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US-Demokrat Dean zu Nordkorea
"China ist unsere große Hoffnung"

Die Politik Nordkoreas stelle eine sehr ernste Provokation dar, sagte der ehemalige Parteichefs der US-Demokraten Howard Dean im Dlf. China sei derzeit die größte Hoffnung auf Entspannung. Die Amerikaner könnten nicht viel machen, außer einen Atomkrieg zu starten. "Aber das wäre eine völlig inakzeptable Konsequenz", sagte Dean im Dlf.

Howard Dean im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 04.10.2017
    Howard Dean, früherer Gouverneur von Vermont, spricht bei der Democratic National Convention im Wells Fargo Center in Philadelphia, Pennsylvania.
    Howard Dean, früherer Gouverneur von Vermont und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten im Jahr 2004. (picture alliance/dpa - Tannen Maury)
    Tobias Armbrüster: Donald Trump ist seit einem dreiviertel Jahr Präsident der USA und es vergeht kaum eine Woche, in der er nicht für Schlagzeilen sorgt. Viele sagen schon jetzt, Trump hat den politischen Stil in seinem Land grundlegend verändert, mit seinen Provokationen, mit seinen Twitter-Kommentaren. Aber wie gehen andere Politiker in den USA damit um? – Einer, der darüber Auskunft geben kann, ist Howard Dean von den Demokraten. Er war mehr als zehn Jahre lang Gouverneur des US-Bundesstaates Vermont und er hat sich 2004 selbst um die demokratische Präsidentschaftskandidatur beworben. In dieser Woche ist Howard Dean nun bei uns in Deutschland zu Gesprächen und Vorträgen unterwegs und ich hatte Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und ich habe bei diesem Interview zuerst nach dem Massaker in Las Vegas gefragt und wollte von Howard Dean wissen, warum es vor allem in den USA immer wieder zu dieser Art von Verbrechen kommt.
    Howard Dean: Weil unsere Kultur von Waffen geprägt ist und weil wir eine starke Waffenlobby haben. Das ist eine Lobby, die nicht das amerikanische Volk repräsentiert, aber vor der viele Republikaner und einige Demokraten eine riesen Angst haben. Deshalb will da niemand politisch aktiv werden. Früher oder später wird es allerdings Forderungen nach Konsequenzen geben. Die große Frage ist, wie viele Tragödien dieser Art vorher noch passieren müssen.
    "Donald Trump ist Moderator einer Reality-Fernsehshow"
    Armbrüster: Wieviel mehr müssen es sein?
    Dean: Ich weiß es nicht. Feststeht, dass diese Tat schrecklich war, der größte gezielte Mord an Amerikanern, der mir bekannt ist. Es ist unbegreiflich, dass so etwas passieren kann, und für Europäer ist es wahrscheinlich noch schockierender, einfach weil sie viel mehr Kontrolle über Waffenbesitzer haben als wir in den USA.
    Das Interview mit Howard Dean im Originalton in englischer Sprache
    Armbrüster: Kann Präsident Trump da eine Lösung anbieten?
    Dean: Ich glaube, das kümmert ihn gar nicht. Es ist keine Frage, über die er nachdenkt.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns über Donald Trump und über seine Außenpolitik sprechen. Er hat gerade seinem Außenminister per Twitter gesagt, dass der in Sachen Nordkorea seine Energie verschwende. Was hat das zu bedeuten?
    Dean: Donald Trump ist Moderator einer Reality-Fernsehshow. Er hat Instinkte. Er weiß, was seiner Basis gefällt. Er weiß nichts über Außenpolitik. Er weiß auch nichts über irgendein anderes Politikfeld. Er interessiert sich nicht für Politik. Ich glaube, die Europäer sollten aufhören, sich über jeden Tweet von Donald Trump Gedanken zu machen. Die Europäische Union ist das größte politische Experiment seit der Gründung der Vereinigten Staaten vor 250 Jahren. Es ist unglaublich wichtig, dass die Europäische Union erfolgreich bleibt. Mein Ratschlag an die Europäer wäre also: Verbessert die Europäische Union, denn der Rest der Welt ist abhängig von deren Erfolg, allein schon wegen der hohen Ideale, die damit verbunden sind.
