Donnerstag, 18. April 2024

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US-Wahlen und Wirtschaft
Trump überzeugt ökonomisch nicht

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, kritisiert die wirtschaftspolitischen Ideen des Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, Donald Trump. Er sagte im DLF, Trump wolle den Zustrom an Fachkräften unterbinden - und das bedrohe etwa die Region Kalifornien.

Michael Hüther im Gespräch mit Sandra Schulz | 08.11.2016
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. (imago / Jürgen Heinrich)
    Hüther bezog sich dabei auf die in Kalifornien angesiedelten Software-Unternehmen. Zudem würden Trumps Pläne zu einem riesigen Anstieg der Verschuldung führen.
    Hüther, der momentan eine Gastprofessur an der kalifornischen Stanford University innehat, hält bei einem möglichen Wahlsieg Clintons weitere Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP für möglich. Clinton habe sich zwar eigentlich nicht zum Freihandel bekannt, "ich glaube aber, dass sie sich in diese Rolle hineindenken kann". Bei einem Sieg Trumps habe TTIP dagegen eindeutig keine Chance mehr.

    Das Interview in voller Länge:

    Sandra Schulz: In den kommenden Minuten soll es um die Wirtschaft gehen. An der US-Küste in Kalifornien, da haben wir Michael Hüther erreicht, der Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln. Er hat vor einigen Wochen seine Gastprofessur an der Stanford University angetreten und ist uns jetzt zugeschaltet. Guten Morgen!
    Michael Hüther: Schönen guten Morgen nach Deutschland, Frau Schulz.
    Schulz: Wie ist die Stimmung bei Ihnen an der Uni? Sind da viele nervös?
    Hüther: Ja, in der Tat. Nachdem die FBI-Untersuchungen neu angesetzt wurden, ist hier richtig die Nervosität gestiegen. Kalifornien ist ja kein Staat, in dem Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl gemacht wird. Das ist hier fest für die Demokraten eingebucht. Gerade hier im Silicon Valley setzt natürlich alles mit ganz wenigen Ausnahmen darauf, dass das auch funktioniert.
    Aber da ist große Unsicherheit eingetreten und man hört mitunter auch den Begriff in der Fakultät von einer Verfassungskrise, denn dieses Land funktioniert ja eigentlich nur, wenn die beiden großen Parteien irgendwie auf einem gemeinsamen Boden stehen. Das ist seit 20 Jahren im Grunde immer weniger der Fall. Der ist erodiert und damit ist auch, egal wie es ausgeht, danach nicht zu erwarten, dass es wirklich viel schöner oder besser wird.
    "Es ist kein ökonomisch in irgendeiner Weise überzeugender Ausblick."
    Schulz: Was steht wirtschaftlich auf dem Spiel?
    Hüther: Nun, wirtschaftlich ist die USA, wenn man das aus der deutschen Sicht nimmt, von größter Bedeutung. Es ist nicht mehr wie lange Frankreich Export-Zielland Nummer eins, sondern seit dem letzten Jahr die USA. Auch wenn seit Februar die Zuwachsraten für die Exporte wieder leicht rückläufig sind gegenüber dem Vorjahr, ist das für uns ein ganz wichtiges Land, mit dem wir zusammenarbeiten. Das hat einmal zu tun mit dem hier stattfindenden Prozess einer Reindustrialisierung.
    Wir haben die Ausstattungsmerkmale, die Maschinen, die hier benötigt werden, und wir lernen natürlich und das ist hier im Silicon Valley einfach greifbar mit vielen deutschen Delegationen, auch den vielen deutschen Unternehmen, die hier sind, die digitale Transformation, von der wir alle wissen, das ist das, was uns noch gewaltige Veränderungen bringen wird, und hier ist man einfach vorne, hier ist man wirklich bei dieser Technologie ganz weit vorne und da will man natürlich auch, dass das offen und in einer transparenten Form global letztlich nutzbar wird.
    Schulz: Jetzt gilt Donald Trump ja unter anderem auch wirtschaftlich als Risikofaktor. Woran liegt es? Hat der Mann nicht eigentlich bewiesen, dass er was versteht vom Geschäft?
    Hüther: Ja gut, da gibt es sehr unterschiedliche Deutungen, ob er wirklich davon was versteht und wie er da wirklich gehandelt hat. Aber er ist nicht in den Wirtschaftskreisen in irgendeiner Weise akzeptiert. Die Wall Street, das ist das andere Kraftzentrum, New York, der Großraum der amerikanischen Volkswirtschaft, die hat er ja zum Abschuss freigegeben. Für diese Region hat er auch nicht wirklich Bezug. Und man muss sehen: Dieser Staat Kalifornien lebt ja auch davon, dass hier Menschen zuwandern.
    Das was er zum Thema Zuwanderung gesagt hat heißt im Grunde, er will, wenn er das wirklich umsetzen sollte oder umsetzen kann, diesen Zustrom an Fachkräften jedweder Art unterbinden. Diese Region boomt so, dass sie darauf angewiesen ist und nicht nur selbst mit den Menschen zurechtkommt, die sie hier hat. Das ist eine Bedrohung und diese Region setzt auf globale Märkte und es ist sozusagen genau das Gegenteil von dem, was Trump zu all seinen wirtschaftlichen Themen vorgetragen hat, was für sich krude ist, was hinzugenommen dann noch Riesen-Verschuldungsanstiege bedeutet. Das ist ja auch hier von amerikanischen Instituten eindeutig berechnet worden. Es ist kein ökonomisch in irgendeiner Weise überzeugender Ausblick.
