Freitag, 19. April 2024

Archiv


US-Wirtschaft in Schieflage

Durch die Terroranschläge und den Börsencrash vor vier Jahren rutschte die US-amerikanische Wirtschaft in eine Schieflage, von der sie sich nur augenscheinlich erholt hat. Die Geldpolitik der Notenbank sorgte zwischenzeitlich für neue Zuversicht - doch vor allem die Steuerpolitik der Regierung hat die Schräglage tatsächlich verschlimmert.

Von Gerhard Schröder | 10.04.2005
    Salsamusik scheppert aus dem Radio, die hydraulischen Greifarme pfeifen und scheppern. Ein Laufband befördert Orchideen zu einer Sprenkelanlage. Dort werden sie mit Wasser versorgt.

    Die Orchideenzucht von Kerry Herndon ist hochgradig mechanisiert, das mindert die Personalkosten. Die Belegschaft hat er in den vergangenen Jahren halbiert, gleichzeitig aber die Kapazität verdoppelt. Die Geschäfte laufen ziemlich gut, sagt er:

    "Wenn Sie in diesen Größenordnungen produzieren, kommt es auf jeden Cent an, auf Sekunden, die sie einsparen müssen."

    Eine Lehre, die er 1992 verinnerlichte. Da fegte Hurrikan Andrew über Florida hinweg und zerstörte die Blumenfarm binnen vier Stunden vollständig. Herndon fing noch einmal an, mit einem Berg von Schulden, und wäre daran fast gescheitert. Er krempelte den Betrieb komplett um, drückte die Kosten, wo es nur ging. Einen Arbeitsschritt verlagerte er nach Thailand: Dort pflanzen billige Arbeitskräfte die Samen ein, dann werden die Keimlinge in die USA exportiert:

    "Was muss man machen, um effizienter zu werden? Man muss die Arbeitskosten reduzieren. Solange wir so extrem effizient sind, und uns ständig verbessern – weil das tun unsere Konkurrenten auch – können wir den Markt kontrollieren."

    Kerry Herndon ist diesem Credo konsequent gefolgt, und hat es so zum größten Orchideenzüchter in den USA gebracht. Selbst die Rezession vor vier Jahren, der wirtschaftliche Einbruch nach den Terroranschlägen und die Unsicherheiten nach dem Irak-Krieg überstand er mühelos. Auch jetzt sind die Auftragsbücher gut gefüllt, die Gewinne sprudeln kräftig.

    Eigentlich hat Kerry Herndon derzeit nur ein Problem: Wie kann er das Tempo weiter beschleunigen, wie kann er noch schneller wachsen? Kerry Herndon:

    "Wir haben in den vergangenen drei Jahren unsere Kapazitäten verdoppelt. Das ist eine ziemlich starke Expansion. Ees hängt jetzt davon ab, ob wir zusätzliche Firmen dazu kaufen können, um schneller zu wachsen. Ich weiß nicht, wie viele wirklich gute Unternehmen zum Verkauf stehen. Ich weiß aber: Wenn wir sie übernehmen und unser System einführen, dann wird das ein großer Erfolg."

    Der Blumenzüchter Kerry Herndon profitiert von der ungebremsten Nachfrage im Land. Die Zuversicht der Amerikaner in ihre eigene Zukunft ist hoch, deshalb sparen sie wenig und konsumieren viel. So viel, dass inländische Anbieter wie Kerry Herndon gar nicht dazu kommen, sich auch um die ausländischen Märkte zu kümmern. Dabei wäre die Gelegenheit günstig:

    "Wir hätten jetzt gute Chancen, wo der Euro so stark ist und der Dollar so schwach, aber wir können derzeit nicht einmal die Nachfrage im Inland vollständig bedienen. Da können wir unseren Kunden nicht sagen, dass sie warten müssen, weil wir jetzt nach Europa exportieren."

    Die Kauflust der Amerikaner – sie hat nicht nur Kerry Herndons Blumenpark zum Blühen gebracht. Sie sorgt dafür, dass die amerikanische Wirtschaft nach der Rezession vor vier Jahren wieder mächtig unter Dampf steht. Im vergangenen Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 4,4 Prozent. Im laufenden Jahr werden es immer noch deutlich über drei Prozent sein – Wachstumsraten, von denen die großen Volkswirtschaften in Europa nur träumen können. Daniel Griswold von der neoliberalen Denkfabrik Cato:

    "Wir haben die Schwächephase überwunden. Der Aufschwung ist richtig in Fahrt gekommen. Die Unternehmen schaffen neue Jobs. Die Industrieproduktion wächst. Die amerikanische Wirtschaft hat ein beachtliches Wachstumstempo eingeschlagen. Und ich glaube, es wird so weiter gehen."

