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US-Sport
Sport nach Gutsherrenart

Im US-amerikanischen Collegesport bezahlen Fernsehanstalten Milliarden, verdienen Trainer Millionen, doch die Sportler müssen sich mit Stipendien begnügen. Es ist die letzte große Bastion für die Idee von Amateursport, wie sie vor mehr als hundert Jahren entstand. Nun verlangen Studenten auf dem Rechtsweg ihren Anteil am Kuchen.

Von Jürgen Kalwa | 29.06.2014
    "This is as good as it gets, when it comes to college basketball."
    Das Spiel begeistert Millionen.
    "We said it so many times, survive and advance."
    College-Basketball. Ein Spektakel, das es so nur in den USA gibt. Live und als Computerspiel.
    "And after all that anticipation, we are under way."
    Ein Spiel, das von einem bestimmten Geist bewegt wird: Die Sportler im Alter zwischen 18 und 22 sind noch Amateure. Gut, aber nicht teuer. Denn sie spielen ausschließlich für die Ehre ihrer Universität. Universitäten, die jedes Jahr beste Aussichten auf den Titel haben wie Duke, North Carolina, Indiana, Kansas, Kentucky. Eine Ehre, die sich für die Besten auf unterschiedliche Weise auszahlen kann. Einige landen bei den Profis in der NBA. Andere nehmen wenigstens einen Ring mit nach Hause. So wie der Berliner Niels Giffey, der im April zum zweiten Mal mit der University of Connecticut Meister wurde.
    "Der ist riesig. Fast schon ein bisschen klobig. Silbern. Mit Swarowski-Steinen verziert. An den Seiten ist halt mein Name eingraviert."
    Einen solchen Ring hat auch Ed O'Bannon bekommen: 1995, als er mit dem Team der University of California den Titel gewann. Es folgte eine Profikarriere, die ihn nach einem kurzen Abstecher in der NBA auf eine Tingel-Tournee durch halb Europa führte, ehe er in die USA zurückkehrte und Autoverkäufer wurde.
    O'Bannon hatte einst so wie Giffey und so wie Millionen anderer Collegesportler pflichtschuldigst alle Vermarktungsrechte an seiner Person an die Hochschule abgetreten. Doch vor einiger Zeit stellte er überrascht fest, dass er auch noch Jahre nach seiner Studienzeit als Figur in einem offiziell lizensierten Videospiel vertreten war. Und das, obwohl er nie um Erlaubnis gefragt worden war. Von Tantiemen gar nicht zu reden. Er verklagte deshalb den Dachverband des universitären Sportbetriebs – die National Collegiate Athletic Association mit Sitz in Indianapolis – und erklärte vor Beginn des Prozesses noch einmal, um was es geht.
    "Basketballspieler und Footballspieler sorgen dafür, dass die Colleges eine Menge Geld einnehmen. Davon sollten sie wenigstens einen gewissen Teil abbekommen."
    Was schwieriger ist, als es klingt. Denn tatsächlich erhalten die jungen Talente durchaus etwas. Nämlich Stipendien, die die teuren Studiengebühren und die Unterbringung in einem Studentenwohnheim abdecken. Und sie bekommen die Möglichkeit, einen Abschluss in einem Studienfach ihrer Wahl zu machen. Das entspricht dieser Tage einem Gegenwert von rund 60.000 Dollar im Jahr. Aber wer keine wohlhabenden Eltern hat, spürt schnell, was das bedeutet. Der Berliner Football-Profi Björn Werner hatte während seiner Studienzeit weder das Geld, um nach Hause zu fliegen, noch hatten es seine Eltern, um ihn am College in Florida zu besuchen. Es dauerte drei Jahre, bis er endlich die Möglichkeit hatte.
    "Das war halt wirklich Zeit. Drei Jahre lang deine Eltern nicht zu sehen, das ist schon wirklich hart. Deswegen musste ich zurück. Auch wenn es nur für vier oder fünf Tage gewesen ist. Und es war sehr anstrengend."
    Diese Erfahrung steht im krassen Missverhältnis zu der Einnahmesituation. Jede der Top-Unis verdient mit Sport zig Millionen Dollar. Und die Trainer dieser Studenten tun es auch. Bei fünf, sechs Millionen, sogar sieben Millionen Dollar liegen die Gehälter. Sie gelten als Halbgötter, die mit riesigen Betreuerstäben unterwegs sind, die natürlich ebenfalls gut dotiert werden. Nicht zu reden von den exzellenten Sportanlagen, zu denen Footballstadien mit einem Fassungsvermögen von bis zu 100.000 Zuschauern gehören. Finanziert auf dem Rücken der Sportler, wie O'Bannons Anwalt Michael Hausfeld vor Beginn des Prozesses sagte:
    "Die NCAA ist ein Unternehmen, das zusammen mit ihren Mitgliedseinrichtungen die Athleten ausbeutet und ihnen etwas wegnimmt, was eigentlich ihnen gehört."
    Scheinheilig nannte Hausfeld die Argumentation, die dafür sorgt, dass diejenigen, die für die Milliarden-Lizenzeinnahmen verantwortlich sind, in die Röhre schauen.
    Schon im März, als zum ersten Mal an der Northwestern University außerhalb von Chicago Footballspieler eine spezielle Studenten-Gewerkschaft gründeten, signalisierte die College-Sportaufsicht denn auch, dass sie dem Druck ein kleines bisschen nachgeben will. Den Plan beschrieb ihr Chef Mark Emmert im amerikanischen Fernsehsender CBS:
    "Wir reden darüber, die Stipendiums-Summen so anzuheben, dass sie sie wahren Lebenshaltungskosten widerspiegeln."
    Kleine Zugeständnisse aus dem Mund eines Mannes, der selbst 1,7 Millionen Dollar pro Jahr verdient. Eine ganze andere Lösung, etwa Erträge aus der Vermarktung treuhänderisch zu verwalten, bis die Sportler ihr Studium abgeschlossen haben, kommt für ihn nicht in Frage. Eine Sturheit, die Richterin Claudia Wilken bei der Beweisaufnahme verwundert zur Kenntnis nahm. Weshalb viele damit rechnen, dass sie dem Sport nach Gutsherrenart mit ihrem Urteil ein Ende bereiten wird.