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US-Zwischenwahlen
"Für Trump wird es jetzt sehr viel schwieriger"

Bei den Midterms in den USA haben die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Dies werde die Dinge für das Weiße Haus sehr verkomplizieren, sagte der Politologe Michael Werz im Dlf. US-Präsident Donald Trump habe es jetzt erstmals mit einer einflussreichen politischen Opposition zu tun.

Michael Werz im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 07.11.2018
    Zwei Hände halten eine Rolle mit Aufklebern mit der Aufschrift "I voted early".
    Bei den sogenannten „Midterms“ in den USA haben die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus eingebüßt, im Senat hingegen ausgebaut. (dpa/Sputnik)
    Jörg Münchenberg: Es ist der erste wirkliche Stimmungstest für den US-Präsidenten, auch wenn der Name Donald Trump nicht auf den Wahlzetteln gestanden hat. Stattdessen geht es bei den Zwischenwahlen um den Kongress. Das Repräsentantenhaus wird komplett neugewählt, der Senat immerhin zu einem Drittel. In beiden Häusern haben die Republikaner bislang die Mehrheit. So wie es aussieht, werden sich beide, Demokraten und Republikaner, die Macht im Kongress künftig wieder teilen müssen.
    Zugehört hat der Politologe Michael Werz, der die Wahlen für die Denkfabrik Centre for American Progress verfolgt. Einen schönen guten Morgen nach Washington.
    Michael Werz: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
    "Die Republikaner haben viele ihrer moderaten Vertreterinnen und Vertreter verloren"
    Münchenberg: Herr Werz, wie schwer wiegt die Niederlage der Republikaner im Repräsentantenhaus für den US-Präsidenten?
    Werz: Die Niederlage ist eine deutliche Niederlage, deutlicher als das selbst viele Demokraten erwartet hatten. Für die Republikanische Partei ist das ein Problem, weil sie viele ihrer moderaten Vertreterinnen und Vertreter verloren hat und jetzt die republikanische Fraktion noch konservativer geworden ist, als sie ohnehin schon war.
    Für das Weiße Haus verkomplizieren sich die anhängigen Untersuchungen in Sachen Einmischung russischer Geheimdienstmitarbeiter in die Wahlen von 2016, das Finanzgebaren des Präsidenten, die Tatsache, dass seine Familie nach wie vor finanziell profitiert von seiner und den anderen Positionen im Weißen Haus. Diese Dinge verkomplizieren sich sehr, weil jetzt mit einer demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus Zeugen vorgeladen werden können, die sich bisher diesen Untersuchungen entzogen haben, und man davon ausgehen muss, dass die Demokraten alle Register ziehen, um diesem Präsidenten Steine in den Weg zu legen.
    Der Politikwissenschafter Michael Werz
    Der Politikwissenschafter Michael Werz (imago stock&people)
    Münchenberg: Darauf gehen wir gleich noch mal ein, Herr Werz. Ich würde ganz gerne noch mal bei dieser Niederlage für die Republikaner zumindest im Repräsentantenhaus bleiben. Könnte es sein, dass es jetzt auch zunehmend wieder kritische Stimmen gibt, die die scharfe Rhetorik von Trump ablehnen, da vielleicht auch ein bisschen auf Distanz gehen zum Präsidenten? Oder hat der Präsident letztlich die Partei geschlossen hinter sich?
    Werz: Der Präsident hat die Partei nicht geschlossen hinter sich. Aber was in den vergangenen 20 Monaten für viele überraschend zu beobachten war, dass sich niemand im parteipolitischen Kontext gegen den Präsidenten gestellt hat, oder auch seine apokalyptische, zum Teil von rassistischen Visionen getragene Rhetorik der vergangenen Wochen in Frage gestellt hat.
    Es ist so, dass der Präsident es doch geschafft hat, in den vergangenen beiden Jahren die Institutionen der Republikanischen Partei im Land hinter sich zu bringen oder auf seine Linie festzulegen. Hinzu kommt, dass interessanterweise seine Rhetorik, die auch mit Unwahrheiten gespickt war und auch vor rassistischen Anwürfen nicht zurückschreckte - ein durchaus ungewöhnliches Vorgehen für einen republikanischen Präsidenten -, dass diese Rhetorik in Landesteilen verfangen hat, in denen es wenig Migranten gibt und die relativ weit von der US-mexikanischen Grenze entfernt gelegen sind.