    Armbrüster: Wenn wir trotzdem noch kurz bei Nordkorea bleiben können. Haben Demokraten im Weißen Haus da mehr erreicht im Umgang mit Pjöngjang? War Ihre Außenpolitik da erfolgreicher?
    Dean: Das ist schwer zu sagen, weil Kim Jong-un die Lage noch mal weiter auf die Spitze getrieben hat, und ich weiß auch nicht genau, ob es inzwischen eine andere Außenpolitik gibt, wenn wir mal von Trumps Tweets absehen. Der große Unterschied ist doch wohl, dass auch die Chinesen inzwischen alarmiert sind. Tatsache ist, dass die Politik Nordkoreas eine sehr ernste Provokation darstellt. Die schlechte Nachricht ist, dass wir Atomwaffen in Südkorea stationieren müssen, wenn die Regierung dort dies wünscht. Das gleiche gilt für Japan. Und China hat, glaube ich, begriffen, dass dies wirklich passieren könnte, ganz einfach, weil wir nicht zusehen können, wie Kim Jong-un unsere Verbündeten bedroht. Und ich glaube, wir sehen gerade, wie die Chinesen versuchen, die Abenteuerlust von Kim Jong-un einzudämmen. China ist also unsere große Hoffnung. Wir Amerikaner können nicht viel machen, außer wir starten einen Atomkrieg, aber das wäre eine völlig inakzeptable Konsequenz.
    "Wenn es einen Krieg gibt, dann wäre dies ein Atomkrieg"
    Armbrüster: Wie nah an einem Krieg mit Nordkorea ist Ihr Land?
    Dean: Ich glaube, wir sind nicht so nah dran, wie jeder denkt. Das liegt daran, dass Kim Jong-un weiß, dass er sich selbst zerstören würde. Wenn es einen Krieg zwischen den USA und Nordkorea gibt, dann wäre dies ein Atomkrieg. Das liegt an der nordkoreanischen Artillerie, die aufgrund ihrer Aufstellung sehr schnell 20 Millionen Südkoreaner töten könnte. Der erste Schlag, wenn es ihn denn gäbe, wäre deshalb ein Atomschlag. Ich glaube, Kim Jong-un weiß, dass dies das Ende seiner Kim-Dynastie wäre, und deshalb will er keinen Krieg. Das Problem ist: Sie haben hier zwei bombastische Personen gegenüber, die beide nicht so genau nachdenken, wie sie eigentlich könnten. Zu Trumps Außenpolitik sage ich immer, in der Außenpolitik zählt, was Du sagst und wie Du es sagst, und er ist einfach kein vorsichtiger Mensch. Er hat vorsichtige Berater um sich herum und ich bin optimistisch, dass ein Krieg verhindert wird.
    Armbrüster: Wer würde denn verhindern, dass ihr Land in einen Krieg sozusagen reinschlittert?
    Dean: Da sind drei Generäle an Trumps Seite, die ich sehr respektiere. Da ist General McMaster, der nationale Sicherheitsberater. Er muss manchmal speichelleckerisch tun. Aber so tickt Trump nun mal, das will er. Aber McMaster weiß immer, was er tut. – Dann ist da General Kelly, ein sehr guter Stabschef, der endlich etwas Ordnung ins Weiße Haus bringt. – Und sie haben General Mattis, der in beiden politischen Lagern respektiert wird und der Donald Trump auch öffentlich gerne widerspricht.
    Armbrüster: Das heißt, der amerikanische Kongress, die Abgeordneten, die spielen hier gar keine Rolle?
