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US-Sport-Gesetz
Kontrolle gegen Missstände

Mit einem neuen Reformgesetz geht der amerikanische Kongress gegen Fehlentwicklungen in den Verbänden unter dem Dach des Nationalen Olympischen und Paralympischen Komitees vor. Der Kollisionskurs mit dem IOC ist vorprogrammiert.

Von Jürgen Kalwa | 02.10.2020
Die US-Turnerin Simone Biles in Aktion bei den US-Turnmeisterschaften in Kansas City.
Die Initiative für das neue US-Gesetz zu Sport-Finanzen wurde durch den Missbrauch im Turnen ausgelöst. (dpa / picture alliance / Melissa J. Perenson)
Wenn sich amerikanische Politiker mit Missständen im Sport beschäftigen, haben sie keine Angst vor Konfrontation. Beispiel: 1999, als man Juan Antonio Samaranch im Zuge der Ermittlungen über den Bestechungsskandal rund um die Winterspiele von Salt Lake City vorlud. Der Abgeordnete Joe Barton forderte in einer Anhörung den damaligen IOC-Präsidenten ganz unverblümt zum Rücktritt auf.
Das jüngste Beispiel zeigt sich jetzt im Kongress. Es ist ein Reformgesetz, eingebracht von Senator Richard Blumenthal, das die Position von Sportlern im Verhältnis zum Nationalen Olympischen und Paralympischen Komitee stärken soll. Das Vorhaben nahm konkrete Formen an, als bekannt wurde, wie der Turnverband mit dem sexuellen Missbrauch von mehreren hundert jungen Athletinnen umging.
Trump muss noch unterzeichnen
Was der inzwischen zu langen Gefängnisstrafen verurteilte Mannschaftsarzt tat, wurde vom Verband verharmlost und verschleiert. Das NOK versagte in seiner Aufsichtsfunktion. Das neue Gesetz soll sicherstellen, dass Moral und die Interessen der Athleten Priorität hätten und nicht Medaillen und Geld, so Blumenthal.
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, posiert für ein Foto in Lausanne, Schweiz.
IOC-Präsident Thomas Bach (picture alliance / Kyodo)
Das Gesetz tritt in Kraft, sobald es von Präsident Trump unterzeichnet wird. Der Termin steht allerdings noch nicht fest. Die Maßnahme schafft erstmals konkrete Kontrollkompetenzen. Das Hauptaugenmerk: die Verteilung der Einnahmen soll zu Gunsten der Athleten geändert werden. Bisher wurden die Millionen hauptsächlich dazu verwendet, Gehälter von Funktionären zu finanzieren. Nur knapp zehn Prozent des gesamten Budgets landen bei den Aktiven.
US-Komitee begrüßt das Gesetz, IOC ist skeptisch
Während Sarah Hirshland, Geschäftsführerin des amerikanischen nationalen Olympischen und Paralympischen Komitees im August die Gesetzesinitiative begrüßte, betrachtet das IOC den Vorgang als ungebührliche Einmischung in innere Angelegenheiten. Gedroht wird mit Ausschluss, wie zuletzt im Fall Italien, wo über ein Gesetz beraten wird, das ähnliche Eingriffe in die Autonomie des NOK vorsieht.
Der Konflikt mit Washington ist also vorprogrammiert. Wie er ausgeht, ist nicht abzuschätzen. Die Vereinigten Staaten erhalten zwar einen erheblichen Anteil der Ausschüttungen des IOC. Das Land ist im Gegenzug jedoch Lausannes Hauptfinanzier. Allein die amerikanischen Fernsehgelder an das IOC belaufen sich pro Olympische Spiele auf mehr als eine Milliarde Dollar.