    Das heißt, dort scheint sich ein Mobilisierungspotenzial ergeben zu haben, dass Leute, getrieben von Angst, Ressentiments und auch Vorurteilen, durchaus bereit waren, diesen Präsidenten zu unterstützen. Das gibt ihm zumindest kurzfristig eine gestärkte Position innerhalb des republikanischen Parteikontextes.
    "Die politische Landkarte der USA verschiebt sich ein wenig"
    Münchenberg: Aber das ist ja auch genau der Punkt, Herr Werz, denn Trump kann ja auch auf den deutlichen Erfolg der Republikaner im Senat verweisen. Und das zeigt ja schon: Auch da, wo er sich ins Zeug geworfen hat, da wo er aufgetreten ist, da haben die Republikaner auch große Erfolge verzeichnet.
    Werz: Ich glaube, das Bild ist etwas gemischter. Er hat eine ganze Reihe von Abgeordneten auch im Abgeordnetenhaus unterstützt, die nicht gewählt worden sind. Die Demokraten haben es auch vermocht, die Gouverneursämter, die sehr wichtig sind, in Indiana und Kansas, auch in ländlichen Regionen, in denen konservative Positionen vorherrschen, für sich zu gewinnen.
    Die Gemengelage ist durchaus gemischter. Was sich abgezeichnet hat ist, dass entgegen der Rhetorik des Präsidenten gerade in den südlichen Landesteilen, in Georgia, aber auch in Texas, sich doch sehr starke demokratische Positionen gefestigt haben, die Wahlergebnisse dort besser sind, als das in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist, und man sieht, dass sich die politische Landkarte der USA ein wenig verschiebt.
    Es ist weniger, dass jetzt der Präsident der Katalysator dieser Entwicklung ist, als dass es hier gesellschaftliche Veränderungen gibt in den Vereinigten Staaten mit dem konservativ werden weißer Arbeiterklassen und den neuen Minderheiten, die politisch sich stärker in die Gemengelage einmischen und demokratisch wählen – Entwicklungen, die ja auch in Europa nicht ganz unbekannt sind.
    "Die Präsidentschaftswahlen 2020 folgen anderen politischen Bewegungsgesetzen"
    Münchenberg: Nun sagen manche Beobachter, Herr Werz, diese Midterms, diese Zwischenwahlen, das war ein Probelauf für die Präsidentschaftswahlen 2020. Ihrer Meinung nach, welche Schlüsse wird jetzt Trump aus dem Verlauf dieses Wahlausgangs ziehen?
    Werz: Es ist wichtig, dass er das Abgeordnetenhaus nicht gewonnen hat beziehungsweise die Republikaner diese Kammer nicht halten konnten, weil ansonsten dieser vorteilsvolle, ressentimentgeladene Wahlkampf noch gratifiziert würde und die Republikanische Partei sich unter Umständen darauf eingelassen hätte, im Jahr 2020 einen ähnlichen Wahlkampf zu führen.
    Gerade die Senatorinnen und Senatoren, die jetzt zur Wahl stehen in zwei Jahren – und das sind einige auf der republikanischen Seite -, müssen sich in den kommenden 24 Monaten entscheiden, wie sie sich zu diesem kontroversen, polarisierenden Präsidenten, den die Washington Post in den letzten 20 Monaten bei 6500 Lügen und Unwahrheiten ertappt hat, wie sie sich gegenüber diesem Präsidenten verhalten.
    Insofern kann man davon ausgehen, dass in den kommenden Wochen innerhalb der Republikanischen Partei sehr viele darüber Rechenschaft ablegen müssen, ob wirklich diese Positionierung am äußersten rechten Rand Zukunft hat.
    Auf der anderen Seite wird es eine wilde Gemengelage geben auf der demokratischen Seite, wo sich über 20 Kandidatinnen und Kandidaten für die Präsidentschaft warmlaufen. Insofern ist es nicht richtig zu sagen, dass das jetzt ein Testlauf war. Die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 folgen anderen politischen Bewegungsgesetzen und wir werden uns auf muntere zwei Jahre bis zu diesem Zeitpunkt hier in Washington einrichten.
    Donald Trump in Montana; er steht auf einer Bühne, hinter ihm Zuschauer.
    Für Donald Trump wird das politische Leben nach den "Midterms" etwas ungemütlicher (AFP)
    Münchenberg: Trotzdem sind ja die Republikaner mittlerweile eine Trump-Partei. Wird der Präsident gerade mit seiner aggressiven Rhetorik nicht auch in den nächsten Jahren ganz klar den Kurs vorgeben?