    "Die Mitte der USA ist das eigentliche ökonomische Problem"
    Schulz: Jetzt ist Kalifornien natürlich und das Silicon Valley eine ganz spezielle Region in den USA. Viel versprechen sich die Arbeitnehmer ja in ganz anderen Regionen, in ganz anderen Bundesstaaten von einem Kandidaten, von einem möglichen nächsten Präsidenten Trump, der stark auf Abschottung setzt, der Jobs schaffen will. Ist das in den Regionen, in anderen Regionen nicht möglicherweise realistisch?
    Hüther: Nun, die Botschaft kommt dort anders an und es ist ja selbst hier in Kalifornien so. Wenn Sie von den Hauptrouten abseits etwas fahren, treffen Sie landwirtschaftliche Einrichtungen, bei denen man den Eindruck hat, die sind seit Eisenhowers Zeiten nicht mehr frisch gestrichen worden. Und wenn Sie die ökonomische Struktur der USA sich vor Augen führen, dann haben Sie das starke Silicon Valley, die sieben Millionen Menschen hier sorgen dafür, dass alle anderen 750 Dollar mehr BIP pro Kopf statistisch haben.
    Die 18 Millionen im Großraum New York sorgen dafür, dass noch mal 1300 Dollar hinzukommen. Dann haben Sie noch Texas mit Öl, der Rest ist sehr flach. Und die Analysen zeigen, die Industrie ist dort sehr vereinsamt unterwegs. Das heißt, das wird in jedem Fall ein schwieriger Job, dort Reindustrialisierungsprozesse in der Breite zu organisieren, die auch wettbewerbsfähige Produkte erbringen. Die Mitte der USA ist das eigentliche ökonomische Problem. Dieses Land ist regional auseinandergefallen, das ist die eigentliche Botschaft, und das hat auch dramatisch in den letzten Jahren zugenommen.
    "Die Revitalisierung von Regionen ist hier ein außerordentlich schwieriger Job"
    Schulz: Welche Ideen hätte Hillary Clinton da?
    Hüther: Ja gut, das sind die durchaus bekannten Ideen. Das ist eine etwas vielleicht offenere Haltung zum Freihandel. Ich glaube nicht, dass sie sich am Ende gegen die Tradition ihres Mannes stellen wird, der ja damals auch gar nicht wirklich erwartet die Uruguay-Runde zum Abschluss gebracht hat, die Welthandelsorganisation. Die Demokraten waren ja früher keine Freihandelspartei. Ich glaube, dass sie am Ende doch hier darauf setzen wird. Die Reindustrialisierung, Revitalisierung von Regionen ist hier ein außerordentlich schwieriger Job, ich hatte es eben angedeutet.
    Die haben einfach so viel verloren, das hat auch in der Tat mit dem globalen Handel zu tun. Das ist ja nicht für jeden einzelnen ein Gewinn. Und da greift sie natürlich auch stärker mit den klassischen interventionistischen Instrumenten, mit eher sozialen Abfederungsinstrumenten, die erstaunlicherweise, wenn man sich das vor Ort anhört bei den Leuten, die von der Abschottung, von der Abkopplung nach unten betroffen sind, gar nicht so ankommen. Auch das ist nicht im Augenblick der große Hebel, der diese Spaltung der USA, die ökonomisch hier so greifbar ist, wirklich irgendwie kurieren kann, zumindest nicht in kurzer Zeit.
    Schulz: Sie sprechen den Freihandel an. Es dreht sich natürlich nach wie vor vieles auch um das umstrittene Abkommen TTIP. Welche Rolle spielt der Wahlausgang da? Wenn Trump gewählt wird, dann ist TTIP sofort beerdigt, und wenn Clinton gewählt wird, dann wird TTIP einen langsamen Tod sterben?
    Hüther: Ich kann mir vorstellen, wenn Clinton die Wahl gewinnt - gehen wir mal von der Haupthypothese aus -, dass das wirklich, wie ich eben angedeutet habe, so ähnlich läuft, wie das auch unter ihrem Mann gelaufen ist. Auch er hat sich damals im Wahlkampf 92 nicht wirklich zum Freihandel bekannt. Das ist nichts, was bei den Demokraten groß ankommt. Und er hat es dann doch gemacht. Die Dinge waren auf dem Tisch, das war weitgehend verhandelt unter der Bush-Administration, er hat es zum Erfolg gebracht und hat damit auch ein gemeinsames Ergebnis durchaus auch mit seinem Vorgänger dann vorstellen können.
    Insofern glaube ich schon, dass sie sich hier auch in diese Rolle hineindenken kann. Sie hat natürlich diese Sanders-Truppe, die sich als demokratische Sozialisten verstehen und die sehr kritisch sind, aber am Ende liegt es natürlich nicht nur an den USA, sondern auch an Europa. Sollte man eine ähnliche Qualität hinkriegen wie bei dem CETA-Abkommen, das ist alles nicht aus der Welt, dann kann das auch gelingen. Ich werde hier nicht von einem schleichenden Tod sprechen, sondern das hat dann noch mal eine Chance. Bei Trump eindeutig hat es keine Chance mehr, da muss man auf nichts Vernünftiges setzen.
    Schulz: Aus dem kalifornischen Stanford war das heute Morgen der Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, im Moment als Gastprofessor an der Stanford University. Ganz herzlichen Dank Ihnen für die Einschätzungen.
    Hüther: Sehr gerne. Alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.