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US-Beschluss zu TPP
"Das ist billiger Populismus, was Donald Trump macht"

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, kritisiert den Ausstieg der USA aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP. Er werde das Gegenteil von dem bewirken, was Präsident Donald Trump angekündigt habe. Den amerikanischen Arbeitern werde geschadet.

Marcel Fratzscher im Gespräch mit Jasper Barenberg | 24.01.2017
    Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher.
    Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, erwartet, dass Trump viele seiner Androhungen nicht umsetzen wird. (imago / IPON)
    Fratzscher betonte, niemand profitiere von Handelsbarrieren und Protektionismus. Zugleich mahnte der DIW-Chef zur Zurückhaltung. Er sei optimistisch, dass von dem vom neuen US-Präsidenten Trump angekündigten Handelsprotektionismus nur wenig umgesetzt werden könne. Der US-Kongress stehe dem Freihandel eher positiv gegenüber.
    Dennoch sei gerade Deutschland wegen seiner großen Exportüberschüsse auf ein starkes Europa angewiesen. Man müsse im Sinne einer gemeinsamen Reaktion auf die Politik des neuen US-Präsidenten Trump zusammenrücken, betonte Fratzscher. Darüber hinaus befürworte er die Strategie, Asien stärker als Handelspartner ins Auge zu fassen, wie dies zuvor Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geäußert hatte. Darin liege eine Chance, etwa den Freihandel in China weniger protektionistisch auszurichten. Zurzeit sei dies für deutsche Unternehmen ein großes Problem.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Donald Trump hat gesagt, der Ausstieg aus TPP ist eine großartige Sache für die Arbeitnehmer in den USA. Ist das eine gute Nachricht für Arbeitnehmer dort?
    Marcel Fratzscher: Nein. Protektionismus, Handelsbarrieren, da gewinnt keiner von, weder die Amerikaner, noch in diesem Fall die Asiaten. Man muss ja erst einmal betonen: TPP ist ja nichts, was schon umgesetzt war, sondern umgesetzt worden wäre. So gesehen ändert sich jetzt überhaupt nichts. Es kommen da keine neuen Jobs in die USA zurück. Ganz im Gegenteil! Mit den Androhungen, die Donald Trump gemacht hat, wird er viele nicht nur ausländische, sondern auch amerikanische Unternehmen verschrecken, die sagen, ich orientiere mich lieber in eine andere Volkswirtschaft. Also Mittel- bis langfristig wird es genau das Gegenteil bewirken. Das ist billiger Populismus, was Donald Trump macht, was wirtschaftlich auch gerade den Arbeitern, die neue Jobs brauchen, schaden wird.
    "Klar ist auch, ein Freihandelsabkommen hat natürlich nicht nur Gewinner"
    Barenberg: Barack Obama hatte ja quasi in Aussicht gestellt und geschätzt, dass 650.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten als Folge von TPP, während Donald Trump sagt, das ist ein Jobkiller. Da sind Sie sicher, da hatte eher Obama Recht als Trump?
    Fratzscher: Es ist immer schwierig, zu sagen, wie viele neue Jobs entstehen. Klar ist auch, ein Freihandelsabkommen hat natürlich nicht nur Gewinner. Da muss man ganz ehrlich sein. Es wird sicherlich viele Gewinner haben, es werden neue Jobs entstehen, aber bei einem Freihandelsabkommen wie bei jedem Abkommen wird es natürlich auch einige Sektoren, einige Unternehmen geben, die damit Jobs verlieren. Und darum geht es letztlich, Gewinner gegen Verlierer, die auf eine Stufe zu stellen, das miteinander zu vergleichen und auch gerade zu fragen, wie können Verlierer kompensiert werden. Nur Protektionismus, Handelsbarrieren wieder aufzubauen, das führt genau zum Gegenteil, nämlich dass Jobs nicht zurückkommen. Sie können etwas, was verloren gegangen ist in der Vergangenheit, Jobs, die ins Ausland gewandert sind, nicht dadurch zurückholen, indem Sie sagen, so, jetzt machen wir die Schotten dicht, jetzt machen wir wieder Handelsbarrieren.