    Das starke Wachstum macht sich inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Nach Jahren des Stellenabbaus schafft die amerikanische Wirtschaft wieder neue Stellen, in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es beinahe 500 000. Die Arbeitslosenquote ist auf derzeit 5,4 Prozent gesunken.

    "Wir haben eine fundamentale Stärke in der amerikanischen Wirtschaft. Wir haben flexible und effiziente heimische Märkte, der Finanzmarkt funktioniert, die Arbeiter sind gut ausgebildet, die Geldpolitik ist gut. Wir haben viele positive Dinge. "

    Die Geldpolitik der Notenbank war nach Meinung vieler Ökonomen der Schlüssel für die Belebung der Wirtschaft nach Terroranschlägen und Börsencrash vor vier Jahren, als das Land in eine tiefe Rezession rutschte. Notenbank-Chef Alan Greenspan riss das Steuer herum und drückte die Leitzinsen binnen weniger Monate um knapp fünf Prozentpunkte nach unten – bis sie bei einem Prozent angelangt waren - historischer Tiefstand.

    Diese dramatische Wende blieb nicht ohne Wirkung. Die niedrigen Zinsen machten das Geld billig, Kredite waren günstig wie nie zuvor – und das sorgte für neue Zuversicht bei Unternehmern und Verbrauchern. Die Investitionen stiegen im vergangenen Jahr um 13 Prozent, und der Konsum, der allein für zwei Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht, um knapp vier Prozent.

    Auch die Regierung half der Wirtschaft wieder auf die Beine, durch massive Ausgabensteigerungen und kräftige Steuersenkungen. Christopher Swenk vom Industrieverband NAM:

    "Die Steuersenkungen waren ein wichtiger Faktor. Sie haben der Industrie sehr geholfen. Die Unternehmen hatten mehr Geld übrig, um zu investieren und Jobs zu schaffen. Es gibt zwar auch Sorgen über das Haushalts-Defizit. Aber wir denken, dass die Politik der Regierung insgesamt sehr hilfreich war."

    Ein Handlungsfaden wie aus dem Lehrbuch des Keynsianismus. Die lockere Geldpolitik der Notenbank, die Steuersenkungen der Regierung, zudem kriegsbedingt massive Ausgabenprogramme – das alles hat viel Geld in die Wirtschaft gepumpt. Und das trug maßgeblich dazu bei, dass die Konjunktur in den USA die Tahlsohle so schnell durchschritten hat.

    Das zeigt sich zum Beispiel im kalifornischen San Diego, dem größten Grenzübergang der Welt. Tausende von Mexikanern strömen täglich durch die Schlagbäume zur Arbeit. Billige Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft dringend gebraucht werden. Aber auch die vor vier Jahren entzauberte Technologiebranche hat wieder Tritt gefasst. Es wird viel investiert, was sich auch auf dem Immobilienmarkt bemerkbar macht: Die Wohnungspreise sind in letzter Zeit dramatisch in die Höhe geschossen. Keith Walker, Gründer der Biotech-Firma Cibus:

    "San Diego hat viel zu bieten für jeden, der auf dem Markt ein Unternehmen aufbauen will. Es gibt hier viele talentierte Fachkräfte und ein gutes Umfeld für Unternehmer. Das ist sehr wichtig."
    Ganz anders die Lage in Cleveland, Ohio. Im März ist der Eri-See an den Rändern noch zugefroren, der Hafen, Clevelands Tor zur Welt, liegt noch in tiefem Schlaf, nur ein Gabelstapler stört die Idylle: Er schafft ein paar Rollen rostigen Draht aus Spanien beiseite, die offenbar im letzten Jahr liegen geblieben sind.

