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USA und COVID-19
Trumps Impfstoff-Versprechen im Wahlkampf

US-Präsident Donald Trump hat bereits mehrfach versprochen, dass ein Impfstoff gegen COVID-19 bald auf dem Markt sein wird. Möglichst vor der US-Wahl am 3. November. Behörden, Wissenschaftler und Pharmaunternehmen reagieren mit Besorgnis und distanzieren sich von Trump.

Von Thilo Kößler | 09.09.2020
Donald Trump im Weißen Haus
US-Präsident Donald Trump hat die Gesundheitsbehörden bereits angewiesen einen Verteilungsplan für einen Impfstoff gegen Covid-19 zu erstellen. (imago-images/Mediapunch)
Es vergeht kein Tag ohne ein neues Versprechen des Präsidenten auf einen Impfstoff – es werde bald auf dem Markt sein, sagte Donald Trump am Dienstag. Am Montag wartete Trump sogar mit einem Termin auf: Im Oktober sei es so weit.
Bereits am Freitag hatte Trump durchblicken lassen, worum es wirklich geht: Der Impfstoff soll nach dem Willen Donald Trumps noch vor dem "speziellen Tag" vorliegen, wie er sagte. Gemeint: Der Wahltag am 3. November.
Impfstoffversprechen gegen schlechte Umfragewerte
Donald Trump ist so fixiert auf die Entdeckung des Impfstoffs, dass seine Absichten immer offensichtlicher werden: Er erhofft sich angesichts schlechter Umfragewerte einen politischen Befreiungsschlag im Wahlkampf.
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Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Kamala Harris attackiert Trump
Kamala Harris, die Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten, bekannte, sie traue keinem Versprechen von Donald Trump mehr über den Weg: Erst recht nicht seinem Versprechen auf einen Impfstoff. Da setze sie einzig und allein auf die Einschätzung der Wissenschaft.
Schließlich habe Donald Trump schon allerhand Wundermittel angepriesen – zum Beispiel die Injektion von Desinfektionsmitteln
Auch Pharmaunternehmen gehen auf Distanz
Während Donald Trump von einer Diffamierungskampagne der Demokraten spricht, die darauf abziele, seine Einschätzungen zu konterkarieren, gehen auch die Pharmaunternehmen auf Distanz, die fieberhaft nach einem Impfstoff suchen: In einem ungewöhnlichen Schritt wandten sich die Geschäftsführer von 9 großen Pharmaunternehmen gemeinsam an die Öffentlichkeit, um dem wachsenden politischen Druck von Seiten des Präsidenten zu entgehen. "Wir werden nur dann eine Zulassung oder eine Notfall-Erlaubnis beantragen", heißt es in der Erklärung, "wenn die Sicherheit und Wirksamkeit durch eine klinische Studie der Phase 3 nachgewiesen werden kann". Zitat Ende.
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Eine klinische Studie der Phase 3 bedeutet nach US-Standards, dass mindestens 30.000 Testpersonen daran teilgenommen haben müssen. Das erfordert unter normalen Umständen Jahre. Indes geraten auch die Behörden zunehmend unter Druck aus dem Weißen Haus: Die Gesundheitsbehörde CDC wurde vergangene Woche angewiesen, genaue Pläne für eine Verteilung des Impfstoffs in spe vor den Wahlen am 3. November bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund wächst das allgemeine Misstrauen, dass das Drängen des Präsidenten bei den Behörden Wirkung zeigen könnte.
Politischer Druck auf die Arzneimittelbehörde
Tatsächlich haben die Gesundheitsbehörden schon mehrfach in dieser Krise schwere Fehler eingestehen müssen. So musste die Notzulassung des Malariamittels Hydroxychloroquin zurückgenommen und auch die allzu optimistische Einschätzung des Einsatzes von Blutplasma im Nachhinein korrigiert werden. Paul Offit, Mitglied des wissenschaftlichen Expertenrates der FDA, gestand in einem Fernsehinterview ein, dass die Arzneimittelbehörde Teil der Administration und deshalb natürlich Ziel politischen Drucks sei.
Fauci versucht, Trump zu bremsen
Anthony Fauci, der Chefberater des Präsidenten in der Corona-Krise, sieht sich vor diesem Hintergrund in einem schmerzhaften Spagat: Auf der einen Seite versucht er, den Präsidenten zu bremsen, auf der anderen Seite wirbt er für das Vertrauen in die Behörden. Auch die FDA werde ihr Versprechen einlösen und das Verfahren allein auf wissenschaftlicher Grundlage durchführen, versicherte er im CNN-Interview.
Behörden, Wissenschaftler und Firmen besorgt
So wächst nicht nur das Misstrauen gegenüber den optimistischen Äußerungen des Präsidenten. Sondern auch die Besorgnis von Behörden, Wissenschaftlern und Firmen gleichermaßen, dass die Akzeptanz eines Impfstoffs durch diese politische Auseinandersetzung Schaden nehmen könnte. Der Leiter der Arzneimittelbehörde, Steven Hahn, ließ sich zu einem öffentlichen Versprechen hinreißen: Die Entscheidung über die Zulassung eines Serums werde keinesfalls nach politischen Kriterien getroffen, sagte er.