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US-Waffengesetz
"Amerikanische Politiker sind kleine politische Unternehmer"

Die Republikaner seien am Ende diejenigen, die eine Verschärfung der Waffengesetze in den USA verhinderten, sagte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger im DLF. Sie seien vor allem damit beschäftigt, ihr Amt zu behalten und Geld von der Waffenlobby zu bekommen.

Thomas Jäger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 05.01.2016
    Ein Revolver der Marke Colt
    Ein Revolver der Marke Colt (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Thomas Jäger, er ist Politikwissenschaftler an der Universität Köln. Schönen guten Tag, Herr Jäger!
    Thomas Jäger: Ich grüße Sie, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Jäger, die Zahl der Menschen, die durch privaten Schusswaffengebrauch oder Amokläufe ums Leben kommen, ist exorbitant in den USA. Eine Einschränkung der Waffenverkäufe wäre also dringend angezeigt, zumindest aus europäischer Perspektive. Weshalb aber hängen die Amerikaner eigentlich so sehr an ihren Waffen?
    Jäger: Da gibt es eine große Lobbygruppe, die es schafft, in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Menschen davon zu überzeugen, dass Waffenbesitz eine Form persönlicher Freiheit ist. Jedes Mal, wenn eine Massenschießerei erfolgt und in Europa man sich den Kopf schüttelnd fragt, warum wird das nicht verboten, dieser Waffenbesitz, lautet bei vielen Amerikanern die Antwort, das einzige, was einen schlechten Menschen mit einer Waffe aufhalten kann, ist ein guter Mensch mit einer Waffe, und deshalb gibt es da eine große Unterstützung, allerdings eine sinkende Unterstützung inzwischen, für die Freiheit, Waffen zu besitzen.
    "In den letzten 40 Jahren ist doch die Zahl der waffenbesitzenden Haushalte relativ gesunken"
    Heckmann: Aber ist es denn wirklich nur diese starke Waffenlobby, die da eine Rolle spielt oder liegt es nicht auch an einem völligen Selbstverständnis, den viele Amerikaner jedenfalls haben?
    Jäger: Ja, wobei das inzwischen abnimmt, also anders als man denkt, nimmt zwar die Zahl der Waffen in den Vereinigten Staaten erheblich zu, aber in den letzten 40 Jahren ist doch die Zahl der waffenbesitzenden Haushalte relativ gesunken. Jetzt sind es noch etwa ein Drittel der Haushalte. Das ist etwas ungleich verteilt, in Städten ein bisschen weniger als auf dem Land, und konstant sind eigentlich in den letzten drei, vier Jahren etwa drei Viertel der Menschen dafür, den Handel mit Waffen zumindest zu reglementieren. Hier hat sich eine deutliche Verschiebung angedeutet. Für diejenigen, die allerdings auf der Freiheit bestehen, Waffen zu besitzen, ist das eine ganz wichtige Frage, und das ist ja bei politischen Themen immer das zweite, nicht nur, was denken die Menschen, sondern wie wichtig ist das für sie, wie wichtig ist das für ihre Wahlentscheidung und dafür, dass sie sich engagieren. Das spielt bei denjenigen, die Waffen tragen, dann doch eine ganz große Rolle.
    Heckmann: Was denken die Menschen ist wichtig, sagen Sie, das ist die eine Seite. Die Waffenlobby ist allerdings auch stark und mächtig im Hinblick auf die politischen Strukturen, die ja in den USA herrschen, also in den Kongress hinein. Weshalb ist das eigentlich so, woran liegt das?
    Jäger: Das hat zum einen einen ganz schlichten Grund: Amerikanische Politiker sind, anders als bei uns, kleine politische Unternehmer. Die verbringen einen Großteil ihres Tages damit, Geld zu sammeln und abzuwehren, dass sie in ihren Wahlkreisen von noch konservativeren Kandidaten angegriffen werden und möglicherweise ihr Amt verlieren. Wir sprechen hier vor allem über die Republikaner. Das sind diejenigen, die die Verschärfung von Waffengesetzen am Ende verhindern. Das ist etwas, was die einzelnen Abgeordneten machen, um ihr Mandat zu behalten, nämlich Geld zu bekommen von der Waffenlobby und zweitens eben nicht in den Fokus derer zu geraten, die dann möglicherweise einen konservativen Herausforderer im eigenen Wahlkreis finanzieren.
    Heckmann: Jetzt will Obama also die Waffengesetze ohne Beteiligung des Kongresses verschärfen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Verschärfungen dann vor Gericht scheitern oder bald wieder zurückgenommen werden?