    Cleveland zählt zum so genannten "Rostgürtel" im Nordosten der USA an der kanadischen Grenze. Hier schlug einst das industrielle Herz des Landes, hier sorgten Kohle und Stahl dafür, dass die Menschen Arbeit hatten. Doch das ist lange her, Cleveland ist heute eine der ärmsten Städte in den USA. Ein Stahlwerk hat überlebt, doch nach der Insolvenz vor vier Jahren sind von einst 8000 Jobs nur noch 1400 übrig geblieben.
    David Jen, Geschäftsführer der Handelskammer von Cleveland:

    "Die Lage ist sehr kritisch, die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Familien haben nicht genug zum Leben. Das Bildungssystem ist schlecht. Wir erleben eine echte Krise. Das ist ein großes Problem für die Stadt, ein sehr schmerzhafter Prozess für die Wirtschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier in der Region eine wirtschaftiche Belebung bekommen, eine Wende."

    Präsident Bush versuchte die angeschlagene Stahlbranche zwischenzeitlich durch Importzölle vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen – ohne nachhaltigen Erfolg, das räumt auch David Yen ein. Der Strukturwandel in Cleveland sei längst nicht abgeschlossen, meint er. Noch immer verlagern viele Unternehmen ihre Produktion ins billigere Ausland, vor allem nach China.

    Hu Huang präsentiert stolz das Vorzeigemodell von Kichler Lighting, einen vier Meter hoher Kronleuchter mit über 70 Lampen. In Cleveland entworfen, in China produziert.

    Bis Ende der 90er Jahre hat Kichler noch in Cleveland produziert, doch die Löhne waren zu hoch. Die Jobs wurden nach Mexiko verlagert, in die Grenzstadt El Paso. Als dort Steuer- und Zollvergünstigungen gestrichen wurden, machte Kichler die Fabrik kurzerhand dicht. Und zog weiter nach China.

    "In China bekommen die Arbeiter 80 bis 100 Dollar im Monat. Wenn man das mit dem amerikanischen Löhnen vergleicht: Hier verdient an Arbeiter an zwei Tagen soviel wie ein chinesischer Arbeiter in einem Monat. Und dann kommen noch Urlaubsvergütung, soziale Absicherung dazu. In China ist es ganz simpel: Es sind 80 Dollar im Monat. Und das wars. "

    Ungefähr 15 000 Beschäftigte arbeiten in der Lampenproduktion von Kitcheler in China, aber so ganz genau weiß das auch Hu Huang nicht. Von der Verlagerung profitiert ihrer Meinung nach aber auch der Standort Cleveland: 500 Jobs am Stammsitz werden durch die Auslagerung gesichert. Hier sitzen Verwaltung und Vertrieb, und hier arbeiten auch die Designer, die die Lampen entwerfen.

    Auch David Yen hält diese Form der Verlagerung für unausweichlich:

    "Der Trend ist in keiner Weise gestoppt. Die Unternehmen verlagern weiter Jobs ins Ausland. Sie müssen im globalen Wettbewerb mithalten können. Sie müssen wettbewerbsfähig sein. Und das heißt: Sie müssen ihre Kosten drücken. Und da ist es doch besser, wenn unsere Unternehmen nach China gehen, und dadurch überleben, statt dass sie ganz vom Markt verschwinden. Denn das wäre die Konsequenz: dass sie untergehen."

    Auch Daniel Griswold vom Cato-Institut hält Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer für nichts Verwerfliches. Und für kein sonderlich großes Problem. Die amerikanische Wirtschaft sei stark genug, um ausreichend neue Jobs zu schaffen.

    So mancher Ökonom fragt sich allerdings: Wie lange noch? Die Wachstumslokomotive USA hat Mühe, das Tempo zu halten.

    Da sind zum Beispiel die hohen Ölpreise, die die Teuerungsrate in die Höhe schrauben. "Die Inflation ist zurück auf dem Radarschirm der Notenbank" – titelte Mitte März das Wirtschaftsmagazin Business Week. Hintergrund war die Reaktion von Notenbank-Chef Alan Greenspan nach der jüngsten Erhöhung der Leitzinsen: In ungewohnt offenen Worten hatte der oberste Währungshüter vor einem weiteren Anstieg der Preise gewarnt.

    Dabei hat die Notenbank die Zinszügel seit dem vergangenen Sommer schon deutlich angezogen, Greenspan schraubte die Leitsätze um knapp zwei Prozentpunkte nach oben – ohne allerdings die gewünschte Wirkung zu erzeugen. Die Inflationsrate hat sich binnen Jahresfrist auf drei Prozent verdoppelt. Und die hohen Ölpreise lassen befürchten, dass dies noch nicht das Ende ist.