    Barenberg: Jetzt haben wir gerade im Beitrag gehört, dass die anderen Beteiligten, unter anderem Australien, Japan, Neuseeland, TPP oder ein Handelsabkommen doch noch retten wollen. Gibt es so was, ein Bündnis ohne die USA?
    Fratzscher: Sicherlich kann man auch den Handel in Asien noch vertiefen. Aber klar ist auch, die Amerikaner sind einfach eine so große Volkswirtschaft und schaffen so viel Nachfrage nach Exporten aus ganz Asien, dass viele in Asien natürlich gehofft hatten, einen besseren Zugang zum amerikanischen Markt zu haben. Handelsvertiefung in Asien ist sicherlich sinnvoll, aber wird nicht die großen Vorteile schaffen, die ein TPP, ein Handelsabkommen mit den USA gehabt hätte.
    Barenberg: Jetzt mutmaßen ja viele, dass China möglicherweise der Nutznießer sein könnte, wenn die USA sich aus dem Prozess verabschieden. Wie schätzen Sie das ein? Kann China in die Bresche springen?
    Fratzscher: China wird sicherlich versuchen, diese Schwäche der Amerikaner zu nutzen, um hier seinen Einfluss in Asien auszubauen. Aber viele sehen natürlich auch China als einen Widersacher, der viele Jobs aus anderen asiatischen Ländern nach China zieht. China hat auch eine protektionistische Politik, Patentrechte. Das ist schon schwierig in China auch für deutsche Exportunternehmen. Deshalb sieht man in Asien, in anderen asiatischen Ländern, auch in Australien und Neuseeland das schon mit gemischten Gefühlen. Natürlich wird China an Bedeutung gewinnen, aber man weiß auch, bisher waren die Amerikaner ein sehr zuverlässiger Partner, was man von China nicht unbedingt sagen kann.
    "Gegenüber den USA wird Deutschland natürlich den Kürzeren ziehen"
    Barenberg: Nun ist ja dieser Ausstieg aus TPP offenbar nur ein erster Vorgeschmack auf eine Handelspolitik nach dem Motto "America first", wie sie Donald Trump angekündigt hat. Heißt das auch, wir müssen uns in Europa und in Deutschland warm anziehen?
    Fratzscher: Ja. Gerade wir Deutschen müssen uns warm anziehen, denn Donald Trump hat das ja auch angedeutet und gesagt, Strafzölle auf Automobile, BMW hat er genannt, die nicht in den USA produziert werden. Deutschland hat einen riesigen Handelsüberschuss von 270 Milliarden Euro, neun Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Das weckt natürlich die Aufmerksamkeit der Amerikaner, die sagen, wieso ist das so, dass die Deutschen so viel mehr in die USA exportieren, als sie von uns importieren. Diese Fragen werden in den kommenden Wochen, kommenden Monaten sicherlich sehr intensiv auf die deutsche Politik zukommen. Da brauchen wir eine gute Antwort in Deutschland. Und letztlich ist auch klar: Gegenüber den USA wird Deutschland natürlich den Kürzeren ziehen. Die Volkswirtschaft ist ein Bruchteil in Deutschland im Vergleich zu den USA. Gerade deshalb braucht Deutschland ein starkes Europa im Rücken, eine Einigkeit in Europa, wirklich den USA hier gemeinsam entgegenzutreten.
    "Meine Erwartung ist, er wird doch viele dieser Androhungen nicht umsetzen können"
    Barenberg: Sehen Sie denn schon erste Ansätze für eine solche gute Antwort, wie Sie sie erwarten und verlangen von Europa?
    Fratzscher: Nein. Wir sehen noch nicht wirklich ein Zusammenrücken. Europa hat natürlich im Augenblick eine schwierige Lage. Man hat gleichzeitig auch noch den Brexit zu bewältigen. Wir sehen viele politische Unsicherheit in der Europäischen Union mit Wahlen, die in vielen Ländern in der Eurozone und in der EU dieses Jahr stattfinden. Diese Vielschichtigkeit der Probleme macht es schwierig. Aber klar ist: Die EU muss nun zusammenrücken, muss sagen, so werden wir auf die USA reagieren. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Donald Trump ja bisher nur Androhungen gemacht hat und wir nicht wirklich wissen, was wird Donald Trump wirklich umsetzen. Meine Erwartung ist, er wird doch viele dieser Androhungen nicht umsetzen können, denn der amerikanische Kongress ist eigentlich eher pro Freihandel, ist eher positiv eingestellt. Da gilt es abzuwarten. Meine Erwartung im Augenblick ist, Donald Trump wird viel Aufhebens, viele Drohungen ankündigen, aber nicht wirklich viel umsetzen können. Deshalb: Ich bin eigentlich ganz optimistisch, dass dieser Handelsprotektionismus dann im Endeffekt doch ganz wenig davon nur umgesetzt werden kann.
