Dienstag, 19. März 2024

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US-Präsidentschaftswahlkampf
TV-Duell ist "schlechte Unterhaltung gewesen"

Chaos, Unterbrechungen und Beleidigungen - beim ersten TV-Duell zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden gab es hitzige Wortgefechte. Das sei keine Debatte, sondern fast ein Duell gewesen, sagte Peter Beyer, der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, im Dlf.

Peter Beyer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 30.09.2020
Fernsehbildschirme, auf denen die erste Präsidentendebatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforder Joe Biden ausgestrahlt wird, sind am 29. September 2020 in der Walters Sports Bar in Washington, USA, zu sehen. Sarah Silbiger/Getty Images/AFP
US-Präsident Donalt Trump sei beim ersten TV-Duell sehr viel aggressiver und angriffslustiger gewesen als Joe Biden, sagte Peter Beyer (CDU), Koordinator der Bundesregierung für Transatlantische Zusammenarbeit, im Deutschlandfunk. (AFP / Getty Images / Sarah Silbiger)
Erstmals trafen im US-Präsidentschaftswahlkampf der amtierende Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden aufeinander: Es war das erste von insgesamt drei TV-Duellen. Fünf Wochen vor der Wahl kam es zu hitzigen Wortgefechten. Trump fiel seinem Herausforderer regelmäßig ins Wort und wurde von Moderator Wallace mehrfach zur Ordnung gerufen. Biden reagierte mit den Worten, Trump sei ein Clown und solle den Mund halten.
Beyer: Trump angriffslustiger als Biden
Trump sei sehr viel aggressiver und angriffslustiger gewesen, sagte Peter Beyer (CDU), Koordinator der Bundesregierung für Transatlantische Zusammenarbeit, im Deutschlandfunk. "Bei Biden hatte ich dann doch streckenweise den Eindruck, dass er sich zurückgehalten hat und schwer damit umgehen konnte, mit den doch ständigen Unterbrechungen und verbalen Attacken Donald Trumps.", sagte Beyer.
Vieles habe ihn nicht überrascht, aber es sei keine Debatte, sondern fast ein Duell gewesen. Beyer faste das Duell im Gespräch so zusammen: "Es ist schlechte Unterhaltung gewesen."
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 

Das Interview im Wortlaut:
Dirk-Oliver Heckmann: Herr Beyer, Sie haben sich auch für uns die TV-Debatte live zu nachtschlafender Zeit angeschaut. Wer hat aus Ihrer Sicht die bessere Figur gemacht, Donald Trump oder Joe Biden?
Peter Beyer: Das kommt natürlich immer auf die Perspektive des Betrachters an. Meine persönliche ist, sehr viel aggressiver, angriffslustiger war, ich hätte fast gesagt, natürlich Donald Trump, der amtierende Präsident. Joe Biden, hatte ich streckenweise dann doch den Eindruck, dass er sich zu sehr zurückgehalten hat und schwer damit umgehen konnte, mit diesen doch ständigen Unterbrechungen, verbalen Attacken Donald Trumps. Und der Moderator hatte es insgesamt mit beiden Streithähnen auch wirklich schwer gehabt.
Heckmann: Diese Aggressivität, war die noch im Rahmen des Bekannten, oder ging das darüber hinaus aus Ihrer Sicht?
Beyer: Insgesamt genommen fand ich vieles nicht überraschend. Bloß es war eigentlich diese Fernsehdebatte keine Debatte, es war tatsächlich eher ein Duell, wo ich fast gesagt hätte, es ist schlechte Unterhaltung gewesen.
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump während eines TV-Duells.
Die Kunst des Angriffs
Donald Trump gegen Joe Biden treffen im US-Wahlkampf zum ersten Fernsehduell aufeinander. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Debatten schon oft entscheidende Momente lieferten. Manchmal spielten nur Kleinigkeiten eine Rolle.
Heckmann: Was hat Sie überrascht?
