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US-Unabhängigkeitstag
Einbürgerung mit Pathos

Am Unabhängigkeitstag zelebrieren die US-Bürger ihren Nationalstolz. Gerade am 4. Juli werden in den USA traditionell viele Einbürgerungszeremonien gefeiert. Ein Tag für große Gefühle und große Worte - trotz unterschiedlicher Meinungen der neuen US-Bürger zu Trumps Migrationspolitik.

Von Philipp May | 05.07.2019
Eine Person hält eine kleine US-Flagge im Schoß.
Am Unabhängigkeitstag werden in den USA traditionell viele Menschen eingebürgert. (dpa / picture alliance / Andrew Gombert)
Da stehen sie. 51 Menschen aus allen Teilen der Welt: Bangladesch, China, Ghana, Honduras. Jetzt sind sie alle Amerikaner. Offiziell eingebürgert am 4. Juli auf Mount Vernon, dem Landsitz des Staatsgründers George Washington.
Sie fächern sich Luft zu in der schwülen Mittagshitze Virginias. Schweiß oder Tränen, bei einigen weiß man es nicht so genau. Zum Beispiel Rebecca.
"Ich zittere immer noch", sagt sie direkt nach der Zeremonie: "Alles ist wie ein Traum. Ich bin jetzt eine US-Bürgerin. Ich warte noch darauf, dass mich jemand weckt und sagt: 'aufwachen'."
Vor über zehn Jahren kam die Enddreißigerin aus Südafrika in die Vereinigten Staaten, heute arbeitet sie selbst als Krankenschwester. Das erste, was sie jetzt machen will? Sich als Wählerin registrieren zu lassen. Denn sie will den Wandel.
Große Gefühle, große Worte
Der Grund: Die harte Einwanderungspolitik von US-Präsident Trump. Bei dem Gedanken an die katastrophalen Zustände in den US-Auffanglagern an der mexikanischen Grenze, breche ihr das Herz, sagt Rebecca:
"Ich weiß, mein Wahlzettel wird meine Stimme sein. Ich hoffe, dass alle wählen gehen für den Wechsel hin zu mehr Humanität. Wir sind doch alle Menschen. Wenn wir hier wählen, dann wählen wir doch nicht nur für Amerika, sondern dafür, dass die ganze Welt ein besserer Ort ist. Dass ich das jetzt tun kann, ist das beste Gefühl der Welt."
Große Gefühle, große Worte. Hier auf dem Landsitz George Washingtons reichen Marschmusik und die US-Staatsbürger-Urkunde für das Gefühl von Greatness. Panzer und Kampfjets, die Stunden später nur 30 Kilometer nördlich bei Trumps Militärshow über Washington donnern, braucht es nicht.
"Wir heißen Euch willkommen, Ihr seid unsere Zukunft", sagt Mark Kirkorian, Immigrationsforscher und einer der Festredner: "Wir wollen nur, dass ihr Amerika liebt, ehrt, schützt und pflegt."
Und dann wird gemeinsam der Treue-Eid geschworen, auf die USA.
Sehr viel Pathos, hart am Kitsch, aber man kann seine Neu-Staatsbürger kaum wärmer, mit offeneren Armen willkommen heißen, als es die Amerikaner machen. Und dann die Menge. Allein an diesem 4. Juli, dem Nationalfeiertag bekommen rund 7.500 Menschen landesweit ihre Einbürgerungsurkunde verliehen – in unterschiedlichsten Zeremonien, nicht immer so exklusiv wie in hier in Mount Vernon, aber immer feierlich, wie Douglas Bradburn, Direktor des George Washington Anwesens versichert.
Allein 2018 waren es insgesamt eine dreiviertel Million Neubürger, heißt: Jedes Jahr werden so viel Menschen Amerikaner, wie in Frankfurt am Main leben – ganz legal, absolut gewollt.
Ein warmer Applaus für die neuen US-Bürger. Unter den Gratulanten ist auch Judith Mandrgoc.
"Meine Familie kommt aus Deutschland, ich besuche sie noch jedes Jahr", sagt die Rentnerin, die als Zuschauerin an diesem 4. Juli nach Mount Vernon gekommen ist und erklärt dann: Einwanderung sei eben das, was Amerika ausmache.
"Als meine Vorfahren damals in die USA kamen, hatten sie nichts, haben auch von der Regierung nichts erbeten, und kamen dennoch voran. Sie haben einfach hart gearbeitet und hatten viele Kinder und haben für alle gesorgt. Das ist unser Familienstolz, Wir sind nicht reich, aber wir haben es immer geschafft, dass es der nächsten Generation besser ging. Sie waren dankbar für ihre deutschen Wurzeln, aber sind absolute Amerikaner geworden."
Überfüllte Auffanglager und feierliche Einbürgerungsspektakel
Man fragt sich, wie das alles zusammenpasst. Einerseits: Das feierliche Einbürgerungsspektakel am Unabhängigkeitstag auf dem Anwesen von George Washington. Andererseits: Die Bilder von lateinamerikanischen Migranten an, eingepfercht in US-Auffanglagern, die gerade in Dauerschleife über die Nachrichtenkanäle flimmern.
Eine Antwort kommt von Mari. Sie kommt ursprünglich aus Peru, auch sie gerade eingebürgert und ebenso gerührt wie Rebecca aus Südafrika.
Sie sei legal in die USA gekommen, betont sie. Ihr Vater, der hier schon lange arbeite, habe sie hierher geholt. Fünf Jahre habe sie alles dafür getan, alle Auflagen zu erfüllen für den Einbürgerungstest zu lernen, für ihre Staatsbürgerschaft, ihr Projekt, wie sie es nennt.
Und auch sie wird wählen gehen.
Gut möglich, dass sie Trump wählt, sagt Mari. Sie habe jedenfalls kein Problem mit dem Präsidenten.
Und die Situation der Migranten an der Grenze? Das sei schon schlimm sagt sie, aber sie könne nicht verstehen, warum die kommen. Man muss eben die Regeln respektieren.
"Man kann hier nicht als Illegaler bleiben, ich mag die Illegalen nicht", sagt Mari, geboren in Peru und seit neuestem: US-Bürgerin.