rhythmen kombinieren. Man kann die Einzelteile noch erkennen. Auf "The Code" fließt alles zusammen und wird eine Einheit."
    Musik: XIXA - "Tombstone Rashomon"
    Kirchenglocken, eine unheimliche Orgel, Twang-Gitarren und galoppierende Perkussion lassen leere Wüstenlandschaften vor dem inneren Auge vorbeiziehen. Sengende Sonne und dunkle Schatten, Sand und bizarre Gesteinsformationen – eine gleichzeitig wunderschöne und erbarmungslose Natur, in der sich Geister, mythische Wesen und antike Gottheiten herumtreiben.
    Musik: XIXA - "Osiris"
    "Was machen wir hier?"
    Sullivan: "Auf "The Code" versuchen wir Fragen zu beantworten wie "Was machen wir hier?", "Welche Rolle sollen wir spielen"? Die großen Fragen also und wir benutzen dazu eben dieses etwas kryptische Konzept und versuchen verborgene Dinge ins Licht zu rücken. Für mich geht es bei "The Code" darum, noch tiefer im Unbekannten zu graben."
    Musik: XIXA - "The Code"
    Musik: XIXA - Plateau (Meat Puppets Cover)
    Ihre Songs nehmen XIXA im eigenen Studio auf. Eine sehr bequeme Situation, findet Brian Lopez.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Mystische Magie in Bild und Ton: XIXA (Puspa Lohmeyer)
    Lopez: "Wir sind als Band unabhängig, können jederzeit ins Studio gehen und an Songs arbeiten oder Dinge verändern. Und wir nehmen größtenteils live auf, da kann man die Energie einfach besser einfangen. Alle bringen ihre Ideen ein, meistens sind es zwar Gabe und ich, weil unsere Archive einfach ein bisschen umfangreicher sind. Aber die anderen beteiligen sich auch mehr und mehr am Songschreiben. Das ist schon herausfordernd, aber es macht auch Spaß."
    Musik: XIXA - "World goes away"
    Neben Sullivan und Lopez besteht die Band noch aus Keyboarder Jason Urman, Bassist Hikit Corbel, Perkussionist Efren Cruz Chavez und Drummer Winston Watson. Gleich mehrere glückliche Zufälle haben die Bandmitglieder zusammengebracht, erzählt Gabriel Sullivan.
    Sullivan: "Ich habe Winston bei einer "Rock-Lotterie" getroffen. Ein Club namens Plush hat die damals veranstaltet. Fünf Drummer haben Namen von anderen Musikern aus einem Hut gezogen und diese neuen Bands mussten sich bis zum Abend fünf Songs ausdenken. Winston hat meinen Namen aus dem Hut gezogen. Efren habe ich durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Er kannte niemanden in der Indiemusik-Szene, hat nur Cumbia und Salsa gespielt und hatte noch nie etwas von Led Zeppelin gehört. Wenn die beiden heute zusammenspielen, das ist großartig. Sie ziehen die Band in zwei entgegengesetzte Richtungen: Stadionrock auf der einen, Cumbia auf der anderen Seite und dabei kreieren sie ihr eigenes Genre. Sie sind ein wichtiger Teil unseres Sounds."
    Musik: XIXA - "Killer
    Bei ihren Konzerten tragen alle Bandmitglieder natürlich schwarz. Diese Quasi-Uniform ist eine Mischung aus Tarantino-Zombiewestern und ZZ Top: lange Reitermäntel, Cowboystiefel und -hüte, darunter quillt die Metallermähne hervor. Die Live-Shows sind ein Fest aus Cumbia-Rhythmen, Visualisierungen auf der Leinwand über der Bühne, Nebelmaschine, duellierenden Gitarren und jeder Menge Fuzz. Mit einer hoch stilisierten, cinematischen Mischung bilden XIXA den kulturellen Hybrid aus indigenen, Anglo-, Afro- und Latin-Einflüssen ihrer Heimat perfekt ab. Der neue Sound des amerikanischen Südwestens ist wild, grenzüberschreitend und zeitlos.
    Musik: XIXA - "Golden Apparition"