Beyer: Ich sagte ja, mich hat relativ wenig überrascht, an Inhalten schon mal gar nicht. Mich hat vielleicht dann doch ein bisschen überrascht, dass es aus meiner subjektiven Perspektive doch jemanden gegeben hat, der klar dominiert hat, weil er sich so unpräsidentiell verhalten hat und fast vielleicht auch schon etwas unwürdig, wie man ihn auch schon kannte: Donald Trump, der Amtsinhaber. Ich dachte, er nimmt sich ein wenig zurück, aber von Minute eins an, als das erste Thema US Supreme Court losging, hat er draufgeschlagen und hat sich an die eigenen Regeln, zu denen ja seine Kampagne, zu denen er sich selbst ja konsentiert hat, eingestimmt hat, überhaupt nicht gehalten.
"Glaube nicht, dass Wechselwähler angesprochen wurden"
Heckmann: Könnte ihm das schaden bei den Wählerinnen und Wählern, bei den Zuhörern und Zuschauern?
Beyer: Das ist natürlich eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Ich hatte parallel, während ich heute Nacht dort die Debatte verfolgt hatte, mit Freunden sowohl in Kalifornien als auch in Washington per WhatsApp dann immer live diskutiert. Wir hatten teilweise unterschiedliche Einschätzungen gehabt, auch dazu, wer hat besser performt, wer hat besser geliefert. Ich glaube nicht, dass es Wechselwähler angesprochen hat, von beiden Seiten nicht, weder von Trump, noch von Joe Biden. Allenfalls denke ich, dass man die eigene Klientel angesprochen hat. Vielleicht hat dieses Chaotische, sich gegenseitig Behaken aber auch potenzielle Wähler eher verschreckt, überhaupt zur Wahl zu gehen. Das würde ich auch nicht ausschließen wollen.
"Beide müssen sehen, die eigene Klientel zu mobilisieren"
Heckmann: Und welche Folgen könnte das haben?
Beyer: Na ja. Sollte ich damit recht behalten, hieße das zunächst natürlich eine geringere Wahlbeteiligung. Wir müssen natürlich sehen, dass während wir hier schon sprechen schon eine gute Million Wähler ihre Stimme abgegeben haben – Stichwort Briefwahl. Das war ja auch ein Thema gewesen. Das ist jetzt natürlich viel zu früh zu bewerten und Spekulationen, welche Auswirkungen das hat. Beide müssen sehen, dass sie die eigene Klientel, wo sie ihre eigenen Wähler vermuten, mobilisieren. Das ist wichtig. Es gibt wohl relativ wenig Wechselwähler, die noch tatsächlich die Seiten wechseln wollen. Es gibt viele Unentschlossene. Wie gesagt: Hoffentlich lassen sich nicht zu viele davon abschrecken, von dem Schauspiel, was wir heute Nacht sehen mussten.
"In den ganzen Swing States wird es knapper"
Heckmann: Und es wird ein knappes Rennen, denn der Vorsprung, den Joe Biden hat in den Swing States, der ist knapp.
Beyer: Ja, er ist zum Teil geschwunden, wenn man in die einzelnen Staaten reinguckt. Vor kurzem hatte man in der Biden-Kampagne festgestellt, dass zum Beispiel Florida, ein ganz wichtiger Staat, weil er sehr viele Wahlleute in dieses Electoral College sendet, aber auch Arizona, dass man dort die Hispanics und die Latinos, die Exilkubaner schlicht vergessen hat. Bloomberg, der ehemalige potenzielle Kandidat, der sich beworben hat auf Seiten der Demokraten, pumpt sehr viele Millionen in Fernsehkampagnen, in TV-Spots jetzt rein, zur Unterstützung Bidens, um das noch zu kitten. Insgesamt in den entscheidenden Swing States, ich würde noch sagen Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, Arizona, Florida hatte ich schon genannt, wird es tatsächlich knapper. Die ganzen Umfragen, die wir beobachten, landesweit sind eh wenig aussagekräftig. Wichtig sind diese fünf, sechs Battle Ground States, wo es wirklich umkämpft ist. Auf die kommt es an. Natürlich ist es ein Nachteil, insbesondere für Joe Biden jetzt hier, weil er keine Wahlkampfveranstaltungen macht, im Gegensatz zu Donald Trump, der ein bisschen was dort macht, noch großartige saalfüllende, Arenen füllende Veranstaltungen zu machen, um Leute noch zu mobilisieren. Das wird jetzt auf die TV-Debatten ankommen. Wir haben heute die erste gesehen, zwei weitere wird es geben zwischen diesen Kandidaten, und dann gibt es ja noch eine zwischen den Vizepräsidenten-Kandidaten.
