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US-Landwirtschaftsbranche
Argumente für Genmais, Chlorhähnchen und Co.

Die Europäer missbrauchen vorgeschobene Gesundheitsbedenken, um ihre eigenen Märkte zu schützen. Mit dieser provokanten These attackiert die US-Landwirtschaftsbranche die Gegenseite in der Diskussion um das geplante Freihandelsabkommen.

Von Rolf Büllmann | 14.02.2014
    Es geht um viel Geld bei den Verhandlungen über das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen oder: TTIP, wie es in den USA heißt. Es geht um sehr viel Geld, genauer gesagt um zweistellige Milliarden-Beträge alleine im Bereich Landwirtschaft, und die Amerikaner wollen ihren Anteil erhöhen. Der US-Bauernverband American Farm Bureau macht deswegen Druck:
    "Die EU hat Regeln aufgestellt, die die Einfuhr von Geflügel behindert, wegen der Art wie wir es mit Chemikalien reinigen, bei Schweinefleisch sieht es ganz ähnlich aus, und bei Rindfleisch ist es die Verwendung von Wachstumshormonen - und wir werden immer wieder sagen bei den Verhandlungen: Diese Regeln sind nicht wissenschaftlich begründet, hier geht es nur darum, Handelsbeschränkungen für uns durchzusetzen",
    sagt David Salmonsen vom American Farm Bureau, und wo er gerade in Fahrt ist, macht er gleich weiter bei den gentechnisch modifizierten Organismen. Die sind weit verbreitet in der US-Landwirtschaft - 90 Prozent des angebauten Soja und des angebauten Mais sind gentechnisch verändert, und diese Produkte finden natürlich Eingang in die Futtermittelindustrie. Dass in Europa deswegen die Alarmglocken schrillen, dass die Verbraucher deswegen skeptisch sind was US-Lebensmittel angeht, kann Salmonsen nicht verstehen.
    "Wenn man sich anschaut, was die angesehenen Wissenschaftler sagen, dann gibt es keine Gesundheitsbedenken. Es geht in Wirklichkeit um die Art, wie Landwirtschaft betrieben wird, und um ökologische Landwirtschaft, und viele andere Fragen - aber geht es um die Sicherheit der Menschen? Nein."
    Und das ist - ziemlich vereinfacht - die Position des amerikanische Landwirtschaftsverbandes: Wir brauchen mehr Marktzugang in Europa, und deswegen muss sich die andere Seite bewegen: Die Europäer missbrauchen vorgeschobene Gesundheitsbedenken, um ihre eigenen Märkte zu schützen. Und jetzt - so Salmonsen - ist es Zeit für Fortschritte. Andernfalls, so sagt David Salmonsen, gelte das alte Sprichwort: No Deal is better than a bad deal, besser kein Deal als ein schlechter Deal.
    "Der politische Prozess hierzulande ist so - dass wenn der Kongress sieht, dass die Landwirtschaft ein Abkommen nicht unterstützt, dann ist kaum vorstellbar, dass es so ein Abkommen gibt."
    Könnte also das gesamte TTIP-Abkommen daran scheitern, dass die amerikanische Agrarindustrie das Gefühl hat, bei Hormonfleisch und gentechnisch veränderten Lebensmitteln gibt es nicht genug Bewegung in ihre Richtung?
    "Tja, die wollen ein Glauben machen, dass der ganze Prozess damit infrage steht. Aber da stimme ich nicht überein",
    sagt Gary Haffbauer vom Wirtschafts-Forschungsinstitut "Peterson Institute". Die Landwirtschaft sein zwar wichtig für das Freihandelsabkommen, aber nicht SO wichtig. Denn:
    "Landwirtschaft ist nicht entscheidend für den Arbeitsmarkt in den USA - das macht vielleicht ein Prozent aus? Dienstleistungen zum Beispiel machen dagegen 14 Prozent der Beschäftigten aus."
    Und nachdem die US-Verhandler nicht nur für die Agrarbranche verhandeln, sondern für die gesamte US-Wirtschaft, verlieren die Maximalforderungen der amerikanischen Bauern etwas an Bedeutung. Haffbauer plädiert daher dafür, keine überzogenen Forderungen zu stellen:
    "Ich glaube, wenn die Landwirtschaftsverbände in den USA realistisch sind, dann wissen sie, dass es keine Lösung geben kann bei den gentechnisch veränderten Organismen. Die EU mag diese GMOs einfach nicht - und das wird sich nicht in Luft auflösen."
    Und ganz ähnlich sehe es aus bei Hormonfleisch: pretty modest, ziemlich bescheiden seien die Erwartungen da, sagt Haffbauer. Trotzdem stehe ohne Frage fest, dass es ganz ohne eine Liberalisierung des transatlantischen Agrarhandels kein Abkommen geben kann. Es müssten Fortschritte geschaffen werden in Bereichen, in denen Kompromisse durchaus möglich seien:
    "Tierfutter, Soja, Mais - hier muss es Bewegung geben. Auch bei hormonfreiem Rindfleisch, und Geflügel und Schwein. Hier gibt es die Erwartung, dass Europa seine Märkte mehr öffnet, auch bei Obst und Gemüse. "
    und die andere, die europäische Seite? Was könnte deren Erfolg sein am Ende der TTIP-Verhandlungen?
    "Ein großes Thema sind Herkunftsbezeichnungen - wie Champagner, oder Parmaschinken. Die Europäer haben hier sicher eine Liste mit 150 Produkten, die sie geschützt sehen möchten, bei den Amerikanern sind es vielleicht 25. Aber für die europäischen Hersteller dieser oft teuren Produkte ist das wichtig, weil sie keine Nachmacher-Produkte auf dem amerikanischen Markt wollen."
    ... das alles, so Gary Haffbauer vom Peterson Institute, seien Bereiche, in denen Fortschritte möglich und wünschenswert seien. Was gentechnisch veränderte Lebensmittel angeht, und Hormonfleisch, da werde man sich wohl darauf einigen müssen, dass man sich nicht einig ist, sagt er. Es würden wohl Verfahren festgeschrieben, die diese Themen weiter auf dem Tisch halten - eine endgültige Lösung werde aber noch Jahre und Jahrzehnte auf sich warten lassen.