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US-Einwanderungspolitik
Kinder zwangsweise von ihren Eltern getrennt

Seit US-Präsident Donald Trump Anfang Mai seine Null-Toleranz-Politik bei der illegalen Einwanderung verkündet hat, sind offenbar Hunderte Kinder illegaler Einwanderer von ihren Eltern getrennt worden. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer Praxis, die an totalitäre Staaten erinnert.

Von Thilo Kößler | 31.05.2018
    Sicherheitskräfte in Uniform gehen an einem Stacheldrahtzaun entlang. Daran hängt ein gelbes Schild mit schwarzer Aufschrift, wonach der Grenzübertritt verboten ist.
    Sicherheitskräfte patrouillieren in El Paso an der texanisch-mexikanischen Grenze. (AFP/ MARK RALSTON)
    Die Geschichte von Esteban Pastor, die der Houston Chronicle in einer Reportage schilderte, geht mittlerweile durch die Medien: Esteban Pastor aus Guatemala versuchte, mit seinem 18 Monate alten Sohn über die Grenze nach New Mexico zu kommen – ohne Papiere und damit illegal. Was dann passierte, war der Alptraum, den seit Einführung der sogenannten Null-Toleranz-Politik von Donald Trump Anfang Mai nach Recherchen der New York Times über 600 Erwachsene und mehr als 650 Kinder erleben mussten – und es werden von Tag zu Tag mehr:
    Esteban wurde von der US-Grenzpolizei aufgegriffen und umgehend inhaftiert. Sein Kind, eineinhalb Jahre alt, wurde ihm weggenommen. Man sagte ihm, es werde in eines der Unterkünfte des Gesundheitsministeriums gebracht. Später wurde Esteban abgeschoben – ohne zu wissen, wo sein Kind geblieben war. Erst mit Hilfe von Diplomaten gelang es ihm, seinen Sohn ausfindig zu machen und wieder nach Hause zu bringen.
    Trumps Vorgänger gingen humanere Wege
    Diese Praxis, illegale Einwanderer zu inhaftieren, sie von ihren Kindern zu trennen und die Kinder in einem der vielen Lager unterzubringen, ist geltendes Recht in den USA. Nur: Trumps Vorgänger hielten sich nicht daran und gingen humanere Wege. Anders nun der 45. Präsident. Er forderte Anfang Mai die US-Behörden auf, ab sofort knallhart durchzugreifen. Trump ließ Anfang Mai seinen Justizminister Jeff Sessions die neue Null-Toleranz-Politik vor der Kulisse eines Grenzzauns verkünden.
    "Wenn Sie Ihr Kind über die Grenze schmuggeln, werden sie strafrechtlich verfolgt. Und Ihr Kind wird von Ihnen getrennt, wie es das Gesetz vorsieht", sagte Jeff Sessions und fügte hinzu: "Es ist doch nicht unsere Schuld, wenn andere illegal über die Grenze kommen."
    Jüngsten Angaben zufolge ist die Zahl der Kinder, die in einem der vielen Lager untergebracht sind, seit Anfang Mai um 21 Prozent gestiegen – mittlerweile sitzen 10.773 Kinder in diesen Unterkünften ein. Die meisten von ihnen kamen als sogenannte "unbegleitete Minderjährige" über die Grenze in die USA. Nun kommen immer mehr Kinder hinzu, die ihren inhaftierten Eltern weggenommen wurden. Denn auch das ist Teil der neuen Null-Toleranz-Politik: Jeder, der illegal einwandert, gilt als Straftäter und wird inhaftiert. Ohne seine Kinder. Weil die Unterkünfte bereits zu 95 Prozent ausgelastet sind, wird bereits an die Kasernierung der Kinder in Militärbasen gedacht.
    Selbst Hartgesottene fordern die Abschaffung der Gesetze
    Bürgerrechtsgruppen nennen Trumps Abschreckungspolitik eine "unmenschliche Praxis", die an totalitäre Regime erinnere. Selbst hartgesottene Republikaner vom rechten Rand des Parteienspektrums wie Mark Meadows fordern die Abschaffung der einschlägigen Gesetze – dafür gäbe es überparteilichen Konsens, sagte er dem Fernsehsender CBS.
    Donald Trump hingegen geht in die Offensive: Via Twitter schob er den Demokraten nicht nur die Schlupflöcher in der Einwanderungspolitik in die Schuhe, wie er schrieb. In einem Roundtable-Gespräch zur Einwanderungspolitik warf er den Demokraten auch noch vor, sie hätten die einschlägige Gesetzgebung zu verantworten. Unterdessen gerieten Gesundheitsministerium und die Ministerin für Heimatschutz, Kirstjen Nielsen, unter Druck – sie konnten dem Kongress nichts über den Verbleib von 1.475 Kindern sagen, die in die Obhut von Pflegefamilien gegeben worden waren. Sei es aus mangelnder Verantwortung gegenüber Schutzbefohlenen oder aus bürokratischer Schlamperei bei der Suche nach den betroffenen Kindern: Die demokratische Senatorin Heidi Heitkamp aus North Dakota warf den Regierungsvertretern vor, die schlimmsten Pflegeeltern der Welt zu sein, wie sie sagte.
    Für Ana Navarro, eine Republikanerin und beliebte Mitstreiterin in CNN-Talkrunden, ist die unmenschliche Praxis der Null-Toleranz-Politik auf Kosten von Eltern und ihren Kindern nicht nur ein humanitärer Skandal, wie sie sagt, sondern auch ein politischer. Der Präsident versuche, aus seiner harten Einwanderungspolitik politisches Kapital bei seinen Anhängern zu schlagen.