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US-Forschungspolitik
Wissenschaft nach Trump

Donald Trump verstand sich als Gegner von Klima- und Umweltforschung. Gut belegte Fakten wurden ignoriert, Institute ihrer fachkundigen Leitung beraubt. Mit neuem Personal und ersten Weichenstellungen zeigt der neue US-Präsident, Joe Biden, welchen Stellenwert die Wissenschaft in Zukunft haben soll.

Von Volker Mrasek | 02.02.2021
US-Präsident Donald Trump von hinten vor einer US-Flagge
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat viel verbrannte Erde hinterlassen - nicht nur politisch sondern auch für die Wissenschaft (AP Photo/John Minchillo)
Joe Biden macht von Beginn an klar: Seine Politik wird sich an ganz anderen Maßstäben orientieren als die seines Vorgängers Donald Trump. Der folgte einer industriefreundlichen Agenda, hielt Klima- und Umweltschutz für hinderlich und ignorierte den Rat unabhängiger Wissenschaftler. Die neue Regierung in Washington wolle das grundlegend ändern, sagt Rachel Cleetus von der Union of Concerned Scientists, einer Interessenvertretung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den USA:
"Die Biden-Administration hat mehrere Schritte unternommen, die uns klar signalisieren. Sie will ihre Entscheidungen auf die Wissenschaft stützen. Das zeigt sich bereits in völlig anderen Konzepten, mit denen sie COVID-19 und den Klimawandel angeht. Es gibt auch eine neue Anordnung des Präsidenten für alle Regierungsstellen. Sie soll dafür sorgen, dass die wissenschaftliche Integrität dort wieder gestärkt und alle Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage getroffen werden. Das ist ein vielversprechender Anfang."

Keine Bohrlizenzen mehr auf Staatsgrund

Die neue Regierung will offenbar Umwelt- und Klimaschutz-Lockerungen der letzten vier Jahre auf breiter Front revidieren. Per Erlass stoppte Joe Biden sofort den Weiterbau einer schon lange umstrittenen Pipeline zum Import von Schieferöl aus Kanada; seine Gewinnung gilt als besonders klimaschädlich. Zeitgleich trat ein Moratorium in Kraft: Dadurch können ab sofort keine neuen Bohrlizenzen mehr auf Staatsgrund vergeben werden.
Eine Ölleitung verläuft über Permafrostboden in Alaska.
Erdöl-Bohrungen aber auch der Transport des Öls stören die arktische Flora und Fauna empfindlich (imago images/robertharding)
Biden ist es offenbar ernst mit dem Ausstieg aus der klimaschädlichen fossilen Energiegewinnung in den USA. Romany Webb überrascht das nicht, wie sie sagt. Die Juristin forscht an der Columbia University in New York, im Zentrum für Klimarecht:
"Er ist wirklich der erste Präsident, bei dem Klimaschutz ein wichtiger Bestandteil des Programms ist. Schon im Wahlkampf sprach er davon. Und jetzt, kaum im Amt, hat Biden ein ambitioniertes Ziel ausgegeben: Die Stromerzeugung in den USA soll bis 2035 emissionsfrei sein, also kein CO2 mehr ausstoßen. Das erfordert einen massiven Ausbau erneuerbarer Energieträger. Auch hier gibt es schon einen Erlass des Präsidenten: Das Innenministerium soll nach Möglichkeiten suchen, mehr staatliche Flächen für Windkraft- und Solaranlagen auszuweisen."

Ein Genforscher als Chefberater

Neu ist auch, wie Joe Biden Wissenschaft und Technik in der Politik verankert. Den Genforscher Eric Lander machte er nicht nur zu seinem Chefberater – er holt ihn auch mit an den Kabinettstisch, als Minister für Wissenschaft und Technologie. Ein wichtiges Novum gebe es auch im Stab des Weißen Hauses, wie Rachel Cleetus betont:
"Dort wurde ein Büro für nationale Klimapolitik eingerichtet. Es wird von Gina McCarthy geleitet. Unter Barack Obama war sie viele Jahre Chefin der staatlichen Umweltbehörde. Und auf internationaler Ebene wird der frühere Außenminister John Kerry zu Bidens Klimabeauftragtem. Gleichzeitig gehört er dem Nationalen Sicherheitsrat an. Auch das gab es noch nicht: eine solche Position im Sicherheitsrat."
John Kerry, US-Politiker und ehemaliger US-Außenminister
Der ehemalige US-Außenminister John Kerry wird Bidens Klimabeauftragter (dpa/Consolidated News Photos/Chip Somodevilla)
Bidens Vorgänger Donald Trump hat Naturschutzgebiete zu Gunsten von Kohle-, Gas- und Ölkonzernen beschnitten. Umweltstandards für Feuchtgebiete wurden gelockert und Gesetze zur Vermeidung von Methan-Emissionen durch die Energiewirtschaft stark abgeschwächt. Und das sind nur einige Beispiele.
Manche dieser Regelungen ließen sich nicht einfach durch einen präsidialen Erlass rückgängig machen, sagt Romany Webb:
"Die Trump-Administration hat einige Gesetze aus der Obama-Zeit erst in den letzten Regierungstagen revidiert. So etwas kann also sehr lange dauern. Außerdem geht es ja nicht nur darum, etwas zurückzudrehen, sondern auch neue, weiterreichende Schritte zu ergreifen. Das ist eine Aufgabe für die staatlichen Fachbehörden und wirklich eine Herausforderung für die Biden-Administration. Denn unter Donald Trump haben viele hundert Wissenschaftler die Regierungsbehörden verlassen, und nur wenige wurden ersetzt."

Widerstand vorprogrammiert

Vor dem neuen Präsidenten liegt auf jeden Fall ein steiniger Weg. Die USA umwelt- und klimapolitisch neuauszurichten, wird auf erbitterten Widerstand stoßen – bei den Ölkonzernen wie auch bei der Partei von Donald Trump.
Eines ist Joe Biden aber schon vom Start weg gelungen: Er hat das Image der USA in der Welt aufpoliert. Schon am ersten Tag im Weißen Haus kündigte er an, sein Land werde dem Pariser Klimaschutzvertrag wieder beitreten; Trump hatte ihn aufgekündigt. Anders als sein Vorgänger will Biden auch konstruktiv mit der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeiten.
Das sind doch ganz andere Töne als "America First".