    Dean: Der Kongress hat in der amerikanischen Außenpolitik fast nie eine Rolle gespielt. Außenpolitik war schon immer die Domäne des Präsidenten, und so wird es auch bleiben.
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns auf die ersten Monate von Donald Trump im Weißen Haus blicken. Wie fällt da Ihr Urteil aus?
    Dean: Mein Urteil über diese Präsidentschaft sieht so aus: Trump ist undiszipliniert. Er weiß nichts über Politik, will auch nichts darüber lernen. Er ist hauptsächlich daran interessiert, selbst im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb ermutige ich die Leute immer wieder, ihm nicht zu viel Beachtung zu schenken. Das gilt besonders für alle, die die USA von außen beobachten.
    Armbrüster: Können wir sagen, das politische System der USA steckt in einer Krise?
    Dean: Nein, das glaube ich nicht. Die Krise, die wir haben, liegt begründet in den tiefen Differenzen zwischen Demokraten und Republikanern, aber das hat nichts mit Trump zu tun. Wir haben ein starkes politisches System. Es hat sicher seine Schwächen. Vor allem meine Generation von Politikern ist eher aggressiv und ideologisch geprägt. Deshalb ist es jetzt das wichtigste, dass wir die nächste Generation so schnell wie möglich in die Politik bringen, Leute, die pragmatischer denken und die respektvoll miteinander umgehen.
    "Clinton wäre eine wunderbare Präsidentin"
    Armbrüster: Dann haben Sie keine Hoffnung, dass diese Grabenkämpfe bald aufhören?
    Dean: Ich glaube, die Differenzen werden schon im kommenden Jahr überbrückt, wenn wir bei den Kongresswahlen die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurückholen, vielleicht auch im Senat. Aber das hängt natürlich alles von den Wählern ab. Wenn Trump ihnen gefällt, dann sollten sie Republikaner wählen. Aber wenn sie etwas verbessern wollen, dann sollten sie bei uns Demokraten eine Plattform finden. Es genügt für uns ganz sicher nicht immer nur Trump zu attackieren. Wir müssen den Leuten ein Angebot machen, vor allem in der Wirtschaftspolitik.
    Armbrüster: Warum kann Ihre Partei nicht profitieren von Trumps desaströsem Politikstil?
    Dean: Wir werden davon profitieren: bei den Kongresswahlen.
    Armbrüster: Aber das ist reiner Optimismus.
    Dean: Nein! Die letzten Kommunalwahlen haben schon gezeigt, dass wir Sitze dazugewinnen können, auch in Stimmbezirken, die normalerweise an die Republikaner gehen. Die Midterm-Wahlen sind immer eine Art Referendum über den Präsidenten, und da erwarte ich, dass wir ordentlich zulegen können. Das Problem bei der Präsidentenwahl ist: Die können Sie nicht gewinnen, indem Sie einfach nur sagen, wie schrecklich der andere Kandidat ist. Da müssen wir ein Programm vorlegen, das auch den Leuten Hoffnung gibt, die sich abgehängt fühlen von der Globalisierung.
    Armbrüster: Wenn Sie zurückblicken, war es ein Fehler, Hillary Clinton bei der letzten Wahl ins Rennen zu schicken?
    Dean: Ich werde das immer wieder gefragt und in dieser Frage schwingt immer die Vermutung mit, dass meine Partei Hillary Clinton auf undemokratischem Weg zur Kandidatin gekürt hätte. Aber wir hatten Vorwahlen mit fast 30 Millionen Wählern und Hillary Clinton hat diese Vorwahlen komfortabel gewonnen. Hinterher, wenn jemand verloren hat, ist es natürlich immer leicht zu sagen, es war ein Fehler. Ich glaube, sie ist unglaublich kompetent und smart und sie wäre eine wunderbare Präsidentin. Aber sie hat nicht gewonnen. Das ist das Urteil des Wählers.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.