    Werz: Ja, das ist vollkommen richtig. Der Präsident wird sich weiterhin auf seine Kernwählerschaft und seine Kernunterstützer beziehen. Aber die Frage ist, ob die Partei, die sich jetzt offenkundig in einer strukturellen Minderheitsposition im ganzen Land befindet, der viele unabhängige Wählerinnen und Wähler abhandenkommen - Donald Trump hat einen vier Prozent Vorsprung gehabt unter den unabhängigen Wählerinnen und Wählern im Jahr 2016; das ist jetzt zu einem minus zwölf Prozent Defizit geworden. Die Frauen, die prozentual sich stärker an der Wahl beteiligen als Männer, haben zu fast einem Fünftel Donald Trump weniger gewählt als die demokratischen Gegenkandidaten der Republikanischen Partei.
    Insofern werden hier viele auch auf eine Neuausrichtung drängen. Ob die sich durchsetzen können, das muss man angesichts der Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre und der Dominanz Donald Trumps in dieser Partei mit einem Fragezeichen versehen. Aber auf Dauer wird diese Polarisierung und Spaltung der amerikanischen Gesellschaft keinen Weg für eine solide und auch erfolgreiche konservative Politik bieten.
    "Das ist keine Spaltung, sondern vielmehr ein gesellschaftlicher Veränderungsprozess"
    Münchenberg: Trotzdem, Herr Werz, nun müssen sich beide die Macht teilen im Kongress. Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat, die Demokraten im Repräsentantenhaus. Ist das nicht spiegelbildlich auch die Spaltung im Land, an der sich erst einmal nichts ändern wird?
    Werz: Das ist weniger die Spaltung im Land - ich glaube, das ist eine Vereinfachung -, als vielmehr ein gesellschaftlicher Veränderungsprozess, in der weiße, soziale Mittel- und Unterschichten zum ersten Mal zu einem Abschluss einer Entwicklung kommen, in der Weiße in diesem Land illegitime und unberechtigte Vorteile hatten, und diese illegitimen und ungerechten Vorteile wollen viele verteidigen. Darum ist Donald Trump bei diesen Gruppen mit seinem weißen Nationalismus erfolgreich.
    Auf der demokratischen Seite konsolidiert sich das neue Amerika, eine sehr heterogene Gruppe, bestehend aus Minderheiten, Afroamerikanern, gebildeten Weißen, urbanen Mittelschichten, vielen Frauen. Das ist die Regenbogen-Koalition, von der Franklin D. Roosevelt schon geträumt hat und die Obama 2008 ins Amt gebracht hat, und es wird sich entscheiden müssen, ob das neue oder das alte Amerika sich politisch hier durchsetzt. Das ist eine Diskussion, die wir in den kommenden Monaten erleben werden.
    "Die Demokraten werden mit sehr viel härteren Bandagen kämpfen"
    Münchenberg: Herr Werz, lassen Sie uns noch mal auf die unmittelbaren politischen Konsequenzen dieser Wahl zu sprechen kommen. Wird es mehr parlamentarische Kontrolle geben durch die Machtteilung im Kongress? Oder wird Trump nicht am Ende versuchen, einfach auf Präsidialerlasse auszuweichen, so wie das Obama ja auch schon vorher gemacht hat?
    Werz: Ja, das wird sicherlich der Fall sein, das erstere. Das heißt, dass der Kongress jetzt seine Kontrollfunktion endlich wieder wahrnimmt, was die Republikaner in den vergangenen zwei Jahren haben vollkommen schleifen lassen. Die Demokraten haben das heute Nacht in ihren Reden auch schon angekündigt, dass hier sowohl was die Investigation zu der Einmischung des russischen Geheimdienstes als auch der Finanzgebaren des Präsidenten angeht, man mit sehr viel härteren Bandagen kämpfen wird.
    Und der Kongress hat ja auch die wichtige Aufgabe, das gesamte Finanzgebaren der Regierung zu kontrollieren, und insofern ist das auch ein Instrument, mit dem Demokraten hier Politik machen können. Für den Präsidenten wird es mit Sicherheit nicht einfacher, sondern sehr viel schwieriger. Er hat es zum ersten Mal in seiner sehr kurzen politischen Karriere jetzt wirklich mit einer massiven und auch einflussreichen politischen Opposition zu tun.
    Münchenberg: Die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Michael Werz von der US-Denkfabrik Centre for American Progress. Herr Werz, besten Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Werz: Vielen Dank, Herr Münchenberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.