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US-Demokraten
"Hillary Clinton hat zweifellos gewisse Probleme"

Hillary Clinton ist seit 25 Jahren in der US-Politik, habe gewisse Probleme, aber müsse im Wahlkampf um das Präsidentenamt ihren Namen nicht mehr bekannt machen, sagte der Politologe Michael Dreyer im DLF. Sie werde weniger als Frau, sondern als erfolgreiche Politikerin wahrgenommen. Donald Trump habe hingegen weniger Regierungserfahrung als irgendein anderer Bewerber in den letzten 200 Jahren.

Michael Dreyer im Gespräch mit Martin Zagatta | 27.07.2016
    Hillary Clinton im Wahlkampf in Pittsburgh, Pennsylvania, USA.
    Hillary Clinton im Wahlkampf (dpa / picture alliance / Michael Reynolds)
    Martin Zagatta: In der zurückliegenden Nacht haben die US-Demokraten die frühere Außenministerin Hillary Clinton jetzt auch offiziell zu ihrer Präsidentschaftskandidatin gemacht. Mitgehört hat Professor Michael Dreyer, Politikwissenschaftler und USA-Experte an der Friedrich Schiller Universität Jena. Guten Tag, Herr Dreyer!
    Michael Dreyer: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Dreyer, wir haben es gehört: Die Delegierten, die Demokraten, die waren begeistert von Sanders. Die waren zuvor auch begeistert von Michelle Obama. Gilt das denn auch jetzt für Hillary Clinton, oder gibt es da nach wie vor große Vorbehalte?
    Dreyer: Nun, ich glaube, eine ganze Reihe von den Delegierten waren begeistert davon, dass Senator Sanders jetzt endlich seinen Widerstand aufgegeben hat und das getan hat, was er vielleicht schon vor Wochen hätte tun sollen, nämlich sich unzweideutig hinter Hillary Clinton gestellt hat, und das war nicht zuletzt das, was da bejubelt wurde. Denn so viel Begeisterung Sanders auch generiert hat im Wahlkampf, man muss ganz klar sehen: Hillary Clinton hat fast vier Millionen mehr Stimmen bekommen in den Primaries. Und das ist nicht eine gestohlene Wahl; sie ist einfach die Wahl der deutlichen Mehrheit der Demokraten gewesen.
    Zagatta: Dennoch muss man ja auch sagen - das haben ja die bekannt gewordenen E-Mails offenbart - ist sie ja auch relativ unfair von ihrer Parteiführung unterstützt worden.
    Dreyer: Ja, aber damit können Sie nicht vier Millionen Stimmen Unterschiede erklären. Diese E-Mails, die sind unangenehm und es ist auch ja sehr fraglich, wer dahinter steckt, hinter dieser Hackerei. Auch das muss man noch sehen, was dabei rauskommen wird. Vor diesem Hintergrund ist die Geste von Sanders natürlich umso mehr geschätzt, dass er sich jetzt unzweifelhaft hinter Clinton gestellt hat und den Gegner, den es zu besiegen gilt für die Demokraten, nämlich Trump in dem Kontrast deutlich herausgestellt hat.
    "Hillary Clinton hat zweifellos gewisse Probleme"
    Zagatta: Wieso gibt es so große Vorbehalte immer noch gegen Hillary Clinton? Können Sie sich das erklären?
    Dreyer: Das ist einerseits einfach zu sagen, andererseits schwierig. Hillary Clinton hat zweifellos gewisse Probleme. Sie ist ja auch keine gelernte Politikerin, sondern erst auf dem zweiten Bildungsweg zur aktiven Politik gekommen. Aber wenn Sie sich überlegen: Seit ihr Mann erstmals zum Präsidenten gewählt wurde 1992, das ist jetzt schon eine Ewigkeit her, seither haben die Republikaner auch schon in den 90er-Jahren alles an Schmutz an sie geworfen, was nur möglich war. Ich entsinne mich noch in den 90er-Jahren, wo sie als lesbische Satanistin aufgeführt wurde, die mehrere Menschen eigenhändig ermordet hatte, und so weiter und so weiter. Und wenn Sie das 25 Jahre lang machen, dann bleibt davon einiges kleben.
    Zagatta: Es wird ja jetzt wahrscheinlich, das entnehme ich Ihren Andeutungen oder Worten, auch schon ein relativ schmutziger Wahlkampf werden. Das erwarten viele. Welche Rolle spielt es da jetzt bei den Aussichten, wenn man schon auf die Wahl vorausblickt, dass erstmals tatsächlich eine Frau für das Weiße Haus antritt?
    Dreyer: Nun, Clinton muss natürlich nicht mehr ihren Namen bekannt machen. Sie ist seit wie gesagt 25 Jahren drin in der amerikanischen Politik und ich glaube eigentlich nicht so sehr, dass sie primär als Frau wahrgenommen wird, sondern einfach als eine erfolgreiche Politikerin, die tatsächlich einen Lebenslauf mit sich bringt, der mehr Erfahrung und auch mehr Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen des Regierungssystems mit sich bringt, als die meisten anderen Menschen haben. Sie haben auf der einen Seite Donald Trump, der weniger Regierungserfahrung hat als irgendein anderer Bewerber um die Präsidentschaft in den letzten gut 200 Jahren, und Sie haben auf der anderen Seite Hillary Clinton, die in der Exekutive, in der Legislative, in vielen sozialen Gruppen diese Erfahrung gesammelt hat. Was das angeht, kann es nicht schwierig sein.
