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Usedom, die braune Insel

In manchen Teilen Usedoms hat jeder vierte Wähler bei der vergangenen Landtagswahl für die NPD gestimmt. Neid ist ein wichtiger Faktor auf der Ostseeinsel. Unter anderem fehlt es an gut bezahlten Jobs.

Von Peter Marx | 11.03.2012
    Heringsdorf im März: Von Seeseite pfeifen Sturmböen über die Gemeinde, ein Zusammenschluss der "Drei Kaiserbäder" Albeck, Heringsdorf und Bansin auf der Insel Usedom. Gäste spazieren auf der Promenade, sitzen dick eingemummt auf den Terrassen der Bistros oder lassen ihre Kreditkarten in Designershops, Schmuckläden und Galerien glühen. Das alles vor den Fassaden von restaurierten oder neu gebauten Vier- und Fünf-Sterne-Hotels. Ein nobles Ambiente, das den Eindruck erweckt: Der stetige Strom an Touristen – täglich durchschnittlich 30.000 – spült viel Geld auf die Insel und den Einheimischen geht es daher gut.

    Doch dieser Eindruck täuscht. Hinter den Fassaden der Gründzeitvillen, Bungalows, schmucken Fischerhäusern und Plattenbauten gärt es. Viele Usedomer fühlen sich als Verlierer der Wende, ärgern sich über die hohe Kriminalität auf der Insel, über fehlende Job-Angebote und zu teuren Wohnraum.

    Themen, die in den vergangenen Wahlkämpfen bei den etablierten Parteien kaum eine Rolle spielten, im Gegensatz zur rechtsextremen NPD. Das Ergebnis: Bei den Landtagswahlen im September vergangenen Jahres entschied sich im Wahlkreis Usedom-Stadt fast jeder vierte Wähler für die NPD.

    "Wir sind selber erschrocken gewesen, denn damit hat man nicht gerechnet. Was vorher nicht so wahrgenommen wird, zeigt auf einmal eine Blüte, die wir hoffnungslos unterschätzt haben."

    Das sagt nachdenklich Rolf Seelige-Steinhoff, Inhaber von 15 Hotels auf der Insel in seinem schmalen Konferenzraum. Seine Familie hat gleich nach der Wiedervereinigung auf der Insel Millionen investiert und Hunderten von Einheimischen einen Job besorgt. Ein Boom-Jahr folgte auf das andere. Eine Erfolgsgeschichte. Dass sich gleichzeitig immer mehr Nazi-Kameradschaften auf der Insel tummelten und ihr Einfluss immer stärker wurde, nahm Hotelbesitzer Seelige-Steinhoff nur "am Rande" wahr.

    "Man muss natürlich gestehen, dass so eine Insel wie unsere weniger von den etablierten Parteien lebt, sondern primär von Interessensgruppen, die aus regionalen Strukturen gewachsen sind. Die SPD findet hier gar nicht richtig statt. Die CDU ist sehr stark vertreten, aber es geht mehr um Gruppierungen die Inselinteressen, kommunale Interessen vertreten. Und da, die Auseinandersetzung mit der rechten Szene ist sicherlich noch nicht in dem Maße erfolgt, wie es hätte erfolgen müssen."

    Das führte dazu, dass sich Usedom kontinuierlich zur Braunen Insel entwickelt habe, sagt Günther Hoffmann vom Verein "Bunt statt Braun":

    "Mit Stammtischen und Unzufriedenen ist das weniger erklärt. Wir haben einfach die letzten zehn Jahre einen kontinuierlichen Strukturaufbau von rechtsextremen Organisationen, neofaschistischen Organisationen und Parteistrukturen auf der Insel gehabt. Und die konnten dort unbehelligt, ihre Bildungsarbeit und ihre Strukturarbeit machen. Man hat dem ganzen Problem nie eine Aufmerksamkeit geschenkt."

    Wie stark die NPD geworden ist, machen diese Zahlen deutlich. Bei den Landtagswahlen 1990 wählten im gesamten Bundesland knapp 1500 Frauen und Männer die NPD; bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr holte der NPD-Spitzenmann Enrico Hamisch im Wahlkreis Ostvorpommern II, dazu gehört die gesamte Insel Usedom, rund 2700 Erststimmen. Der 38jährige Koch und Konditor scheiterte nur knapp am Einzug in den Landtag.

