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US-Baseballstar Bonds wegen Dopings belastet

Ein überragender Spieler in der urtümlichsten aller Mannschaftssportarten Amerikas muss wenigstens drei besondere Talente mitbringen: Er muss so schnell sprinten können wie ein Kurzstreckenläufer. Er braucht einen wurfstarken Arm wie ein Speerwerfer. Und er muss, was besonders schwierig ist, den mit einem Tempo von 150 Stundenkilometern heranfliegenden Ball wuchtig und gezielt mit der Holzkeule treffen können.

Von Jürgen Kalwa | 10.04.2011
    All das zusammen hat in den letzten Jahrzehnten kaum ein Baseball-Profi so hervorragend in sich vereint wie dieser Mann: Barry Bonds. Der Home-Run-König, der 2007, seinem Rekordjahr, eine ganze Sportnation in Atem hielt und die Auktionspreise der von ihm in die Menge katapultierten Lederbälle auf schwindelerregende Höhen von 750.000 Dollar trieb.

    ""He hits it high. He hits it deep. And it is out of here.”"

    Nur wenige wollten denn auch glauben, dass der Verdacht stimmte, dass der hoch begabte Sohn eines All-Star-Spielers einen Gutteil seiner Kraft jahrelang aus den Labors des Dopinghändlers BALCO bezog. Außer einem Steuerfahnder namens Jeff Novitzky, der am Rande von Ermittlungen zu illegalen Anabolika-Geschäften in kalifornischen Fitness-Studios auf ein paar Ungereimtheiten gestoßen war.

    Seine intensive Neugier führte zu einer Hausdurchsuchung bei BALCO. Die dortige Beschlagnahme von Kalendern und Adressbüchern zu einer eindeutigen Erkenntnis: Zahllose berühmte amerikanische Sportler hatten sich bei BALCO alles besorgt, was gut und teuer und verboten war. Die Athleten, die diese Tatsache gegenüber den Staatswanwälten teilweise unter Eid kaschieren wollten, kamen in Schwierigkeiten. So landete etwa die Sprinterin Marion Jones im Gefängnis – wegen Meineids.

    Eine Haftstrafe droht auch Barry Bonds, dem nach vielen Verzögerungen ebenfalls der Prozess gemacht wurde. Der Grund: Er hatte den Ermittlern gegenüber behauptet, er habe nie wissentlich gedopt. Stoffe, die er eingenommen und sich in die Haut gerieben hatte, seien ihm von seinem langjährigen Freund und Fitnesstrainer Greg Anderson als Leinsamenöl und schmerzlindernde Crème verabreicht worden. In der Öffentlichkeit verweigerte er jede Stellungnahme. Als ihn ein Reporter nach dem Home-Run-Rekord fragte, ob er in diesem Moment nicht auch an Anderson denke, wies er das mit finsterer Miene als "negative Frage” zurück.

    ""If he happens watching TV right now is there a message you like to send out to him?”
    Barry Bonds: "Why are we in that conversation? It’s just another negative question. I am not going to get into that.”"

    "Darauf gehe ich nicht ein,” sagte Bonds.

    Was wahr ist und was gelogen, müssen deshalb zwölf Geschworene bestimmen, die seit Donnerstag in San Francisco über das Urteil beraten.

    Weder der Fitness-Trainer Anderson noch Bonds hatten im Prozess ausgesagt. Anderson nahm dabei sogar in Kauf, dass er wie schon in den Vorjahren wegen Missachtung des Gerichts erneut ins Gefängnis geschickt wurde. So mussten die Staatsanwälte mühsam die zusammengetragenen Indizien und Aussagen von Zeugen bündeln. Dadurch lieferte der Prozess, wie die New York Times schrieb, immerhin den "erschütterndsten Einblick in die Ära und die Nonchalance”, mit der sich zahllose Spieler mit illegalen Mitteln aufgeputscht hatten. Man spritzte, man nahm Pillen und Tinkturen und konnte sich dabei auch noch lange in absoluter Sicherheit wiegen. Denn die Liga hatte kein Interesse, Labortests einzuführen, die die publikumswirksame Jagd der Spieler nach immer mehr Home Runs beendet hätte.

    Heute gibt es diese Tests. Und zwar auch weil der Kongress in Washington den Druck auf die Liga erhöhte. Ein Druck, den übrigens ein weiterer Star ganz massiv zu spüren bekommt. Der einstige Pitcher Roger Clemens. Der wartet zur Zeit auf seinen Prozess. Er hatte bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus unter Eid folgendes gesagt:

    ""Let me be clear. I have never taken steroids or HGH.”"

    Nie anabole Steroide. Und keine Wachstumshormone.

    Nun wird ein Gericht entscheiden, ob das die Wahrheit gewesen ist.