    Barenberg: Ist insofern auch die Position, die BMW eingenommen hat, ganz richtig zu sagen, nein, das Unternehmen hält an den Plänen fest, etwa für ein Werk in Mexiko, und kündigt Widerstand an gegen diese Handelspolitik und die Strafzölle, die Donald Trump ja angekündigt und angedroht hat?
    Fratzscher: Absolut! Kein ausländisches Unternehmen wird wegen der Androhungen nun in den USA mehr investieren. Ganz im Gegenteil. Wenn Sie Unternehmer sind und sagen, da ist jetzt eine Regierung dran, die völlig unberechenbar ist, die uns eventuell noch bestrafen will, dann geht man erst recht nicht in das Land rein. Ein solcher Protektionismus kann auch gar nicht funktionieren, weil wenn Sie sich einen BMW anschauen, oder auch ein anderes Produkt, das wird ja nicht nur in Mexiko oder nur in Deutschland gefertigt, sondern das hat unheimlich viele Vorleistungen aus anderen Ländern, gerade auch von amerikanischen Unternehmen. Das kann gar nicht funktionieren. Wenn Donald Trump hier sagt, wir machen hier Strafzölle auf BMW oder andere Automobile, dann schädigt er damit letztlich auch den amerikanischen Unternehmen, die diese Vorleistungen liefern. Der globale Produktionsprozess ist so integriert, so stark miteinander verbandelt, dass es bei einem solchen Protektionismus, bei einem solchen Handelskonflikt richtig gehend eigentlich nur Verlierer geben kann.
    "Zwei Drittel der deutschen Exporte gehen nach wie vor nach Europa"
    Barenberg: Nun sagt der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, wo sich ein Fenster schließt, öffnet sich möglicherweise ein anderes. Liegen auch Chancen in der Politik, die wir von Donald Trump zu erwarten haben?
    Fratzscher: Ich würde nicht sagen Chancen. Es geht nicht darum, etwas Positives zu schaffen, sondern lediglich die Kosten oder die Risiken zu vermeiden. Klar ist, USA ist ein wichtiger Handelspartner für Deutschland, mit etwas über zehn Prozent Anteil an den deutschen Exporten, aber jetzt auch nicht so wichtig. Zwei Drittel der deutschen Exporte gehen nach wie vor nach Europa. Ein steigender Anteil geht nach Asien. Die Überlegung, kann man hier Asien als Partner gewinnen, ist die richtige. Den Amerikanern klarzumachen, wenn ihr einen Handelskonflikt schüren wollt, dann habt ihr es nicht nur mit Europa, sondern eventuell auch mit Europa und Asien zusammen zu tun, die Strategie ist gut. Ich bin eigentlich auch recht optimistisch, was die deutsche Wirtschaft betrifft, denn die deutschen Exportunternehmen sind global gut diversifiziert, sind sehr breit aufgestellt, werden sich natürlich nach Asien orientieren, und da liegt sicherlich auch eine Chance, jetzt den Freihandel mit Asien, gerade auch China zu bekommen, weniger protektionistisch zu sein, sich mehr an die gemeinsamen Regeln zu halten. Das ist nach wie vor ein riesiges Problem für deutsche Unternehmen, die in China aktiv sind. Also Chance in dem Sinn, dass man etwas Neues schafft, aber klar muss uns sein, die Kosten durch den Protektionismus eines Donald Trump sind sicherlich sehr viel größer.
    Barenberg: … sagt der Präsident beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Vielen Dank für das Gespräch, Marcel Fratzscher.
    Fratzscher: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.