    Insgesamt erhielt die NPD rund 81.000 Stimmen im Land, die meisten davon in Vorpommern. Das reichte für fünf Mandate im Landtag. Hamisch ist Kreisvorsitzender der NPD, Mitglied des Kreistages und der Gemeindevertretung Heringsdorf. Er soll auch einer der Anführer des rechtsextremen Kameradschaftsbundes Usedom sein. Für Günther Hoffmann sind die Nazi-Kameradschaften der "Kern des braunen Übels".

    "Da geht es in erster Linie um Strukturen aus dem Umfeld der freien Kameradschaften. Also man muss dazu sagen, dass die NPD bis zum Jahr 2004 hier in der Region überhaupt nicht vertreten war. Es gab in Wolgast einen kleinen Ortsverband, aber ansonsten spielte die NPD im jetzt neuen Großkreis Greifswald-Vorpommern an sich überhaupt keine Rolle. Dominierend waren von jeher die sogenannten freien Kameradschaften."

    Über seinen Erfolg sprechen wollte NPD-Mann Hamisch nicht. Doch er ist nicht der einzige, der dazu lieber schweigt. Drei Tage lang lässt der Bürgermeister der Kaiserbäder, Klaus Kottwittenburg, Interviewtermine platzen, wegen angeblich wichtiger Termine. Gesprächiger zeigt sich dagegen Michael Andrejewski, NPD-Landtagsabgeordneter aus der früheren Kreisstadt Anklam, der geistige Führer dieser auffälligen Entwicklung rund um die Insel.

    "Der Grund ist, dass dort viele Leute mit unserer Gesinnung leben. Das heißt, sie haben ein großes Aktivistenpotential teils als Partei, teils als Kameradschaften. Und es gibt eine Grundeinstellung der Bevölkerung, die uns zuneigt und es gibt die aktuellen Probleme."

    Usedom präsentiert sich Einheimischen wie Touristen als lebendige Insel. Es gibt in allen Dörfern funktionierende Vereinsstrukturen, Gaststätten, Freizeit- und Sportanlagen, von denen andere Gemeinden im Land nicht einmal zu träumen wagen. Die Vermietung der rund 45.000 Gästebetten garantieren Umsätze im dreistelligen Millionen-Bereich. Das sorgt für Aufschwung und für die Gründung neuer Firmen: im Schnitt 100 pro Jahr. Rentner aus allen Bundesländern siedeln über. Nichts erinnert hier an die Dörfer in Vorpommern, die wie Geisterorte wirken. Trotzdem diese Lust auf Braun? Hagen Höhn, Direktor des Grandhotels Heringsdorf sieht die Ursache in den alltäglichen Veränderungen, denen die Einheimischen ausgesetzt sind.

    "Ihre Gemeinden, ihre Wohnorte sind nicht mehr, dass was sie mal waren. Er hat seine Heimat nicht mehr in der Form, wie er sie früher hatte. Und er lebt in einem Umfeld, wo sich auch Menschen von Extern bewegen, die sehr wohlhabend sind, die sich im Moment nicht zusammen mit ihm auf einer Ebene bewegen."

    Neid ist ein weiterer Faktor für das braune Wir-Gefühl auf der Insel. Neid auf die Touristen, die im Urlaub unbeschwert ihre Kreditkarten zücken und es ein wenig krachen lassen. Dem gegenüber steht die schlechte Bezahlung der Hotel- und Gaststättenmitarbeiter, von denen viele in der Saison 50, 60 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Günther Hoffmann hält dies für einen weiteren Grund, weshalb Einheimische die NPD wählen.

    "Ja, man muss sich auch die andere Seite der Medaille anschauen. Wir haben sehr viele Arbeitsplätze im Niedrigstlohnbereich, was natürlich auch eine gewisse Unzufriedenheit mit sich schürt. Man hat einen festen Job, in der Saison arbeitet man Überstunden noch und noch. Aber gleichzeitig ist man danach Aufstocker, weil die Löhne nicht reichen, eine Familie zu ernähern. Das ist immer zweischneidig zu sehen."

    Kein Thema, dem sich Hotel- und Restaurant-Chefs gerne nähern, dafür die NPD mit Michael Andrejewski umso lieber.

