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US-Haustiere mit Sonderrechten
Wenn Fiffi zum normalen Fluggast wird

Ein Mops als Sitznachbar im Flugzeug - nichts Ungewöhnliches in den USA. Einige Tiere genießen Sonderrechte, weil sie für ihre Besitzer eine wichtige Rolle spielen: Sie dienen der emotionalen Unterstützung. Doch an den "Emotional Support Animals" scheiden sich die Geister.

Von Anne-Katrin Eutin | 08.11.2018
    Ein Hund auf einem Sitz im Flugzeug
    Ein Hund im Flugzeug - in Japan ist das möglich und auch in den USA, wenn es sich um ein "emotional support animal" handelt (picture alliance/ AA)
    "Miau, miau." Hört sich nach einer ganz normalen Katze an? Oh nein! Das ist Tootsie, wohnhaft in Los Angeles und eine Katze mit besonderer Mission: Sie ist ein "Emotional Support Animal", ein "Haustier zur emotionalen Unterstützung" für ihre Besitzerin Ellen.
    Ellen ist eine offene, hübsche Mittzwanzigerin, die in der Werbebranche arbeitet. Sie wirkt eigentlich nicht so, als ob sie besondere emotionale Unterstützung bräuchte. Doch, sie sei schon manchmal ängstlich, meint Ellen auf meine Nachfrage - aber ein "Emotional Support Pet" habe inzwischen sowieso quasi jeder. Das gehe sehr leicht:
    "Ich habe online ein Formular ausgefüllt, dann hat mich ein Arzt angerufen und zu meinen Ängsten befragt und zu meiner Beziehung zu Tootsie. Dann habe ich per Post ein Formular mit seiner Unterschrift bekommen und einen Anhänger für ihr Halsband."
    750.000 Tiere als emotionaler Support registriert
    "Emotional Support Animals" brauchen auch keine spezielle Ausbildung wie etwa Blindenhunde. Jeder Tierbesitzer kann seinen Fiffi anmelden - und das tun immer mehr: In Kalifornien zum Beispiel hat sich die Zahl der Registrierungen in der letzten Dekade verzehnfacht. USA-weit sind mehr als 750.000 Tiere registriert. Tierbesitzer haben spitz bekommen, welche Vorteile ihnen das bringt. Ellen:
    "Wenn ich umziehe, kann Tootsie mitkommen, selbst, wenn in der neuen Wohnung Tiere verboten sind, weil ich sie für meine psychische Gesundheit brauche. Und ich finde es ziemlich cool, dass Tootsie jetzt ein Zertifikat hat, das sie nicht nur als normales Haustier, sondern als besonders wertvoll für die Familie auszeichnet."
    Außerdem darf Tootsie mit Ellen im Flugzeug mitfliegen - kostenlos und in der Kabine sogar! Immerhin wäre Tootsie in ihrer Transporttasche keine große Gefahr für ihre Mitmenschen. Die Allergiker mal ausgenommen.
    Truthahn, Ente und Eichhörnchen als Seelentröster?
    Bei "Emotional Support"-Hunden ist das anders - manche sind schlecht erzogen, bellen oder beißen sogar. In den vergangenen zwei Jahren haben sich solche Vorfälle in Flugzeugen fast verdoppelt. Viele Airlines sind deshalb strenger geworden, prüfen die Bescheinigungen gewissenhafter und behalten sich vor, verhaltensauffällige Hunde nicht mehr mitfliegen zu lassen.
    Außerdem dürfen viele Tierarten nicht mehr mit, denn auch da haben Tierbesitzer ihre Grenzen getestet. Im Internet kursieren Fotos von einem Truthahn im Flugzeug. Bei NPR berichtet ein Zuhörer von einer Ente namens Daniel, die von Ashville nach Charlotte flog und inzwischen eine Art Social Media-Star ist. Ein Pfau wiederum wurde kurz vor Abflug dann doch abgewiesen. Zu groß, zu schwer. Auch ein "Emotional Support" Eichhörnchen blieb zurück. Trotzdem hat zum Beispiel die US-amerikanische Fluglinie Delta im Sommer berichtet, dass bei ihnen jeden Tag rund 700 "Emotional Support Animals" mitfliegen.
    Missbrauch der Regel nicht ausgeschlossen
    Die Wirksamkeit von "Emotional Support Animals" ist wissenschaftlich sehr umstritten. Der Psychologe Hal Herzog sagte gegenüber NPR, es gebe zwar viele Studien über positive Effekte von Haustieren auf die menschliche Psyche, aber kaum zu "Emotional Support Animals" im Speziellen. Das liege aber auch an dieser schwammigen Kategorie. "Und ich denke, dass die Herausforderung gerade ist, dass die Politik klare Regeln definieren sollte, was genau wir als ‚Emotional Support Animal‘ definieren. Weil was wir beobachten, ist, dass Menschen die derzeitige Situation ausnutzen."