Steueraffäre von Donald Trump "könnte Auswirkung haben"
Heckmann: Herr Beyer, die New York Times hat ja vor wenigen Tagen die Steuerakte von Donald Trump veröffentlicht, die besagt, dass Trump so gut wie keine Bundessteuern gezahlt habe, angeblich jedenfalls, und dass er nicht Milliardär sei, sondern auf Millionen Dollar Schulden sitze. Trump spricht von Fake News, auch jetzt in der TV-Debatte noch mal. Denken Sie, dass das Einfluss auf die Wahl haben könnte, oder werden seine Anhänger nicht einfach sagen, wenn Trump keine Steuern zahlt, dann spricht das für seine Raffinesse?
Beyer: Mit seiner Geschicktheit von ihm und seiner Steuerberater hat ja Donald Trump in der Tat vorhin auch in der Debatte fast schon geprahlt. Wenn man doch diese Steuergesetze hat, dann sei er doch ein guter Unternehmer gewesen, wenn er das alles ausschöpfen würde. Er hat in der Tat gesagt, das sind alles Fake News, er habe Millionen von Steuern gezahlt, das stimme alles nicht. Ich glaube eher, dass das eher ihm zum Nachteil gereichen wird. Wenn Sie schauen, wer ihn ins Weiße Haus gebracht hat 2016 bei den Präsidentschaftswahlen, dann hat er ja gerade die Menschen im Industriegürtel, die einfachen weißen Arbeiter ohne hohen Bildungsstand mobilisiert, die ihn bewundert haben. Wenn sie jetzt sehen, er hat vielleicht sogar den Staat bei den Steuern betrogen, oder hat da getrickst, dann könnte das negativ ankommen. Sie könnten sich betrogen fühlen. Ich würde schon sagen, das kann eine Auswirkung haben.
Supreme Court: Trump "will seine Nachhut auch viele Jahren nach seinem potenziellen Ausscheiden noch sehen"
Heckmann: Allererstes Thema der TV-Debatte war ja die Nachbesetzung für den Obersten Gerichtshof. Trump will die ja noch vor den Wahlen durchsetzen und damit würden sich die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten der konservativen Richter ja verstärken. Muss man aber nicht, Herr Beyer, zugeben, die Demokraten würden es ganz genauso machen und haben es in der Vergangenheit so gemacht?
Beyer: Wir haben ja gesehen, kurz bevor Obama aus dem Amt schied, hatten wir eine ähnliche Situation mal gehabt. Es kommt natürlich immer darauf an, in welchem Sitz sitzt man gerade, ist man Amtsinhaber oder nicht. Die Diskussion geht ja im Moment dahin, dass man vielleicht sogar den Supreme Court bis auf 15 Richter erweitert. Das ist zumindest auf Seiten der Demokraten ein Vorschlag. Wir müssen jetzt mal sehen, wie sich das dort zusammenrüttelt. Ich gehe davon aus, nach der Nominierung, nach dem Vorschlag durch Donald Trump der als konservativ eingestuften Richterin Amy Coney Barrett, wie ist jetzt der Prozess dabei im Gange, werden Anhörungen stattfinden. Donald Trump will natürlich so schnell wie möglich das besetzen. Sollte er aus dem Amt scheiden und Joe Biden das Oval Office dann besetzen, möchte er einfach, dass er dann noch seine Nachhut viele Jahre nach seinem potenziellen Ausscheiden aus dem Amt dort auch sieht, dass er dort die Politik und das Leben in den USA auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt beeinflussen kann. Das ist natürlich jetzt etwas, was auch eine große Rolle spielt.