    "Ja, das ist das Problem der Hoteliers. Die Schuld geben wir auch nicht den Ausländern, sondern wir geben die Schuld der dortigen Tourismuswirtschaft, die die Leute ausbeutet."

    Dennoch: Die Statistik der Arbeitsamts-Geschäftsstelle Wolgast – zuständig für Usedom – liest sich wie eine Erfolgsbilanz. In den letzten sechs Jahren sank die Arbeitslosenquote von 29 Prozent auf derzeit rund 18 Prozent. Tendenz weiter fallend.

    Das Arbeitsamt führt zwei Gründe an: der wirtschaftliche Aufschwung auf der Insel und die demografische Entwicklung. Es fehlt also offenbar nicht so sehr an den Jobs selbst, sondern vielmehr an gut bezahlter Arbeit: Nicht jeder arbeitslose Usedomer ist daher bereit, jeden Job anzunehmen. So kommt es, dass nicht nur Hotel-Besitzer Seelige-Steinhoff über den schwierigen Usedomer Arbeitsmarkt klagt. Ihm allein fehlen über zehn Mitarbeiter.

    "Also nicht nur in der Saison, sondern das ganze Jahr könnten wir alleine bei uns in den verschiedenen Objekten diverse Stellen besetzen. Das fängt mit den Auszubildenden an, das geht aber auch bis in den Facharbeiterbereich rein. Und wir sind wirklich glücklich, dass wir Leute gefunden haben wie die Polen, die auch hier tätig sind."

    Die Grenze nach Polen liegt nur zwei Kilometer von den Kaiserbädern entfernt. Im Wahlkampf hängte die NPD flächendeckend auf der Insel Plakate auf - mit der Aufschrift "Grenze zu". Ein Affront gegen die polnischen Hilfs- und Fachkräfte, ohne die kaum noch ein Hotel auf der Insel funktioniert. Susanne Gahr aus dem Tourismusbüro der Kaiserbäder sieht diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen.

    "Die Polen sind schon wichtig für die Hotelbranche und ich glaube schon, dass es vielen jüngeren Leuten, die eben auch in der Hotelbranche arbeiten oder Fuß fassen wollen, dass es eben für diese Menschen schwer nachvollziehbar ist, warum jetzt der Pole die Stelle bekommt und nicht der Deutsche, der eine ähnliche Ausbildung hat."

    Was die junge Einheimische nicht anspricht, ist der latente Polenhass, der auf der Insel eine lange Tradition hat, wie Günther Hofmann es beschreibt.

    "Das ist eine Geschichte, die noch aus der Zeit der DDR da ist. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass wir in der ganzen Region sehr viele Leute haben, die aus den ehemaligen Gebieten jenseits der Oder kommen. Wir haben einen sehr hohen Flüchtlingsanteil hier in der Region, die hier auch sesshaft geworden sind. Und dazu kommt die Außenpolitik der DDR, es war zwar der Bruderstaat Polen, aber man hat tunlichst vermieden, dass Kontakte zwischen den Bevölkerungen entstehen."

    Das polnische Swinemünde war früher das wirtschaftliche Zentrum der gesamten Region. Die Gärtnerei, die Fischfabrik, die Molkerei, die Mühle, alle belieferten den Markt in der polnischen Grenzstadt. Doch die meisten dieser Betriebe gibt es heute nicht mehr. Zwar spricht die Landesregierung gerne von einem deutsch-polnischen Wirtschaftsraum, doch davon ist in Vorpommern kaum etwas zu spüren.

    "Die Arbeitsbedingungen sind nicht immer die besten und die Verdienste sind eben auch nicht gut. Und wenn dann die polnischen Arbeitskräfte hier noch reindrängen, da baut sich dann Frust auf."

    Bürgermeister Jochen Storrer ist ein aufrechter Demokrat. Trotzdem spricht der ehrenamtliche Bürgermeister der Stadt Usedom vom "Reindrängen der polnischen Arbeitskräfte".

    Vokabular, das von einem NPD-Vertreter stammen könnte. Doch Storrers Worte geben das wieder, was die Einwohner der Stadt denken. Storrer trägt Jacke, Bart und Brille, aber keine braune Gesinnung. Im Gegenteil. Seit die NPD im Stadtrat zwei Stühle besetzt, führt er einen täglichen Kleinkrieg mit den Braunen.