    Deshalb stellte Greenspan in Aussicht, dass er noch kräftiger auf die Bremse treten werde. Mit derzeit 2,75 Prozent sind die Zinssätze im historischen Vergleich zwar noch relativ niedrig. Die Ökonomen rätseln gleichwohl, ob die Interventionen das Wachstum nicht doch spürbar dämpfen werden.

    Joseph Stiglitz, der Wirtschaftsnobelpreisträger, ist da skeptischer. Warum sollten Zinssenkungen wirksam sein, Erhöhungen aber nicht, fragt Stieglitz verwundert:

    "In den letzten drei Jahren stellten fallende Zinsen den Wachstumsmotor dar, da die Haushalte mehr Schulden aufnahmen und einen Teil ihrer Ersparnisse für den Konsum verwendeten. Die FED hofft, dass das nicht umgekehrt funktioniert – also höhere Zinsen den Verbrauch nicht dämpfen. Die US-Haushalte sind heute aber viel höher verschuldet als vor vier Jahren, wodurch sich die negativen Auswirkungen steigender Zinssätze verstärken."

    Im Klartext: Die Konjunktur könnte empfindlich gebremst werden. Dass davon bislang wenig zu spüren ist, ist kaum beruhigend: Zinsänderungen wirken in der Regel mit einer Verzögerung von neun bis zwölf Monaten.

    Verschärft werden die Risiken durch die hohen Defizite in Haushalt und Außenhandel. Von ihnen geht die vielleicht größte Gefahr aus, nicht nur für die USA, sondern für die Weltwirtschaft insgesamt.

    Die Staatsfinanzen hat Bush durch die Steuersenkungen und die höheren Staatsausgaben in eine dramatische Schieflage gebracht. Im Haushalt für 2004 klaffte ein Loch von über 400 Milliarden Dollar, für das laufende Jahr schließen Experten ein neues Rekorddefizit von über 500 Milliarden nicht aus. Daniel Griswold vom Cato-Institut:

    "Das ist der Schatten, der auf der amerikanischen Wirtschaft liegt: Bush hat die Ausgaben erhöht wie kein anderer Präsident vor ihm. Das ist eine große Belastung. Es beschädigt das Vertrauen in die Wirtschaft, es hemmt die Investitionen. Die 400 Milliarden Dollar, die der Staat jährlich an Krediten aufnimmt, stehen nicht für Investitionen in Fabriken und Maschinen bereit. Die staatlichen Ausgaben entziehen dem Markt Ressourcen."

    Der Ökonom Joseph Stiglitz hält die Finanz- und Steuerpolitik der Regierung noch aus einem anderen Grund für problematisch. Die Entlastungen seien in erster Linie den Wohlhabenden zu Gute gekommen. Bush habe die die Kluft zwischen arm und reich vergrößert:

    "Bushs Steuersenkungen kamen allein den Reichen zu Gute. Die Folgen sind eine weiter steigende Ungleichheit und ein Staatshaushalt, der statt Überschüssen ein Defizit von rund fünf Prozent der Wirtschaftsleistung aufweist. Dies wird ihn die nächsten zehn, fünfzehn Jahre noch schwer belasten."

    Bush hat zwar angekündigt, die Löcher im Haushalt in den kommenden Jahren halbieren zu wollen. Wie er das schaffen will, ist aber unklar. Gegen geplante Kürzungen im Gesundheitswesen regte sich zuletzt auch in der eigenen Partei Widerstand. So sehen Experten wie der Citigroup-Ökonom Stanley Fischer nur eine Lösung, um die Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen: Steuererhöhungen. Bush aber plant genau das Gegenteil: Er will die Steuern in den nächsten Jahren weiter senken.

    Auch Alan Greenspan sieht die Löcher im Budget mit Sorge. Die Finanzpolitik sei nicht nachhaltig, steigende Defizite hätten steigende Zinsen zur Folge. Und das könne zu wirtschaftlicher Stagnation oder Schlimmerem führen, warnte Greenspan Mitte März im Kongress.

    Verschärft wird die Lage durch das hohe Defizit im Außenhandel. Seit Jahren führen die USA mehr Waren ein als sie in das Ausland liefern. Im vergangenen Jahr wuchs die Lücke auf über 650 Milliarden Dollar, ein neuer Rekord.

