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US-Präsident auf der Hannover Messe
Besuch im Zeichen von TTIP

US-Präsident Obamas Besuch anlässlich der Hannover Messe wird aktuell kontrovers diskutiert. Grund dafür ist unter anderem das Freihandelsabkommten TTIP. Während Kritiker massive Nachteile für Verbraucher und Kultur befürchten, erwartet vor allem die Industrie viele Vorteile. Und das hat nicht nur mit jdem Wegfall der Zölle zu tun.

Von Agnes Bührig | 25.04.2016
    Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama besuchen den Stand von Los Angeles auf der Industriemesse in Hannover.
    Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama besuchen den Stand von Los Angeles auf der Industriemesse in Hannover. (picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte)
    Und dann konnte er endlich starten, der lange geplante und aufwendig vorbereitete Besuch von Präsident Obama. Sportlich federte der amerikanische Präsident aus der Air Force One, begrüßte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mit Handschlag und begab sich in einem scheinbar nicht enden wollenden Konvoi nach Herrenhausen, wo Hannovers Schloss mit prächtiger barocker Gartenanlage steht.
    "Ich nehme an, ich bin der erste US-Präsident, der Hannover besucht und hier Zeit verbringt. Die großartige Umgebung spiegelt die Geschichte und Schönheit dieser Stadt."
    Amerikanische Präsidenten sind bekannt für ihre Fähigkeiten aus dem Bereich Showbusiness. Doch die Demonstranten, die Obamas Besuch seit Tagen dafür nutzen, ihrem Unmut über das geplante Freihandelsabkommen TTIP Luft zu machen, lassen sich davon nicht beeindrucken.
    Zehntausende zogen am Samstag durch die Innenstadt um vor der Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards zu protestieren. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, blickt mit Sorge auf die Auswirkungen für die Kultur.
    Plakate der Demonstration gegen das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP und Ceta in Hannover.
    Demonstration in Hannover gegen die Freihandelsabkokmmen TTIP und CETA. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    "Das hört sich ja auf den ersten Blick unheimlich positiv an, wer will schon Handelshemmnisse, aber da muss man mal klar sagen: Was sind Handelshemmnisse? Handelshemmnisse sind zum Beispiel die Buchpreisbindung. Das schafft überhaupt, dass die Kleinen leben können, oder Handelshemmnisse sind die öffentliche Kulturfinanzierung. Wenn wir so großen Unternehmen - amerikanischen multinationalen Riesenunternehmen - gegenüber stehen, dann kann unsere sehr kleinteilige Kulturwirtschaft letztendlich nichts dagegen ausrichten."
    Herausforderungen in einer globalisierten Welt
    Doch es sind nicht die Nöte der Kulturwirtschaft, die dieser Tage im Fokus stehen. Bei einem Rundgang über die Hannover Messe, die größte Industriemesse der Welt, haben sich Barack Obama und Angela Merkel heute Vormittag über die Herausforderungen der Industrie in einer globalisierten Welt informiert. Mehr als 400 Unternehmen präsentiert das Partnerland USA. Sollte TTIP Wirklichkeit werden, würde sich der nordamerikanische Markt weiter öffnen, sagt Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.
    "TTIP ist für uns ein wirkliches Beschäftigungsprogramm des Mittelstandes. Wir haben nach wie vor in den USA mit Zöllen zu kämpfen. Sie sind nicht so hoch wie in anderen Ländern vielleicht, aber das Zollvolumen würde bei uns etwa eine Milliarde ausmachen.
    Fallen die Zölle weg, sind wir wettbewerbsfähiger. Und ein zweiter wichtiger Punkt, der insbesondere im Maschinenbau eine Rolle spielt, sind die nicht tarifären Handelshemmnisse, will sagen, es gibt hüben und drüben unterschiedliche Standards, die leider umfangreiche Anpassungen von Maschinen an den einen oder anderen Markt möglich machen ohne, dass das wirklich erforderlich wäre."
    Deutschland ist stark im Maschinenbau, die USA sind es bei der Digitalisierung. "Integrated Industry" lautet das Motto der Hannover Messe in diesem Jahr. Die Vernetzung von Maschinen und digitaler Steuerung steht im Mittelpunkt.
    Getrennte Welten zusammenbringen
    Am Stand des Softwareunternehmens SAP arbeiten zwei Roboterarme emsig an der Produktion eines Schrittzählers in der Größe eines Schlüsselanhängers. Im Inneren sitzt ein smarter Chip. Farbe und Text außen sind individuell wählbar. Statt unter drei können die Kunden heute oft unter einem Vielfachen an Produkten wählen. Das stellt die Industrie vor neue Herausforderungen.
    "Das sind – Stand heute – sehr, sehr oft noch getrennte Welten und die muss man besser zusammen bringen, die Automatisierungstechnologie mit der Business-IT, damit wir eben zu dieser Flexibilisierung und Individualisierung hinkommen und trotzdem Produkte im Grunde genommen zu Kosten einer Massenproduktion flexibel fertigen können", sagt Martina Weidner von SAP auch mit Blick auf den amerikanischen Markt und hofft, dass sich auch für ihr internationales Unternehmen aus Baden-Württemberg die amerikanischen Handelswelten weiter öffnen.
    Doch mit der Aussicht auf die US-Präsidentschaftswahlen und die Bundestagswahl im kommenden Jahr ist fraglich, ob in Sachen TTIP noch "Butter bei die Fische" kommt, wie Bernd Lange es formuliert. Der Norddeutsche ist Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments.
    "Entweder Obama gibt sich einen Ruck und das Go für ernsthafte Verhandlungen. Oder man muss eben ganz nüchtern sagen, es geht zur Zeit nicht, wir müssen mal sehen, wie die Kongresswahlen ausgehen, wie die Präsidentschaftswahlen ausgehen. Man kann das nicht übers Knie brechen."