    "Die Rechten bringen in der Gemeindevertretung nichts Konstruktives. Sie stimmen fast gegen alle Beschlüsse. Wir können tun, was wir wollen, selbst wenn wir versuchen Geld einzuwerben, dann sind sie dagegen. Es könnte ja für uns ein Erfolg werden. Sie sitzen da, sie bringen auch ihre Argumente vor, aber konstruktiv ist das nicht."

    Er sei tief enttäuscht gewesen über das Wahlergebnis. 22,7 Prozent NPD-Wähler bei den letzten Landtagswahlen, trotz aller Versuche, die Stadt liebenswert zu gestalten. Das war viel mehr, als der 69-jährige befürchtet hatte.

    "Wir in der Stadt leben in der Haushaltskonsolidierung, unsere Gewerbesteuereinnahmen decken nicht mal die Pflichtaufgaben. Und dann möchte man gerne auch noch ein paar freiwillige Aufgaben machen wie Jugendclub, Sportverein, Seniorenbetreuung und so weiter. Und da haken die Rechten immer ein und damit machen die auch ihre Politik."

    Jochen Storrer sortiert auf seinem Schreibtisch Papiere für die nächste Stadtratssitzung. Seit über 10 Jahren ist er Bürgermeister, parteilos, gewählt über eine unabhängige Bürgerliste. Bekommt er Unterstützung gegen die Rechten? "Von wem denn auch?", unterbricht er kurz und zornig.

    "Herr Caffier, unser Innenminister sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Unser Ministerpräsident sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Der Thierse sagt das da, wir müssen verbieten. Aber keiner tut was. Wir müssen uns auseinandersetzen, wir hier an der Basis."

    Wie das an der Basis aussieht, dafür hat der Bürgermeister ein Beispiel parat. Er erzählt von einer Begebenheit aus dem vorigen Jahr, am Volkstrauertag, vor dem Ehrenmal für die Gefallenen der letzten Weltkriege.

    "Als wir dort hinkamen, da hatte die NPD dort am Abend vorher eine Veranstaltung gemacht, unangemeldet, und hatte dort sieben Gebinde niedergelegt mit faschistischen Parolen, Hetzparolen zum Beispiel. So, und dann haben wir uns verständigt, ganz kurz mit zwei, drei Stadtvertretern und dem Pfarrer und dann haben wir gesagt: Die Dinger räumen wir weg und in den Müll geworfen. Daraufhin wurde ich von der NPD angezeigt und dann hatte ich Vernehmungen durch die Kripo. Es wurde gegen mich ein Verfahren eingeleitet und es hat wirklich ein Vierteljahr gedauert, bis die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren eingestellt hat."

    Selbst gestohlene Wasserhähne auf dem Friedhof dienen der Kampagne gegen Fremde. Storrer spricht von "Buntmetalldieben", die NPD dagegen von polnischen Diebesbanden und wirft der Polizei vor, nichts gegen die ausufernde Kriminalität zu tun. "Alles Quatsch", sagt Detlef Kern, Leiter des Polizeireviers in Heringsdorf. Der Kriminal-Hauptkommissar verweist auf die Polizeistatistik, die einen Rückgang der gesamten Kriminalität von zirka einem Drittel ausweist. Und unter den erwischten Dieben sei gerade einmal jeder fünfte ein polnischer Staatsbürger gewesen.

    "Ja, der Anteil der Straftäter oder Tatverdächtigen hinsichtlich der Ausländerproblematik bewegt sich immer zwischen einer Zahl von 150 bis 200 Tatverdächtigen im Jahr."

    Das wiederum lockt den NPD-Juristen und Landtagsabgeordneten Andrejewski aus der Reserve, der - ohne jeden Beweis - behauptet:

    "Die Statistik lügt offensichtlich, die muss manipuliert sein. Wenn sie sich mit den Leuten unterhalten und davon gehen wir aus, dann ist die Kriminalität massiv angestiegen."

