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US-Militäreinsatz in Syrien
"Die Amerikaner müssen ihre Informationen auf den Tisch legen"

Als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz haben die US-Streitkräfte einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien angegriffen. Bisher liege aber kein Beweis dafür vor, dass der Giftgaseinsatz vom Assad-Regime ausgegangen sei, kritisierte der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter im DLF.

Roderich Kiesewetter im Gespräch mit Christoph Heinemann | 07.04.2017
    Roderich Kiesewetter (CDU)
    Roderich Kiesewetter (CDU) (dpa / picture-alliance / Stephanie Pilick)
    Christoph Heinemann: Roderich Kiesewetter (CDU) ist Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Ich habe ihn vor einer Stunde gefragt, ob ihn der Angriff überrascht habe.
    Roderich Kiesewetter: Ja. Es war eine Androhung, die aber sofort auch wahr gemacht wurde. Aber es war schon eine Überraschung, da haben Sie recht.
    Heinemann: Ist dies Ihrer Einschätzung nach der Auftakt eines längeren militärischen Eingreifens der USA in Syrien?
    Kiesewetter: Das scheint aus meiner Sicht nicht der Fall zu sein. Zunächst einmal ist es ja wohl so, dass er einen sehr begrenzten Luftschlag auf eine Militärbasis geführt hat. Aber ich möchte etwas anderes ansprechen. Ich denke, dass hier ein Militärschlag erfolgt ist ohne einen klaren Hinweis, dass es sich eben nicht bei dem Giftgas-Anschlag um ein IS-Vorgehen gehandelt hat. Es ist aus meiner Sicht noch nicht klar, dass die syrische Regierung hinter dem C-Waffen-Einsatz steht.
    "Wir wollen, dass der Einsatz gegen das Assad-Regime auf der Basis des Völkerrechts beruht"
    Heinemann: Das heißt, der Einsatz ist auch völkerrechtlich so nicht unbedingt gerechtfertigt?
    Kiesewetter: Zumindest ist er sehr früh. Offensichtlich haben die Amerikaner Erkenntnisse, die uns in Europa nicht vorliegen. Das muss aber ganz rasch aufgeklärt werden, wenn wir wollen, dass der Einsatz gegen das Assad-Regime auf der Basis des Völkerrechts beruht. Und wenn das nicht der Fall ist, stellt sich die USA auf die Seite von Russland, die ja das Völkerrecht permanent brechen, und das sollte nicht die abgestimmte Position des Westens sein.
    Heinemann: Rechnen Sie in der Sache mit einer Konfrontation zwischen Washington und Moskau?
    Kiesewetter: Das glaube ich nicht, denn Russland ist vergleichsweise hilflos, denn Russland hat mehrfach Assad bewegt, nicht gegen die eigene Zivilbevölkerung vorzugehen, und ist da wirkungslos gescheitert. Ich denke, dass wir weiterhin auf eine Verhandlungslösung setzen müssen. Das ist zwar mühsam und langwierig. Parallel zu der Verhandlungslösung muss versucht werden, an den Grenzen von Syrien, also von Libanon und Jordanien aus humanitäre Korridore zu schaffen.
    Mir wäre es viel lieber und hilfreicher, wenn auf diese Strategie gesetzt würde, humanitäre Korridore zu setzen, gleichwohl der US-Schlag sehr begrenzt war, und auch diese Militärbasis liegt ja weit ab von Siedlungen. Das scheint schon ein auch symbolhafter Einsatz zu sein. Dennoch: Solange nicht eindeutig erwiesen ist, dass die syrische Regierung dahinter steht, ist dieser Einsatz fragwürdig.
    "Wir dürfen uns nicht auf dasselbe Niveau wie Russland stellen"
    Heinemann: Herr Kiesewetter, nun haben die diplomatischen Mittel, die eingesetzt wurden, bisher nicht viel erreicht.
    Kiesewetter: Nun, zumindest hat man erreicht, dass alle Positionen am Tisch vertreten sind, also auch die syrische Opposition, auch Iran und Saudi-Arabien. Das ist alles diplomatisch in Ordnung. Der Punkt ist aber: Wenn der Westen sich mit engagiert, muss es auf völkerrechtlicher Grundlage beruhen. Wir dürfen uns nicht auf dasselbe Niveau wie Russland stellen. Das ist ganz entscheidend.
    Und die humanitäre Hilfe muss im Mittelpunkt stehen, das heißt eine Rückkehrperspektive für geflohene Syrer. Wenn nicht eindeutig klar ist, dass die syrische Regierung dahinter steht, hinter dem C-Waffen-Einsatz, dann ist der Einsatz fragwürdig. Sollten aber die Amerikaner Erkenntnisse haben, müssen die sehr rasch auf den Tisch. Dann wäre dieser Einsatz auch völkerrechtlich gerechtfertigt. Aber dieser Nachweis liegt nicht vor bisher.
    Heinemann: Herr Kiesewetter, wie in der Sache und im Ton sollte die Bundesregierung auf diese Luftschläge reagieren?
    Kiesewetter: Die Bundesregierung sollte rasch auf Aufklärung des C-Waffen-Einsatzes setzen. Die Amerikaner müssen ihre Informationen auf den Tisch legen. Und zweitens sollten wir weiterhin auf die Ablösung Assads setzen, also weniger die Bekämpfung des IS in den Mittelpunkt stellen, weil ein Großteil der Syrer in Assad das Problem sieht und eine Ablösung von Assad eine Übergangslösung erleichtert.
    Heinemann: Versucht Präsident Trump mit diesem Einsatz von der schwachen Bilanz seiner ersten elf Wochen im Amt abzulenken?
    Kiesewetter: Zumindest passt dieser Einsatz in die Adhocerie seines bisherigen Vorgehens. Das ist umso bedauerlicher, weil er sich nun außerhalb seines Landes engagiert mit Militärschlägen. Es muss regelbasiert sein und solange nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass der C-Waffen-Einsatz von der syrischen Regierung kommt, halte ich das, was jetzt gerade passiert ist, für eine unnötige Zuspitzung des Konflikts.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.