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US-Spionage in Frankreich
Abhör-Vorwürfe belasten Beziehungen

Nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks hat der US-Geheimdienst NSA die letzten drei französischen Präsidenten abgehört. Frankreich reagiert empört, Premierminister Valls forderte von den USA, den entstandenen Schaden zu beheben. Die Opposition lieferte dafür ganz konkrete Vorschläge.

Von Ursula Welter | 24.06.2015
    Frankreichs Präsident Francois Hollande und US-Präsident Barack Obama.
    Frankreichs Präsident Francois Hollande und US-Präsident Barack Obama. (AFP / Jewel Samad)
    "Die Vereinigten Staaten haben gegen die Regeln des gegenseitigen Respektes verstoßen", sagte der Fraktionschef der Sozialisten, Bruno le Roux, am Nachmittag im Parlament. "Indem sie drei Präsidenten in Folge abgehört haben. Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy, Francois Hollande, abgehört vom US-Geheimdienst NSA".
    Von einem schweren Vertrauensbruch sprach Premierminister Manuel Valls anschließend und wiederholte, was der nationale Verteidigungsrat, einberufen vom Staatspräsidenten, zuvor formuliert hatte: "Inakzeptabel!"
    "Die USA müssen nicht nur anerkennen, welche Gefahr diese Praktiken für unsere Freiheit bedeuten, sondern schnell alles tun, um den entstanden Schaden zwischen den USA und Frankreich zu beheben."
    Diplomatischer Protest
    Ein Telefonat zwischen Elysee-Palast und Weißem Haus, die amerikanische Botschafterin beim französischen Außenminister als Zeichen des diplomatischen Protestes, und eine Delegation hochrangiger französischer Geheimdienstexperten auf dem Weg nach Washington, die sich davon überzeugen sollen, dass die Zusagen Obamas eingehalten werden. Demnach hat der Geheimdienst NSA Hollande nicht mehr im Visier und seine Praktiken gegenüber den Verbündeten geändert.
    Die Französische Republik sei da systematisch abgehört worden, sagt Edwy Plenel, dessen Internet-Plattform "Mediapart" gemeinsam mit der Zeitung "Libération" die Abhörprotokolle veröffentlicht hatte: Telefonate des konservativen Präsidenten Sarkozy mit seinem Außenminister über den Nahost-Konflikt, Gespräche des frisch gewählten Präsidenten Hollande 2012 mit seinem Premier Ayrault, die sich um einen drohenden Austritt Griechenlands aus der Eurozone drehen und um die deutsch-französischen Beziehungen. Außerdem die Telefonnummern zahlreicher Berater und Kabinettsmitglieder, die den US-Geheimdienst offenbar interessierten.
    Oppositionspolitiker fordern drastische Reaktion
    Aus dem Umfeld von Niclas Sarkozy hieß es, wie im Élysée-Palast, die Abhöraktionen seien "inakzeptabel", der Chef der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, forderte, die Verhandlungen über das Handelsabkommen mit den USA auszusetzen, und der Zentrumspolitiker Pozzo di Borgo schlug vor, den Teil der amerikanischen Botschaft in Paris zu zerstören, von dem aus die Abhöraktionen womöglich gelenkt wurden.
    "Ich bin sehr geschockt, wie schlapp die französische Führung reagiert", kritisierte der konservative Oppositionspolitik Laurent Wauquiez. Angela Merkel habe in der NSA-Affäre "kraftvoller" gehandelt.
    Washington lege es darauf an, Europa zu schwächen, sagte Gilbert Collard für den extremen Front National, dessen Partei von jeher den US-Einfluss auf dem alten Kontinent kritisiert. "Freunde, die an der Tür lauschen, sind keine Freunde", nutzte Collard deshalb heute die Gelegenheit.