    Revierleiter Kern spricht von "gefühlter Kriminalität", die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, aber das Denken und Handeln der Usedomer tief beeinflusst. "Jeder Diebstahl eines Stallhasen" werde gleich zur Einbruchsserie hochstilisiert. Schweigend werde dagegen zur Kenntnis genommen, wenn an eine Hauswand rechte Parolen oder Hakenkreuze gesprüht werden, höchstens lapidar wird von einem Dumme-Jungen-Streich gesprochen.

    Was vermutlich sogar stimmt, denn die rechten Kameradschaften halten sich aus taktischen Gründen zurück, während sie gleichzeitig ihr Netz über die Insel immer dichter knüpfen.

    "Auf Usedom gibt es sicher mehrere Kameradschaften. Als erstes ist da der Kameradschaftsbund Usedom zu benennen, der nach wie vor aktiv ist. Und das Modell der Kameradschaften, sie können jetzt nicht mit bürgerlichen Maßstäben ran, sondern die sind strikt nach dem Führerprinzip organisiert, haben ein sehr regional beschränktes Handlungsumfeld. Oft sind die auch nach Ortschaften benannt und dort auch ausschließlich aktiv, außer sie fahren zu Demonstrationen oder ähnliches. Es geht auf die Verbotswelle von 1995 zurück, als zwei Hamburger Rechtsextremisten dieses Organisationsmodell erfunden haben, um dem Staat keinen Zugriff mehr auf diese Struktur zu geben.""

    Günther Hoffmann von der Initiative "Bunt statt Braun" beobachtet seit Jahren das Treiben der Kameradschaften in Vorpommern. Usedom spielt dabei, so Hoffmann, eine herausragende Rolle.

    ""Da haben wir mehrere Geschichten. Auch die Geschichte regionaler Kulturarbeit, Kulturbund Pommern, Jugendarbeit, ehemals Heimatbund Pommern. Also diese Region hier, einschließlich der Insel Usedom, ist seit jeher ein gutes Labor, um neue Geschichten zu entwickeln, die dann tatsächlich auch bundesweit an Bedeutung gewinnen."

    Beispielsweise der Inselbote, eine unregelmäßig erscheinende Publikation von Neo-Nazis für Neo-Nazis.

    "Der Ursprung der Botenreihe, die ja hier im Land flächendeckend verteilt werden, kommt aus Usedom. Der Inselbote war die erste Publikation, die hier im Land produziert wurde im Jahr 2000. Und von Usedom ausgehend hat es das ganze Land ergriffen beziehungsweise diese Regionalblättchen sind inzwischen bundesweit propagandistischer Standard geworden."

    All das hört Beate Carola Johannsen, Vorsitzende der Usedomer Tourismusgesellschaft, wie sie sagt, zum ersten Mal. Sie wirkt schockiert.

    "Ganz Usedom ist rechts. Also als Destination in die Ecke von rechts gestellt zu werden, das wäre natürlich für eine solche Region ganz schrecklich."
    Gleich nach der Landtagswahl haben sich Verbandsvertreter zusammengesetzt und über das Wahlergebnis diskutiert. Vielleicht unter dem Eindruck von E-Mails, in denen Feriengäste ihren geplanten Aufenthalt stornierten, weil sie nicht mehr "in braune Scheiße treten wollten", wie einer schrieb. Aber es waren zu wenige. Seitdem herrscht Schweigen.

    "Ich möchte nicht ausschließen, dass es für viele schon wieder weggerückt ist. Das ist natürlich nicht so, dass wir nur über der Kaffeetasse sitzen und das nur beklagen, dass es so ist."

    Der Tourismusverband fühlt sich als falscher Ansprechpartner und verweist auf die Landeszentrale für politische Bildung. Sie soll Seminare und Vorträge anbieten, während der Verband sich um die ihrer Ansicht nach wichtigen Aufgaben kümmert: Trabi-Treffen, kulinarische Strand-Wanderwochen und Modeschauen.

    Keiner traut sich derzeit zu einer Aktion gegen rechts: Weder Hoteliers oder Gastwirte, noch Künstler oder Firmenchefs. Sie haben Angst vor den Rechtsradikalen, lähmende Angst. Nichts tun – wegschauen – damit versuchen die Usedomer über die Runden zu kommen. Bis zur nächsten Wahl und dem nächsten Schock-Erlebnis. Doch darauf können sie sich fünf Jahre vorbereiten.