Amy Coney Barrett wurde von US-Präsident Donald Trump als Richterin für den Supreme Court nominiert. Hier spricht sie an einem Rednerpult der Universität von Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. 
Donald Trump hofft, dass der Supreme Court seine Wiederwahl sichert
Das Drängen der Republikaner auf eine schnelle Nachbesetzung des vakanten Richterpostens am Supreme Court könne zur Gefahr für die US-Demokratie werden, kommentierte Thilo Kößler im Dlf. Donald Trump spekuliere darauf, dass die konservative Mehrheit im höchsten Gericht ihm zur Wiederwahl verhilft.
Bei einem Wahlsieg von Biden "wird nicht auf einmal alles besser"
Heckmann: Gucken wir auf das transatlantische Verhältnis. Sie sind ja Koordinator der Bundesregierung, Herr Beyer. Sollte Biden die Wahl gewinnen, dann wären die Probleme zwischen den USA und Europa aber nicht beseitigt, oder? Worauf stellen Sie sich ein?
Beyer: In der Tat. Ich warne ja seit längerer Zeit davor, rosarote Brillen aufzuhaben und sich einer transatlantischen Nostalgie hinzugeben, zu sagen, früher war alles besser und wenn Joe Biden kommt, gibt es die ganzen transatlantischen Themen, die uns jetzt vor Herausforderungen stellen, nicht. An einigen Stellen mag das so sein. Das hat Joe Biden auch schon gesagt. Zum Beispiel Pariser Klimaschutzabkommen oder Weltgesundheitsorganisation und ein paar andere Dinge, da würde er wieder zurückgehen wollen und Dinge wieder zurechtrücken – Multilateralismus. Aber wenn wir sein Wirtschaftsprogramm beispielsweise anschauen, das was er auch in der Debatte wieder gesagt hat, "buy american", oder so was wie ein Wunsch nach einer transatlantischen Freihandelszone, die ich gut fände, weil es beiden Seiten etwas bringen würde, dann sagt Joe Biden ganz klar, wir schauen uns erst einmal an, ob es eine Wettbewerbsfähigkeit der USA gibt, und solange verhandeln wir mit keiner Nation dieser Erde über Freihandelsvereinbarungen. Das sind solche Themen wie Nord Stream zwei, das ist auch eher im US-Kongress angesiedelt, auf dem Hill, im Senat und im Repräsentantenhaus. Wir sehen eine ganze Palette, noch viel mehr als ich jetzt aufgezählt habe, von transatlantischen Themen. Die wird bleiben. Jeder soll sich keinen Illusionen hingeben, dass dann auf einmal alles besser wird. Aber sicherlich eins wird besser werden: das vor gegenseitigem Respekt getragene Miteinander über den Atlantik hinweg, eine deutlich bessere Kommunikation. Das, glaube ich, kann man schon gesichert sagen.
Heckmann: Das glauben Sie schon. – Wir haben nur noch eine Minute. Was ist, sollte Trump gewinnen? Gibt es dann noch eine kältere Eiszeit?
Beyer: Euphemistisch ausgedrückt würde ich sagen, die transatlantischen Beziehungen haben einige Veränderungen erfahren, denen wir uns jetzt stellen müssen. Das ist unsere Verantwortung. Ich habe natürlich ein transatlantisch schlagendes Herz und deswegen heißt das für uns doch hier in Deutschland und ich sage auch in Europa, wir müssen uns den transatlantischen Brückenpfeilern wieder verstärkt widmen. Ich glaube, es ist verstärkt unsere eigene Verantwortung, dieses transatlantische Werte- und Interessenbündnis zu festigen, so schwer das auch jetzt schon fällt und so schwer das unter einem Trump II auch werden würde.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.