    Jäger: Es gab ja vor einiger Zeit seine Anordnung, etwa fünf Millionen illegale Immigranten nicht zurückzuführen, das steht momentan vor Gericht, und deshalb ist er da sehr gewarnt, und man kann davon ausgehen, dass er in dieser Hinsicht nur das gemacht hat, was wirklich in seinem rechtlichen Rahmen ist, dass das eben nicht vor Gericht scheitert. Er weiß, dass das letztlich am Ende dort landet. Wenn man sich betrachtet, was hier angedacht ist, dann ist das ja auch nicht sehr viel. Worum geht es: Es geht darum, dass man kontrollieren möchte, wer Waffen an wen verkauft und dass man zweitens ein Register führen möchte über verschollene Waffen oder Waffen, die irgendwie beim Transport abhandengekommen sind und anderes. Das hält sich nur sehr im Rahmen, und die ersten Reaktionen zeigen, dass zwar diejenigen ganz laut brüllen, die momentan im Wahlkampf sind, dass aber die Lobbyorganisationen eigentlich erleichtert aufatmen, dass es nicht schlimmer kommt.
    Heckmann: Herr Jäger, wir blicken in diesen Tagen natürlich auch intensiv in den Raum Nahen Osten, Saudi-Arabien - in Deutschland, da wird ja intensiv darüber nachgedacht, die Waffenexporte noch weiter einzuschränken als es ohnehin schon der Fall war nach den Massenhinrichtungen und den entsprechenden Folgen dort im Nahen Osten. Die USA sind ja der größte Exporteur von Waffen in die Region - gibt es ähnliche Diskussionen, ähnliche Überlegungen in den USA auch?
    Jäger: Die gibt es auf der linken Seite in den Vereinigten Staaten ständig, aber das ist jetzt nichts, was mit den Ereignissen der letzten Tage neu groß entflammt ist oder die Mitte der politischen Debatte erreichen würde. Auch hier ist es so, dass die Frage, mit wem ist man verbündet in der Region, wen unterstützt man in der Region, die politischen Lager geteilt hat, insofern als die Republikaner die Iranpolitik des amerikanischen Präsidenten scharf kritisiert haben. Sie hielten das für einen falschen Weg, sie hielten das für einen Weg, der Iran letztlich in die Lage versetzt, eine starke Macht dort zu werden, und das wollen sie verhindern. Insofern gibt es ganz im Gegenteil hier eine Reihe von Diskussionen, was kann man machen, um zu verhindern, dass der Iran stärker wird.
    Heckmann: Und zwar?
    Jäger: Und das heißt Saudi-Arabien unterstützen. Saudi-Arabien hat ja die USA - fast düpierend den Krieg im Jemen ausgeweitet, da war man überhaupt nicht glücklich drüber, aber selbst solche Aktionen haben nicht dazu geführt, dass die amerikanische Regierung hier in irgendeiner Weise zu Strafmaßnahmen gegriffen hat oder auch nur daran gedacht hat, Saudi-Arabien als einen engen Verbündeten fallen zu lassen. Das ist ein schwieriges Verhältnis schon die ganzen Jahre gewesen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt in einer Situation, die so hochvolatil ist, die amerikanische Regierung das Verhältnis zu Saudi-Arabien noch weiter anspannen wird.
    Jäger: Kongress hat sich bislang bei der Schließung von Guantanamo quer gestellt
    Heckmann: Herr Jäger, 2016, in diesem Jahr, endet also die Amtszeit Barack Obamas, und ihm sitzt noch ein anderes Versprechen im Nacken, neben dem Versprechen, den Waffenverkauf zu reglementieren, nämlich die Schließung von Guantanamo. Auch hier scheiterte er ja bekanntlich am Kongress. Was wird er hier noch erreichen können?
    Jäger: Er wird nicht viel erreichen können. Er hat ja jetzt noch ein Jahr Zeit in etwa, das umzusetzen, und das wird ihm aller Voraussicht nach nicht gelingen. Das liegt an zwei Gründen: Der erste Grund ist, dass der Kongress immer dann, wenn der Präsident versucht hat, das Lager zu schließen, die Gefangenen auf das Festland zu verlegen, schlicht und ergreifend die Gelder nicht bewilligt hat, und selbst der Versuch, ein eigenes Gefängnis in Illinois zu erwerben und dort die Gefangenen zu konzentrieren, am Ende gescheitert ist. Das ist das eine. Die andere Möglichkeit der Auflösung wäre ja, die Gefangenen freizulassen, und es werden ja immer wieder Gefangene freigelassen. Das hat nun allerdings der Präsident nicht zu entscheiden, sondern das entscheidet der Verteidigungsminister, und da gab es ja mit dem vorletzten Verteidigungsminister schon erhebliche Spannungen, weil dieser aus Sicht der amerikanischen Regierung zu wenig Gefangene freigelassen hat. Ashton Carter, der jetzige, lässt noch weniger frei. Das ist etwas, was dem Präsidenten sozusagen selbst den Weg versperrt, über das, was seine Regierung selbst in der Hand hat, das Lager aufzulösen.
    Heckmann: Professor Thomas Jäger war das, Politikwissenschaftler an der Universität Köln. Herr Jäger, ich danke Ihnen für Ihre Zeit!
    Jäger: Sehr herzlichen Dank, Herr Heckmann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.