    Im Klartext heißt das: Die USA leben auf Pump, sie geben mehr aus, als sie verdienen. Das heißt, sie sind auf Kapital aus dem Ausland angewiesen. Das aber macht die Wirtschaft sehr verletzlich, warnt Joseph Stiglitz:

    "Das reichste Land der Welt leiht sich zwei Milliarden Dollar pro Tag. Das trägt zum schwachen Dollar und zu weltweiter Unsicherheit bei. Wird diese Politik fortgesetzt, werden die Zinsen unweigerlich steigen, die Wirtschaft und der Dollar immer schwächer werden. Es könnte innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einer riesigen Finanzkrise kommen."

    Im Februar reagierten die Devisenmärkte ziemlich nervös, als Südkorea ankündigte, einen Teil seiner Dollarreserven gegen Euro-Bestände eintauschen zu wollen. Verlieren die internationalen Anleger das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft? Droht ein Verfall des Dollar?

    Das renommierte amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek widmete dieser Frage Ende März eine Titelgeschichte. Und beschreibt darin eine mögliche Kettenreaktion: Das Handelsbilanzdefizit setzt den Dollar weiter unter Druck, ausländische Investoren fürchten um ihr Vermögen und verkaufen Aktien und Anleihen, der Dollar-Verfall verschärft sich. Das heizt die Inflation an, die Zinsen steigen, die Verbraucher können ihre Kredite nicht zurückzahlen, der Konsum geht zurück, die Nachfrage sinkt. Ergebnis: Die Wirtschaft rutscht in die Rezession.

    Wie wahrscheinlich ist eine solche Kettenreaktion? Der libertäre Markttheoretiker Daniel Griswold vom Cato-Institut zuckt die Achseln. Turbulenzen seien schon möglich, entscheidend sei aber, wie man ihnen begegne:

    "Unser fundamentales Problem ist nicht das Handelsdefizit. Sicher, es kann nicht ewig so weiter gehen. Die Frage ist aber, wie die Anpassung vollzogen wird. Ich weiß nicht, wie sich Investoren verhalten werden. Ich weiß nur, dass bestimmte Rahmenbedingungen sich als überlegen erwiesen haben in der Vergangenheit: Freie und offene Märkte, flexible Arbeitsmärkte, eine inflationshemmende Geldpolitik, eine wohlstandsfördernde Steuerpolitik. Und wenn die US-Regierung diese Politik weiter verfolgt und verbessert, dann werden die Investoren auf lange Sicht auch Vertrauen haben."

    Eine sanfte Anpassung sähe – laut Theorie - so aus: Der Dollar-Kurs sinkt, dadurch verbilligen sich die amerikanischen Exporte, die Importe dagegen verteuern sich. Die Folge: die US-Ausfuhren steigen, die Importe sinken, das Defizit wird kleiner.

    Tatsächlich hat sich der Dollar in den vergangenen Jahren gegenüber dem Euro bereits um 40 Prozent verbilligt, ohne dass die Handelsbilanz das Gleichgewicht gefunden hätte. Was nicht nur an den USA liegt. Sondern auch an China, das die eigene Währung niedrig hält, um die eigenen Exporte zu fördern. Und an Europa. Weil hier die Wirtschaft nicht in Schwung kommt, bleibt auch die Nachfrage nach amerikanischen Waren gering. Dennoch gebe es keinen Grund zur Sorge, meint Armin Krüger, der Vizepräsident der deutsch-amerikanischen Handelskammer:

    "Schätze Lage weiterhin positiv ein, auch wenn es Risikofaktoren gibt, Stichwort: Haushalt und Handelsbilanzdefizit. Konsumstimmung ungebrochen, Optimismus ungebrochen. Es gibt keine Krisenstimmung. Selbst wenn es hier zu Rückgang kommen wird – der Immobilienmarkt gilt als überhitzt, könnte zu Rückschlagen kommen. Dennoch sind aussichten außerordentlich positiv, die Dynamik ist ungebrochen."

    Renommierte Ökonomen wie Paul Krugman oder Joseph Stiglitz können diesen Optimismus nicht teilen. Die Politik der Regierung Bush sei eine Gefahr für die Weltwirtschaft, warnte der Nobelpreisträger Stiglitz:
    "Vernünftige Politik könnte dazu beitragen, das Vertrauen wieder herzustellen. Doch keine Illusionen: Es wird ein harter Ritt."