    "Amerikaner fangen an, sich auf den Wahlkampf zu konzentrieren"
    Zagatta: Aber warum ist es dennoch schwierig, wenn man auf jüngste Umfragen schaut, die ja Donald Trump, der bei uns in Deutschland eher als Witzfigur fast wahrgenommen wird, relativ gute Chancen geben, zumindest einigermaßen mitzuhalten in diesem Rennen?
    Dreyer: Die amerikanische Gesellschaft ist hoch polarisiert und ein Großteil der Amerikaner wird niemals in Erwägung ziehen, für Hillary Clinton zu stimmen, ganz egal wer der Gegenkandidat ist, wie auch umgekehrt ein Großteil der Amerikaner niemals in Erwägung ziehen wird, für einen Republikaner zu stimmen, ganz egal wer da der Kandidat ist. Das heißt, Sie können davon ausgehen, dass so 40 plus Prozent der Bevölkerung ohnehin sicher in einem der beiden Lager verortet sind.
    Umfragen zu diesem Zeitpunkt haben recht wenig Bedeutung. Amerikaner fangen sich an, auf den Wahlkampf zu konzentrieren nach den Sommerferien. Das wird im September der Fall sein. Und dann nützt es auch wenig, auf nationale Umfragen zu gucken. So funktioniert ja das Wahlsystem nicht. Man muss dann auf die einzelnen Staaten gucken, vor allem auf die sogenannten Swing States, die in beide Richtungen gehen könnten. Und da ist es eigentlich so, dass Clinton mit einem erheblichen Vorsprung in das Rennen startet, und man kann es sogar auf einzelne Staaten schon konzentrieren. Wenn Trump Florida und Virginia verlieren sollte, dann gibt es kaum noch eine rechnerische Chance, dass er die notwendigen 270 Stimmen, die er zur Mehrheit braucht im Electoral College, im Wahlmänner-Kollegium, tatsächlich bekommen wird.
    Zagatta: Herr Dreyer, Sie haben vorhin gesagt, Frau Clinton wird hauptsächlich als erfolgreiche Politikerin wahrgenommen. Aber sie wird natürlich auch wahrgenommen als die Ehefrau von Bill Clinton. Dass da jetzt schon wieder so eine Art Dynastie zum Zuge kommt nach den Bushs, was sagt denn das über die amerikanische Demokratie aus?
    Dreyer: Ich würde das Wort Dynastie hier bestreiten in diesem Fall. Bei den Bushs ja. Das geht über mehrere Generationen hinweg. Aber wenn Ehemann und Ehefrau beide aktiv sind in der Politik, dann ist das ja noch keine Dynastie. Vielleicht, wenn Chelsea Clinton eines Tages in die Politik geht und ihre Kinder in die Politik gehen, dann ja.
    Hillary Clinton ist natürlich über ihren Ehemann lange definiert worden. Aber man kann es natürlich auch umgekehrt sehen, so ähnlich wie im Fall von Michelle Obama. Sie ist lange Zeit die hauptsächliche Breadwinner der Familie gewesen, die für das Familieneinkommen gesorgt hat, während ihr Mann im schlecht bezahlten politischen Geschäft tätig war, und es ist nicht unwahrscheinlich, wenn sie nicht gerade mit so einem charismatischen Politiker wie Bill Clinton verheiratet gewesen wäre, dass sie selbst schon viel früher ihren Einstieg in die Politik gemacht hätte. Sie ist gewählt worden zweimal im Staate New York in den Senat, sie ist Secretary of State gewesen. Nichts davon hat sie erreicht, weil sie mit Bill Clinton verheiratet war.
    Zagatta: Hätten die Deutschen zu wählen, würden fast 90 Prozent für Clinton stimmen. Das sagen Umfragen. Wäre Donald Trump aus Ihrer Sicht tatsächlich so eine Katastrophe für die deutsch-amerikanischen Beziehungen?
    Dreyer: Das Problem bei Donald Trump ist, dass keiner weiß, wofür er wirklich steht. Seine Meinungen, die ändern sich alle paar Wochen, oder manchmal sogar innerhalb von Stunden, und es ist sehr, sehr schwierig einzuschätzen, wie ein Präsident Trump tatsächlich wäre. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum auch viele Konservative gegenüber Trump viele Vorbehalte haben. Sie trauen ihm einfach nicht, weil sein Konservatismus genauso spielerisch daherkommt und genauso unsicher ist wie vorher seine anderen Positionen. Trump ist jedenfalls jemand, der noch niemals in der Politik aktiv gewesen ist, nicht selbst in einem verantwortlich gewählten Amt, und ob man unbedingt die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten als erstes Amt in der Politik antreten sollte, darüber kann man sehr geteilter Ansicht sein.
    Zagatta: Danke schön, Professor Michael Dreyer, Politikwissenschaftler von der Universität Jena. Danke für das Gespräch.
    Dreyer: Sehr gerne! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.